Bildungspolitik

Bologna-Konferenz: Deutscher Hochschulverband fordert ehrliche Bestandsaufnahme und pragmatische Lösungen

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Professor Dr. Bernhard Kempen, hat die Politik im Vorfeld der Nationalen Bologna-Konferenz am 6. Mai 2011 in Berlin dazu aufgerufen, sich ohne Schönfärberei den immer noch erheblichen Problemen des Bologna-Prozesses zu widmen.

05.05.2011

Vielerorts hätten Lehrende und Lernende gemeinsam Prüfungsordnungen entschlackt, Mobilitätsfenster errichtet und das Bachelorstudium aus dem sechssemestrigen Korsett entlassen. Aber trotz dieser Nachbesserungen sei die Reform noch lange keine Erfolgsgeschichte.

Der DHV-Präsident bedauerte, dass die staatlich gelenkte Hochschulpolitik nach anfänglichem Reformeifer wieder in vergangen geglaubte Reaktionsmuster zurückgefallen sei. "Die Studien, die aus dem Hause Schavan kommen und nach Lesart der Bundesministerin den angeblich notorischen Kritikern der Bologna-Reform den Wind aus den Segeln nehmen, belegen in der Regel das Gegenteil: Die neuen Studiengänge bleiben den Beweis ihrer Überlegenheit gegenüber den traditionellen Studienabschlüssen von Diplom und Magister bislang schuldig." Dies gelte für die Abbrecherzahlen ebenso wie die Studierendenmobilität."Statt weiter die Reformprobleme zu verharmlosen, muss die Politik endlich ihre Hausaufgaben erledigen", erklärte Kempen. "Allen voran die Master-Frage muss gelöst werden. Zu lange wurden Antworten hierauf aufgeschoben." Drei von vier Bachelorstudierenden wollten ein Masterstudium anschließen. Der DHV erwartet von der Bologna-Konferenz konkrete Zusagen über zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen für mehr Master-Studienplätze, damit - wie in der Schweiz - grundsätzlich jeder Bachelorstudierende den Master machen kann, wenn er will", so Kempen. "Die Bildungsrepublik bleibt ein leeres Versprechen, wenn beruflich Qualifizierten der Weg zum Studium erleichtert wird, Bachelorabsolventen, die eine vertiefte wissenschaftliche (Aus-)Bildung mit dem Master anstreben, jedoch bürokratisch abgewiegelt werden."

Die Abstimmung mit den Füßen habe längst den Traum der Kultusbürokratie widerlegt, nur 20 oder 30 Prozent zum Master zuzulassen. Das in Berlin schon eingetretene "Master Desaster" wird sich in den nächsten Semestern bundesweit ausbreiten. "Wer Bologna richtig oder falsch versteht, wird sich dann sehr schnell zeigen. Wenn 40 oder gar 50 Prozent der Bachelorabsolventen der Weg zum Master versperrt wird, kann es sehr ungemütlich werden", erklärte Kempen. Die in die Master-Studiengänge drängenden Studierenden verhielten sich nur rational und arbeitsmarktkonform.

Wirtschaftsvertreter könnten noch so oft und laut den Bachelor willkommen heißen, in der betrieblichen Praxis stießen diese Bekundungen auf wenig Widerhall. "Wenn laut aktueller Stifterverband-Studie gerade einmal jeder vierte Universitätsabsolvent mit Bachelor direkt in den Beruf geht, ist das für einen qua Gesetz berufsqualifizierenden Abschluss ein Armutszeugnis", so Kempen. Der DHV-Präsident verwies in diesem Zusammenhang stellvertretend auf eine Umfrage der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, nach der in den Unternehmen an Physik-Absolventen mit Bachelorabschluss kein Interesse und Bedarf bestehe. "Es ist angesichts derartiger Erfahrungen zu begrüßen, dass sich die Justizminister und der Bundesgesundheitsminister für den Erhalt der Staatsexamina und damit gegen die Umstellung auf die gestufte Studienstruktur in Jura bzw. Medizin aussprechen." 

Quelle: Deutscher Hochschulverband (DHV)

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