Existenzminimum

Kindergrundsicherung muss auch Geflüchtete einschließen

Die Sicherung des Existenzminimums für Kinder sei ein Thema von politischer Relevanz, auch im Zusammenhang mit einer Zunahme der Kinderarmut. Kinder als Träger eines eigenen Rechtsanspruchs anzuerkennen, ist Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention. Die hinterlegte Ratifikationsurkunde enthält allerdings einige Vorbehaltserklärungen der Bundesregierung.

16.10.2023

Im Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung, der heute im Bundeskabinett verabschiedet werden soll, werden von vorneherein Kinder ausgeschlossen, die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten. 23 zivilgesellschaftliche Organisationen fordern die Regierungskoalition auf, den Vorgaben aus der UN-Kinderrechtskonvention gerecht zu werden und alle in Deutschland lebenden Kinder in die Kindergrundsicherung aufzunehmen. 

Das sagen die Organisationen dazu: 

„Die Kinderrechtskonvention verbietet eine Diskriminierung von Kindern aufgrund von Herkunft und Aufenthaltsstatus. Alle Kinder haben dieselben Rechte – etwa auf gesundes Aufwachsen, soziale Teilhabe und die Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums. Deshalb muss die Kindergrundsicherung eine Leistung für alle Kinder in Deutschland sein. Schon jetzt haben geflüchtete Kinder schlechtere Startchancen. Wir fordern Regierung und Parlament auf sicherzustellen, dass geflüchtete Kinder in keiner Weise weiter benachteiligt werden.“

Eric Großhaus, Advocacy Manager Kinderarmut und Soziale Ungleichheit bei Save the Children Deutschland, ergänzt:

„Was Verbesserungen für alle armutsbetroffenen Kinder bringen sollte, wird so für manche sogar eine Verschlechterung bedeuten. Kinderrechtskonvention und Grundgesetz gelten aber für alle Kinder in Deutschland und müssen Grundlage jedes politischen Handelns sein. Gesundheit und soziale Teilhabe von Kindern dürfen nicht zum Spielball der Migrationspolitik werden.” 

Hintergrund

  • Die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) ist in Deutschland für alle Kinder gleichermaßen gültig. Den Vorbehalt, wonach die Verpflichtungen der KRK nicht gegenüber ausländischen Kindern gelten sollten, hat Deutschland 2010 aufgegeben. Gemäß Artikel 2 der Konvention ist damit jede Diskriminierung aufgrund der Herkunft und des Aufenthaltsstatus der Kinder ausgeschlossen. Bei allen politischen Maßnahmen ist zudem das Wohl aller Kinder gemäß Artikel 3 vorrangig zu berücksichtigen. 
  • Die bei der Kindergrundsicherung geplante Bündelung sozialpolitischer Leistungen umfasst die kinderspezifischen Regelsätze des Bürgergeldes (SGB II) und der Sozialhilfe (SGB XII), nicht jedoch die des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). 
  • Die Regelsätze des AsylbLG sind noch niedriger (2023 zwischen 278 Euro und 374 Euro im Monat für Kinder und Jugendliche, altersgestaffelt) als die ohnehin zu niedrigen Regelsätze in den anderen Grundsicherungssystemen (318 bis 420 Euro). Aus Sicht der unterzeichnenden Organisationen widerspricht dies dem Gleichbehandlungsgrundsatz, der auch und insbesondere für das menschenwürdige Existenzminium gelten sollte. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem Grundsatzurteil im Jahr 2012 klargestellt, dass die Menschenwürde nicht durch migrationspolitische Erwägungen relativiert werden darf. Gemäß dem BVerfG ist die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ein Menschenrecht, das durch Art.1 Abs. 1 Grundgesetz garantiert wird.
  • Mit der Einführung der Kindergrundsicherung entfällt zudem der Kindersofortzuschlag von 20 Euro, den bisher auch Kinder im AsylbLG erhalten haben. In der Kindergrundsicherung soll dies durch Anpassungen der Regelbedarfe ausgeglichen werden. Berichten zufolge entfällt der Kindersofortzuschlag für Kinder im AsylbLG im Regierungsentwurf des Kindergrundsicherungsgesetzes hingegen ersatzlos. 

Die folgenden Organisationen haben sich dem gemeinsamen Statement angeschlossen: 

  • Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein
  • ARBEITSKREIS ASYL TRIBSEES der evangelischen Kirchengemeinde
  • AWO Bundesverband e.V. 
  • Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. 
  • (BAfF e.V.) 
  • Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V. 
  • Der Paritätische Gesamtverband 
  • Deutsche Gesellschaft für systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF e.V.)
  • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 
  • Diakonie Deutschland 
  • Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
  • Internationaler Bund (IB) - freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.
  • JUMEN e.V.
  • Neue Richtervereinigung e.V. (NRV)
  • PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. 
  • Save the Children Deutschland e.V. 
  • SOS-Kinderdorf e.V. 
  • Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD)
  • terre des hommes Deutschland e.V.
  • Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V.
  • Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V.
  • Volksolidarität Bundesverband e.V. 
  • World Vision Deutschland e.V. 
  • Zukunftsforum Familie e.V. 

Quelle: Save the Children vom 27.09.2023 

Redaktion: Celine Richter

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