Gerichtsverfahren kindgerecht ausgestalten
10 Jahre Individualbeschwerdeverfahren der UN-Kinderrechtskonvention
Deutschland hat einen deutlichen Nachholbedarf beim wirksamen Zugang zum Recht für Kinder und Jugendliche. Darauf weisen das Deutsche Kinderhilfswerk und das Deutsche Institut für Menschenrechte anlässlich des 10. Jahrestags des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention, das ein Individualbeschwerdeverfahren regelt, hin.
16.04.2024
„Jedes Jahr kommen tausende Kinder und Jugendliche in Deutschland mit dem Justizsystem in Berührung. Obwohl es dabei um existenzielle Fragen für ihr weiteres Leben geht, zeigen unsere gemeinsamen Studien, dass sie auf zahlreiche Barrieren beim Zugang zu ihren Rechten stoßen und Verfahren häufig nicht den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention entsprechen. Laut Umfragen wünschen sich Kinder besser gehört, informiert und mit Respekt behandelt zu werden. Das muss die Politik ernst nehmen und eine flächendeckende Umsetzung angehen, um allen Kindern und Jugendlichen in Deutschland den vollen Zugang zum Recht zu garantieren“,
betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Mit der Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention, das ein Individualbeschwerdeverfahren regelt, hat sich Deutschland verpflichtet, Kindern zu ermöglichen, Beschwerden wegen einer Verletzung ihrer Rechte beim UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes einzulegen. Allerdings muss zuvor der innerstaatliche Rechtsweg grundsätzlich ausgeschöpft sein. Es trat am 14. April 2014 in Kraft.
„Deutschland hat mit seiner frühen Ratifikation des Zusatzprotokolls zu dessen schnellem Inkrafttreten vor zehn Jahren beigetragen und damit deutlich gemacht, den Zugang für Kinder zu Beschwerdeverfahren stärken zu wollen. Gleichzeitig aber hat Deutschland versäumt, die weiteren Vorgaben aus dem Protokoll umzusetzen und die im Individualbeschwerdeverfahren verankerte Chance, die Kinderrechte im deutschen Justizsystem grundsätzlich zu stärken, zu nutzen. Es ist an der Zeit den innerstaatlichen Rechtsweg kindgerecht auszugestalten – und das unter der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“,
erklärt Claudia Kittel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Hintergrund
Bei einer Individualbeschwerde im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention holt der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes zunächst vom betroffenen Staat eine Stellungnahme ein. Kommt er nach Prüfung aller Informationen zu der Ansicht, dass eine Menschenrechtsverletzung vorliegt, so teilt er dies beiden Parteien mit und fordert den Staat zur Wiedergutmachung des Schadens auf. Obwohl diese Entscheidungen – anders als beispielsweise Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs – rechtlich nicht bindend sind, entfalten sie dank ihrer Veröffentlichung und der Autorität des Ausschusses große Wirkung. So haben die Entscheidungen in Individualbeschwerdeverfahren in zahlreichen Staaten bereits Reformen zur wirksameren Umsetzung der Kinderrechte bewirkt. Das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention, dass das Individualbeschwerdeverfahren regelt, trat nach der Ratifikation durch zehn Staaten am 14. April 2014 in Kraft. Deutschland hatte das Protokoll bereits am 28. Februar 2012 in Genf unterschrieben und anschließend ratifiziert. Seit Inkrafttreten hat der UN-Ausschuss 148 Entscheidungen getroffen. Die damit verbundene noch höhere Arbeitsbelastung des Ausschusses, die dazu beigetragen könnte, die Wirksamkeit seiner gesamten Tätigkeit zu belasten, verdeutlicht ebenfalls die Bedeutung nationaler Rechtsbehelfe, um den Zugang zum Recht für Kinder und Jugendliche effektiv zu sichern.
Weitere Informationen
Text der UN-Kinderrechtskonvention und ihrer drei Zusatzprotokolle in der deutschen amtlichen Übersetzung
Rechtsgutachten, das 2013 im Auftrag der Kindernothilfe e.V. in Kooperation mit der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V. von Dr. Mehrdad Payandeh erstellt wurde.
Informationen zum Individualbeschwerdeverfahren und den bearbeiteten Fällen durch den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes auf den Internetseiten von CRIN
Termine zum Thema
-
06.05.2024
Symposion 2024: Gesellschaft neu denken - Kinderrechte für alle!
-
15.05.2024
17. Kinder- und Jugendschutzkonferenz des Landes M-V! „Alle Kinder und Jugendlichen im Blick?!“
-
10.06.2024
Klimaschutz ist Kinderschutz. Herausforderungen und Verantwortung der Kinder- und Jugendhilfe in der Klimakrise
-
24.07.2024
Kinderstädte - Beteiligung erlebe, ausprobieren, verstehen
-
25.11.2024
Arbeiten mit Kindern psychisch erkrankter Eltern – Die Angst verrückt zu werden
Materialien zum Thema
-
Broschüre
Kinder- und Jugendhilfe in der Krise Zur Frage der Rechtmäßigkeit pauschaler Standardabsenkung bei (vorläufiger) Inobhutnahme und Hilfegewährung für geflüchtete unbegleitete Minderjährige
-
Broschüre
Mitsprechen, mitbestimmen, mitgestalten – Praxiswissen zu Beteiligung in der Heimerziehung (SOS kompakt, Ausgabe 8)
-
Anleitung / Arbeitshilfe
Seminarkonzept – Kinderrechtebasierte Demokratiebildung Konzept, Unterrichtsimpulse und Materialien zur Verankerung kinderrechtebasierter Demokratiebildung in der fachschulischen Ausbildung pädagogischer Fachkräfte
-
Expertise / Gutachten
Rechtsgutachten des DIJuF: "Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe"
-
Zeitschrift / Periodikum
Peer-to-Peer im Jugendschutz - KJug 4-2023
Projekte zum Thema
-
Kinderschutz und Kinderrechte in der digitalen Welt
-
Deutsche Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel
DAS GROSSE KINDERRECHTE-SPIEL
-
Grundschulverband e.V.
Eine Welt in der Schule
-
Children for a better World e.V.
CHILDREN Kinderbeirat
-
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V.
„Jugendhilfe macht’s möglich?! Rechte junger Geflüchteter und ihrer Familien stärken“
Institutionen zum Thema
-
Oberste Landesjugendbehörde
Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstsein
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
faX Fachberatungsstelle bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend für Stadt und Landkreis Kassel
-
Oberste Landesjugendbehörde
Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung
-
Sonstige
ZAnK – Zentrale Anlaufstelle für grenzüberschreitende Kindschaftskonflikte und Mediation
-
Sonstige
Koordinationsstelle Kinderarmut des LVR-Landesjugendamts (Landschaftsverband Rheinland)