Demokratie

djb: Gesetz zur Bekämpfung von Hasskriminalität muss Geschlechterdimension berücksichtigen

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bezeichnet den „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ als „enttäuschend“ und fordert, Frauenfeindlichkeit und Sexismus als Motivation für Hasskriminalität zu berücksichtigen. Außerdem bestehe bei den strafrechtlichen Vorschriften erheblicher Nachholbedarf.

20.01.2020

Als einen „Schritt in die richtige Richtung, doch in der Ausgestaltung enttäuschend“ bezeichnet die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds e.V (djb), Prof. Dr. Maria Wersig, den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“. Zwar sei es zu begrüßen, dass der Gesetzgeber der Verrohung der Kommunikation im Netz wirkungsvolle Maßnahmen entgegensetzen will. Zu Recht wird die Möglichkeit, die eigene Meinung frei, unbeeinflusst und offen zu sagen, als wesentlicher Grundpfeiler der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft verstanden, die der Staat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen hat, so der djb. Leider wird der Gesetzentwurf nach Einschätzung der Stellungnahme des djb diesem Anspruch jedoch nicht gerecht.

Frauenfeindlichkeit ist Motivationslage für Hass

„Es gibt grundlegende Mängel des Entwurfs“, so Wersig. „Er blendet die Geschlechterdimension aus und greift in seinem Regelungsgehalt zu kurz! Dabei besteht eine Verpflichtung, bei allen Gesetzesvorhaben die Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf Frauen und Männer in den Blick zu nehmen.“

Neben Rassismus und Antisemitismus ist auch Frauenfeindlichkeit eine wesentliche Motivationslage für Hass und Rechtsextremismus im Netz. Ähnlich wie bei anderen Terrorakten hat der Täter in Halle/Saale, dessen Tat digital vorbereitet, begleitet und inszeniert war, das Feindbild „Feminismus“ explizit benannt. „Frauen werden nicht die gleichen Rechte wie Männern zugebilligt, sie werden auf eine angeblich ‚natürliche‘ Geschlechterordnung verwiesen und, äußern sie sich öffentlich, politisch oder gar geschlechterpolitisch, mundtot gemacht“, so Wersig.

Frauen werden im Netz, anders als Männer, typischerweise sexistisch angegriffen, pornografisch angepöbelt und riskieren – neben den sonst üblichen Drohungen – explizite und detaillierte Vergewaltigungsankündigungen. Damit werden sie vom öffentlichen Diskurs ausgeschlossen. „Diese geschlechterpolitische Dimension muss unbedingt in dem Gesetzentwurf Berücksichtigung finden, damit die vorgesehenen Maßnahmen auch zielgenau sind!“, fordert Wersig.

Änderungen auch beim NetzDG notwendig

Es sei zudem angesichts der Dringlichkeit des Problems nicht nachvollziehbar, dass sich der Entwurf auf die Umsetzung des vom Kabinett am 30. Oktober beschlossenen Maßnahmepakets beschränkt. Dies lasse dringend notwendige Reformen etwa beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), die der djb bereits in seinem Policy Paper zum Thema Hate Speech gefordert hat, außen vor. Zudem seien auch die im Entwurf enthaltenen Änderungen des NetzDG mangelbehaftet: Beispielsweise macht es wenig Sinn, das Meldeverfahren auf das geltende Beschwerdeverfahren nach dem NetzDG zu stützen, ohne dass dessen Mängel zumindest zeitgleich beseitigt werden.

Auch bei den strafrechtlichen Vorschriften besteht erheblicher Nachholbedarf: Gegen Frauen gerichtetes Cyber-Harassment beschränkt sich typischerweise nicht auf die Bedrohung bzw. die Ankündigung von Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit. Vielmehr fokussieren sich entsprechende Ankündigungen in der Regel auf die Ausübung sexualisierter Gewalt. Dies muss sich auch im Katalog des § 126 Abs. 1 StGB widerspiegeln. Ebenso müssen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in § 241 StGB aufgenommen werden. „Ansonsten bleiben Frauen außen vor und profitieren nicht von der angestrebten Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes im digitalen Raum", kommentiert Wersig.

Sexistische Motive müssen berücksichtigt werden

Der djb unterstützt die im Entwurf vorgesehene explizite Aufnahme antisemitischer Motive in die Vorschrift des § 46 StGB. In die Aufzählung, die dann neben rassistischen und „fremdenfeindlichen“ Motiven auch antisemitische Motive umfasst, müssen allerdings auch sexistische Motive aufgenommen werden. Nur so wird ein umfassendes Bild von Vorurteilskriminalität abgebildet. Die geschlechtsspezifische Dimension hier zu ignorieren, wäre eine verheerende Botschaft an die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Aufnahme sexistischer Motive könnte zudem zu einer Sensibilisierung der Rechtsanwender/-innen hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Dimension von Straftaten beitragen.

Eine ausführliche Stellungnahme sowie ein Policy Paper zum Thema finden sich auf der Webseite des djb.

Quelle: Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 17.01.2020

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