Europa

Anhörung: Erasmus+ im Bildungsausschuss des Bundestages

Der Bildungsausschuss des Bundestages befasste sich mit Erasmus+ und lud zu einem zweistündigen Fachgespräch ein. Erasmus+ sei ein so unglaublich wichtiges Thema, nicht allein in der Sache an sich, sondern in der heutigen Zeit, machte Ausschussvorsitzende Patricia Lips die Bedeutung des Programms klar. Auch das Europäische Solidaritätskorps kam zur Sprache.

27.04.2017

Der Bundestagsausschuss hatte als Sachverständige die Leiter der vier Nationalen Agenturen in Deutschland eingeladen. Martine Reicherts (Generaldirektion für Bildung und Kultur der Europäischen Kommission, Brüssel) sowie Martin Ströhmeier (Leiter Kompetenzzentrum Jugendbildung, DGB-Bildungswerk, Hattingen) und Dr. Eva Maria Vögtle-Köckeritz (Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH, Hannover) komplettierten die Runde der Experten.

Als Vertreter für Erasmus+ JUGEND IN AKTION erläuterte Hans-Georg Wicke, Leiter von JUGEND für Europa, dem Ausschuss, wie das europäische Netzwerk der Nationalagenturen für den Jugendbereich die Umsetzung von Erasmus+ einschätzt.

Die Bedeutung des Programms im Jugendbereich

Erasmus+ JUGEND IN AKTION sei erfolgreich und zeige enorme Wirkungen im Jugendbereich, führte Wicke aus. Mit zehn Prozent des verfügbaren Budgets fördere Erasmus+ JUGEND IN AKTION etwas 25% aller Teilnehmer/-innen an Erasmus+.

Etwa 30% der Teilnehmer/-innen seien benachteiligte junge Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder mit geringeren Chancen. Erasmus+ ermögliche es den Trägern aus Jugendarbeit und Jugendhilfe, erfolgreich und eben europäisch zu den politischen Zielen nicht formales Lernen, soziale Inklusion, Kampf gegen Intoleranz, Rassismus und Radikalisierung zu arbeiten.

Dies sei nur dadurch möglich, dass der Jugendbereich ein spezifisches Kapitel mit einer eigenen Budgetlinie und eigenen spezifischen Zielen innerhalb von Erasmus+ habe. Die dezentrale Umsetzung erlaube es den Nationalen Agenturen ferner, den Antragstellern im Jugendbereich Unterstützung zu leisten und einen deutlichen Schwerpunkt auf die jugendspezifischen Ziele zu legen.

Verbesserungen werden angemahnt

Erasmus+ als Erfolgsgeschichte – dies sahen alle Sachverständigen so. Gleichzeitig betonten sie die Notwendigkeit von Verbesserungen. Die komplizierte administrative Verwaltung des Programms sei für Antragsteller zu aufwändig und müsse vereinfacht werden. Dies sei notwendig, um vor allem kleinere Träger den Zugang zum Programm weiter offen zu halten, forderten Ströhmeier und Wicke mit Blick auf den Jugendbereich.

Weiterhin herrschte Einigkeit darüber, dass das Budget von Erasmus+ nicht ausreiche. Viele förderfähige Projekte müssten abgelehnt werden.

Diskussion über Nachfolgeprogramm beginnt

Dr. Rosemarie Hein von den Linken brachte es auf den Punkt: Erasmus+ sei eindeutig eine Erfolgsgeschichte. Der Wert des Programms werde ja allein durch die Budgetausschöpfung deutlich. Jedoch sei es außergewöhnlich, wie viele kritische Punkte betont worden seien. Welche notwendigen Verbesserungen müssten denn bei der Diskussion um das Nachfolgeprogramm Beachtung finden?

Martine Reicherts versicherte, dass die EU-Kommission bereits seit einiger Zeit an der Entbürokratisierung des Programms arbeite. In diesem Bereich werde es auf jeden Fall weitere Verbesserungen geben. Entbürokratisierung dürfe jedoch nicht auf Kosten der Budgetkontrolle gehen. Erasmus+ sei das EU-Programm, welches quasi vollständig dezentralisiert umgesetzt werde. Dass dies so gut funktioniere, und die Gelder dort ankämen, wo sie hingehörten, sei ein Verdienst der Nationalen Agenturen.

Die dezentrale Umsetzung dürfe daher nicht angetastet werden, darüber herrschte Einigkeit. Und auch wenn die Zusammenlegung der einzelnen Sektoren in Erasmus+ eindeutig positiv zu bewerten sei, müssten die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Bildungsbereiche stärker in den Fokus gerückt werden. Hier brauchen die Nationalen Agenturen mehr Handlungsspielräume.

Was die mögliche budgetäre Ausstattung eines Nachfolgeprogramms betrifft, konnte Martine Reicherts sich nicht festlegen. Das Budget sollte auf keinen Fall unter das Budget fallen, welches im Jahr 2020 für Erasmus+ zur Verfügung stehen werde, so ihre Einschätzung. Der Rest sei Verhandlungssache. Sie sagte aber auch, dass die EU-Kommission sehr genau sehe, welche Bedeutung Erasmus+ habe.

Europäisches Solidaritätskorps

Und auch die geplante Einführung des Europäischen Solidaritätskorps (ESK) kam zur Sprache. Welche Auswirkungen dieses denn auf Erasmus+ habe, danach erkundigte sich Katrin Albsteiger (CDU/CSU).

Martine Reicherts erläuterte, dass die EU-Kommission einen Rechtstext zum ESK am 24.05. vorlegen wolle. Ausdrückliches Ziel des ESK sei es, die Freiwilligendienste einfacher zu machen.

Die Initiative der Kommission sei richtig und begrüßenswert, das betonte auch Hans-Georg Wicke. Das Europäische Solidaritätskorps ist die große Chance, dem Thema "Europa und Solidarität" mehr Bedeutung zu verleihen.

Konkret bedeute dies nun: Mit dem Europäischen Solidaritätskorps werde es wahrscheinlich ab 2018 ein neues Programm geben. Die Gelder, die für den EFD verwendet werden sollten, werden in das neue Programm hinüberwandern. Neben den Freiwilligendiensten werde das Europäische Solidaritätskorps auch einen beruflichen Zweig haben. Also müsse geklärt sein, wie die Idee von Freiwilligendiensten innerhalb des ESK gesichert werde. Dies sei letztlich auch eine Frage, wie das Budget für den ESK aufgeteilt werde.

Ebenso wichtig sei jedoch, dass man bei der Einführung des Programms die Qualitätsstandards und die Erfolge, die der Europäische Freiwilligendienst seit 20 Jahren vorweisen kann, beibehält. Diese dürften nicht verloren gehen. Außerdem biete sich jetzt die Möglichkeit, Verbesserungen einzuführen, die seit langem gefordert werden: Vereinfachungen in der Antragstellung, schnellere Verfahren und mehr Planungssicherheit für Antragsteller.

Hans-Georg Wicke machte auch deutlich, dass die Einführung des ESK Auswirkungen auf die Rechtsgrundlage von Erasmus+ haben werde. Und natürlich, so fügte er hinzu, müsse man sich Gedanken machen, welche Bedeutung es hat, wenn mit dem EFD ein Flagschiff von Erasmus+ JUGEND IN AKTION plötzlich wegfällt.

Auf jeden Fall müsse sichergestellt werden, dass Erasmus+ JUGEND IN AKTION ab 2018 weiterhin zehn Prozent des Gesamtbudgets zur Verfügung gestellt bekomme.

Quelle: JUGEND für Europa

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