Sozialpolitik

Opposition attackiert Hartz IV-Gesetzentwurf - Union und FDP setzen sich bei späterem Anhörungstermin durch

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat sich am Mittwochvormittag erstmals mit dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zu den neuen Hartz IV-Regelsätzen beschäftigt.

10.11.2010

Berlin: (hib/ELA/KT) Als Termin für eine öffentliche Anhörung zu der umstrittenen Reform ist nun der 29.11. von 11 bis 15 Uhr vorgesehen. Union und FDP stimmten mit ihrer Mehrheit für diesen Termin. SPD, Grüne und Linksfraktion konnten sich mit ihrer Forderung nach einer früheren Expertenbefragung nicht durchsetzen. Sie hatten sich für den 22.11. ausgesprochen.

Insbesondere die Linksfraktion kritisierte, dass die Anhörung am 29.11. "zur Farce“ werde, da geplant sei, den Gesetzentwurf bereits zwei Tage später, am Mittwoch, im Ausschuss abschließend zu behandeln. Ein derart ‚Äùverdichtetes Beratungsverfahren“ sei "nicht angemessen“, hieß es auf Seiten der Linken. Ein Vertreter der Bundesregierung begründete den späteren Anhörungstermin damit, dass sich der Bundesrat am 26.11. mit dem Gesetzentwurf zu den Hartz IV-Regelsätzen beschäftigen werde. Wenn die Anregungen dieses Verfassungsorgans in die Anhörung mit einfließen solle, dann könne das Expertengespräch nicht vor diesem Termin stattfinden.

Die Oppositionsfraktionen übten zum Teil scharfe Kritik an dem vorliegenden Gesetzentwurf. SPD, Grüne und Linksfraktion bemängelten statistische Unsicherheiten bei den Berechnungen der Hartz-Sätze. Diese wurden aus dem Verbrauchsverhalten befragter Haushalte im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes (EVS) abgeleitet. Immer wieder fiel von Seiten der Opposition das Stichwort mangelnder ‚ÄùValidität“ der Daten. Gemeint ist damit, dass die Gruppen der Haushalte, die zur Ermittlung bestimmter Konsumausgaben herangezogen wurden, zu klein ausgefallen seien und die Daten dadurch nur "eingeschränkt verwendbar“ seien. Weiterhin kritisierten alle Oppositionsfraktionen, dass sich so genannte Aufstocker und "verdeckt Arme“ in den Referenzgruppen befänden. "Aufstocker“ sind Personen, deren Einkommen auf das Niveau der Grundsicherung aufgestockt wird, weil ihre Einkünfte unterhalb dieser Leistungen liegen. "Verdeckt Arme“ sind Menschen, die eigentlich Anspruch auf staatliche Leistungen hätten, diese aber nicht wahrnehmen. Kritik übten alle Oppositionsparteien auch an der Wahl der so genannten Referenzgruppe bei den Ein-Personen-Haushalten. Dort habe die Regierung nicht die unteren 20 Prozent der nach Einkommen geschichteten Einpersonenhaushalte herangezogen, sondern sei auf 15 Prozent herunter gegangen. SPD, Grüne und Linke kritisierten weiterhin, dass bestimmte Ausgabenposten für die Berechnung der Regelsätze nicht berücksichtigt worden seien, etwa Ausgaben für Alkohol, Schnittblumen oder den Besuch einer Eisdiele.

Die SPD-Fraktion sagte, es gebe "methodische Zweifel, die sogar an verfassungsrechtliche Bedenken herangehen“. Die Linksfraktion betonte ihre "Probleme mit EVS“ und "der Plausibilität“ der Berechnungen. So gäbe es etwa in der zugrunde gelegten Statistik vier Haushalte, die in drei Monaten "null Cent für Ernährung und Getränke“ ausgegeben hätten. Bündnis 90/Die Grünen halten die geplanten Hartz-Sätze zwar nicht für "evident verfassungswidrig“, aber dennoch für "so nicht haltbar“. In die Berechnung gingen durchschnittliche Beträge für bestimmte Ausgaben ein, die ganz offensichtlich nicht ausreichten, den tatsächlichen Bedarf zu decken. Als Beispiel wurde der Betrag für die Mobilität eines 14- bis 18-Jährigen genannt, der sich von unter 13 Euro keine Monatskarte im öffentlichen Nahverkehr kaufen könne.

Union und FPD verteidigten den Gesetzentwurf. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts seien "optimal“ (FDP) und "Punkt für Punkt“ (CDU/CSU) umgesetzt. Es gebe "keine Garantie“, dass die neuen Regelungen verfassungsgemäß seien, sie genügten aber "mit hoher Wahrscheinlichkeit den Vorgaben aus Karlsruhe“, hieß es auf Seiten der FDP. Die gewählten Stichproben seien "vernünftig“, bei Singles habe man Haushalte mit einem Einkommen bis zu 901 Euro herangezogen, bei Familien bis zu 2.500 Euro, betonte ein Vertreter der Unionsfraktion. Es seien Sonderauswertungen etwa zum Thema Mobilität vorgenommen worden. Union und FDP hätten "Wertentscheidungen getroffen“, so dass etwa Ausgaben für das Internet oder die Praxisgebühr berücksichtigt worden seien, Ausgaben für Pauschalreisen und Alkohol aber beispielsweise nicht. Erstmals gebe es nun ein "transparentes Verfahren“, erstmals eigene Kinderregelsätze. Das Bildungspaket für Kinder bedeute einen "Paradigmenwechsel“. 

Herausgeber: Deutscher Bundestag

 

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