Qualifizierung

Zugänge ins Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe

Das Berufsfeld der Kinder- und Jugendhilfe ist vielfältig, der Fachkräftemangel verspricht gute Jobaussichten. Unterschiedlichste Bildungswege führen zum Ziel - der Beitrag von Christine Bertschi in unserer Artikelreihe zum Thema „Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe“ liefert eine Übersicht über die Möglichkeiten und Voraussetzungen.

19.12.2023

Die Kinder- und Jugendhilfe umfasst ein breites Feld an Berufen, und genauso vielfältig sind die Zugänge in diese Arbeitsfelder. Neben Ausbildung und Studium kommen auch Quereinstieg oder ein niedrigschwelliger Einstieg als Helfer*in in Frage; es ist also für jede*n etwas dabei!

Wer gilt als eine „Fachkraft“ in der Kinder- und Jugendhilfe, wer darf als solche arbeiten? Diese Frage wird im Sozialgesetzbuch (§ 72 SGB VIII) beantwortet, im sogenannten „Fachkräftegebot“. Darin werden die Grundsätze über die Qualifikationen von hauptberuflichen Mitarbeiter*innen in der Kinder- und Jugendhilfe geregelt. Einerseits wird dafür eine persönliche Eignung gefordert, andererseits eine der „Aufgabe entsprechenden Ausbildung“ oder „besondere Erfahrungen in der sozialen Arbeit“. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) fasst in ihrer Publikation zum Fachkräftegebot und Fachkräftegewinnung zusammen:

„Wenn im Folgenden von Fachkräften gesprochen wird, werden darunter Personen verstanden, die über notwendiges Wissen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen und persönlich geeignet sind, um in der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe pädagogisch sinnvoll handeln zu können.“

Vielfalt an Berufen

Das Statistische Bundesamt zählte Ende 2020 über 840.000 tätige Personen in Kindertageseinrichtungen. Mit 461.640 Personen bilden die ausgebildeten Erzieher*innen den größten Anteil an den in Kindertageseinrichtungen tätigen Personen, gefolgt von

  • Kinderpfleger*innen (74.813 Personen)
  • Familienpfleger*innen, Assistent*innen im Sozialwesen, soziale und medizinische Helferberufe (23.149 Personen)
  • Heilpädagog*innen (Fachschule), Heilerzieher*innen und Heilerziehungspfleger*innen (21.618 Personen)
  • Dipl.- Sozialpädagog*innen, Dipl.-Sozialarbeiter*innen mit Fachhochschul- oder vergleichbarem Abschluss (19.098 Personen).

Neben weiteren sozialpädagogischen Abschlüssen kommen Gesundheits- und Büroberufe, aber auch sonstige Berufsausbildungsabschlüsse für eine Arbeit in Kindertageseinrichtungen in Frage.

In den Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe, die außerhalb der Kindertageseinrichtungen liegen, zählte das Statistische Bundesamt zu Ende 2020 über 250.000 Personen.

Die häufigsten Berufe sind hierbei:

  • Diplom-Sozialpädagogen*innen, Diplom-Sozialarbeiter*innen (Fachhochschule oder vergleichbarer Abschluss): 85.863 Persone
  • Erzieher*innen (außerhalb von Tageseinrichtungen für Kinder tätig): 57.508 Personen
  • Verwaltungsberufe: 26.917 Personen
  • Diplom-Pädagog*innen, Diplom-Sozialpädagog*innen, Diplom-Erziehungswissenschaftler*innen (Universität oder vergleichbarer Abschluss): 19.590 Personen
  • Psycholog*innen mit Hochschulabschluss: 5.580 Personen

Wachsender Sektor mit Fachkräftemangel

Die Kinder- und Jugendhilfe ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stetig gewachsen. Das Deutsche Institut für Urbanistik schrieb dazu im März 2023:

„Zwar hat sich die Zahl der Fachkräfte im sozialen Bereich seit 2006 verdoppelt, dennoch deckt das Angebot nicht den Bedarf. Zu den Ursachen gehört steigender Personalbedarf, beispielsweise durch Anforderungen schulischer Ganztagsbetreuung und Qualitätsverbesserungen in der Kinderbetreuung.“

In Verbindung mit dem drohenden Fachkräftemangel wurden auch die Möglichkeiten für einen Einstieg in das Berufsfeld diversifiziert – es entstanden viele neue Wege, was es aktuell schwer macht, sich einen Überblick zu verschaffen. Das Deutsche Jugendinstitut e.V. (DJI) schreibt dazu, dass die benötigte Personalexpansion insbesondere durch den Ausbau der Ausbildungskapazitäten in sozialpädagogischen Ausbildungen (v.a. Erzieher*in) bewerkstelligt werden konnte. Neugegründete Studiengänge im Bereich der Kindheitspädagogik hingegen haben laut dem DJI zahlenmäßig wenig zur Deckung des Fachkräftebedarfs beigetragen. Darüber hinaus zeige sich eine Transformation des Ausbildungssystem, so das DJI:

„Als Folge und Begleiterscheinung zahlreicher Programme und Kampagnen von Bund und Ländern mit dem Ziel, neue Zielgruppen zu erschließen, werden inzwischen unzählige, zum Teil sehr unterschiedliche Ausbildungsmodelle an Berufsfach- und Fachschulen angeboten. Diese gehen in einigen Bundesländern mit einem niedrigeren Ausbildungsniveau und einem höheren Spezialisierungsgrad einher.“

Wege in die Kindertageseinrichtungen

Wer als Fachkraft in einer Kindertageseinrichtung – also in einer Krippe, Kindergarten, KiTa, Tagespflegestelle oder als Tagesmutter/Tagesvater – arbeiten möchte, besucht klassischerweise eine Fachschule, eine Fachakademie oder ein Berufskolleg und erlangt den Abschluss als Erzieher*in. Die „Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF)“ des Deutschen Jugendinstituts schreibt in ihrem „Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2023“:

„In den letzten zwei Jahren sind 44 Fachschulen für Sozialpädagogik neu gegründet worden. Eine Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher neu begonnen haben im Schuljahr 2021/22 insgesamt 43.702 Personen. Dies entspricht einem Zuwachs von 3% im Vergleich zum Vorjahr.“

Als Ergänzung zu dieser vollzeitschulischen Ausbildung wurde 2012 die vergütete, praxisintegrierte Ausbildung (PiA) konzipiert, die mittlerweile in vier Ländern regulär und in fünf als Modellversuch angeboten wird. Sie dauert – genauso wie die Ausbildung an einer Fachschule – drei Jahre. Wie in einer dualen Ausbildung besucht man die Fachschule und hat parallel vergütete Praxiseinsätze. Das erfordert eine Anstellung in einer Kindertageseinrichtung, in der man als Auszubildende*r ca. drei Tage pro Woche arbeitet. Das Portal Ausbildung.de bietet einen umfassenden Überblick über den Beruf und die Möglichkeiten, ihn zu erlernen.

Mit Studium in die Kinder- und Jugendhilfe

Verschiedenste Studiengänge können für einen Beruf in der Kinder- und Jugendhilfe qualifizieren. Mit dem Bologna-Prozess habe sich der deutsche Bildungsföderalismus immer weiter ausdifferenziert, so die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ): 

„Eine bundesweit geltende Rahmenordnung für die Ausgestaltung der Studiengänge und Curricula, wie sie vor dem Bologna-Prozess für Diplomprüfungen in den Studiengängen Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaft gegolten hat, entfiel. Demnach, sowie vor dem Hintergrund der expandierenden Aufgabenvielfalt in einzelnen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe, wurde eine Vielzahl neuer Studiengänge mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen im Bereich der Sozialen Arbeit geschaffen. Dabei wurde die Verantwortung für die zu vermittelnden Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen innerhalb der Studiengänge im Hochschulbereich ausschließlich der Lehre zugeordnet.“ (Diskussionspapier: Fachkräftegebot und Fachkräftegewinnung vor dem Hintergrund der Aufgaben- und Angebotsvielfalt in der Kinder- und Jugendhilfe)

Die Website www.studieren.de bietet sich an, um sich über Studienmöglichkeiten und Standorte einen Überblick zu verschaffen. Wer zum Beispiel unter dem Stichwort „Soziale Arbeit“ nach dualen Studiengängen in Nordrhein-Westfalen sucht, findet 58 Studiengänge an 33 Hochschulen.

Jugendämter bieten Aufstiegschancen

Mit mehr als 55.000 Mitarbeiter*innen in rund 600 Jugendämtern in Deutschland bieten diese ein wichtiges Standbein der Kinder- und Jugendhilfe. Wer an der Arbeit in einem Jugendamt interessiert ist, findet bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendämter einen Überblick über Aufgabenfelder, Arbeitsweise und benötigte Qualifikationen.

Das Karriereportal Academics verbindet Informationen zu akademischen Berufen mit passenden Stellenausschreibungen, und verspricht – über den Fachkräftemangel hinaus – gute Jobaussichten in Jugendämtern: „In den nächsten Jahren muss etwa jede vierte Stelle durch Verrentung neu besetzt werden. Somit findet in den Jugendämtern derzeit ein Generationenwechsel statt, der Absolvent*innen gute Perspektiven bietet.“ Dadurch, dass die Jugendämter zur öffentlichen Verwaltung gehören, bilden die Aussicht auf Aufstiegschancen, Verbeamtung oder den Wechsel in Landesjugendämter weitere Pluspunkte.

Nierigschwelliger Einstieg als Helfer*in

Während die Stellen als Fachkräfte einen entsprechenden Bildungsabschluss voraussetzen, gibt es die Möglichkeit, niedrigschwellig als Helfer*in einzusteigen. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA), das beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V. angesiedelt ist, hat 2019 eine Studie zu dem Thema herausgegeben. Es wurden dabei insbesondere die Berufe unter die Lupe genommen, in denen besonders starker Fachkräftemangel herrscht. Die Studie kommt zum Schluss, dass in der Kinderbetreuung und der Heilerziehungspflege ein Einsatz und eine Qualifizierung der Helfer*innen „die Engpässe spürbar lindern, aber nicht heilen“ könnte. Das bedeutet, dass Arbeitslose ohne Berufsabschluss eine relevante Zielgruppe für Arbeitgeber*innen im Bereich der Kinderbetreuung sein können. Selbstverständlich können und dürfen die Helfer*innen nicht die Fachkräfte ersetzen – doch ein Praxiseinsatz könne einen Grundstein für eine Weiterbildung legen. Die Autor*innen der KOFA-Studie schreiben dazu: 

„Erwerbstätige Helfer kennen jedoch nicht nur ihren Tätigkeitsbereich, sondern dürften auch häufig gute Einblicke und erste Praxiserfahrung hinsichtlich der Tätigkeiten, die eine Fachkraft im entsprechenden Beruf ausübt, haben. Dies ist eine gute Voraussetzung für die Qualifizierung von Helfern zu Fachkräften.“

Quereinstieg oder Anerkennung als Fachkraft

Eine Vielzahl an „erwachsenengerechter“ Ausbildungsformen – verkürzt, dual oder berufsbegleitend – können einen Weg in die Kinder- und Jugendarbeit bieten. Zudem ist in Hinblick auf den Quereinstieg auch das eingangs erwähnte „Fachkräftegebot“ aus dem Sozialgesetzbuch relevant. Dort steht im § 72 SGB VIII, dass hauptberuflich nur Personen beschäftigt werden sollen, „die sich für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine dieser Aufgabe entsprechende Ausbildung erhalten haben (Fachkräfte) oder aufgrund besonderer Erfahrungen in der sozialen Arbeit in der Lage sind, die Aufgabe zu erfüllen.“

Das Deutsche Institut für Urbanistik folgert daraus:

„Damit eröffnen sich Handlungsspielräume für Kommunen, das Feld in Frage kommender Mitarbeiter*innen über „übliche“ Professionen wie Sozialarbeit oder Sozialpädagogik hinaus auszudehnen. Eine hohe Fachlichkeit ist wichtig. Es sollte bei der aktuellen Notlage aber vorrangig darum gehen, zu definieren, welche Kompetenzen in welchen Einrichtungen gebraucht werden, ohne Standards abzusenken und gleichzeitig ohne auf „Fachlichkeit“ aus Prinzip zu beharren.“

Die AGJ schreibt darüber hinaus in ihrem Diskussionspapier „Fachkräftegebot und Fachkräftegewinnung vor dem Hintergrund der Aufgaben- und Angebotsvielfalt in der Kinder- und Jugendhilfe“:

„Zudem können auch andere formell erworbene Qualifikationen für eine Tätigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe „erforderlich“ sein, die auf vergleichbarem Niveau erworben wurden (z. B. Logopäden*innen, Tanztherapeuten*innen, Soziologen*innen, Politologen*innen). Die Inhaberin oder der Inhaber dieser spezifischen Qualifikationen gilt dann ebenfalls als Fachkraft.“

Der Quereinstieg kann direkt als Anerkennung als Fachkraft gelingen, oder aber auch mit kurzer Weiterbildung. In Baden-Württemberg zum Beispiel: „Personen, die bereits über einen einschlägigen Abschluss verfügen, können sich innerhalb von 25 Tagen zur pädagogischen Fachkraft weiterbilden lassen. Dazu zählen unter anderem Physiotherapeutinnen, Physiotherapeuten und Personen mit erstem Staatsexamen aus Lehramtsstudiengängen.“ Eine Übersicht über Möglichkeiten zum Quereinstieg, sortiert nach Bundesländern und dem Kriterium „tätigkeitsnaher Beruf/Ausbildung“ und „tätigkeitsfremder Berufe/Ausbildung“ bietet eine Broschüre des BMFSFJ.

Autorin: Chrstine Bertschi, freie Journalistin

Artikelreihe vom Portal der Kinder- und Jugendhilfe

In unserer Artikelreihe befassen wir uns mit dem Thema „Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe“. Dabei betrachten wir die gegenwärtige Situation, die Auswirkungen des Personalmangels und fragen nach Möglichkeiten, dieser Herausforderung zu begegnen. 

Weitere Artikel der Reihe:

Redaktion: Sofia Sandmann

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