Identität

Eckpunkte für ein modernes Selbstbestimmungsgesetz

Ein gutes Selbstbestimmungsgesetz, das junge Menschen ernst nimmt und ihnen eine echte Selbstbestimmung garantiert, legt den Grundstein für eine inklusive und unterstützende Gesellschaft. Es sollte nicht nur den Schutz der individuellen Entscheidungsfreiheit gewährleisten, sondern auch einen umfassenden Rahmen schaffen, der die Entfaltung persönlicher Potenziale fördert.

12.12.2023

Die Vollversammlung der Jugendverbände und Landesjugendringe in Deutschland hat im Oktober 2023 beschlossen:

„Junge Menschen ab 14 Jahren müssen ohne die Zustimmung ihrer Eltern die Erklärung über die Änderung ihres Geschlechtseintrags und ihres Vornamens abgeben können.“ 

Minderjährige sollen laut dem bisherigen Gesetzesentwurf der Bundesregierung die erforderliche Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags nach § 2 SBGG nicht ohne die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung vornehmen können. Stimmen die Eltern nicht zu, müssen junge Menschen gegen die Entscheidung ihrer Eltern klagen und durch die Zustimmung des Familiengerichts ersetzen.Ein solches gerichtliches Verfahren gegen die eigenen Erziehungsberechtigten anzustrengen, stellt in der Praxis eine unzumutbare Hürde für die Betroffenen dar. Die nachvollziehbare Folge ist, dass der Antrag ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten von vornherein nicht gestellt wird. Diese Regelung beschneidet junge Menschen in der fraglichen Altersspanne erheblich in ihrem Selbstbestimmungsrecht.

Der erforderliche Antrag beim Familiengericht ist eine extrem hohe Hürde für junge Menschen, die das Zusammenleben in Familien unnötig und erheblich belasten kann. Sollte sich die Person trotzdem für ein gerichtliches Verfahren gegen die Erziehungsberechtigten entscheiden, führt dies regelmäßig zu einem gutachterlichen Verfahren, das vom Familiengericht angeordnet wird. Somit führt diese Regelung für junge Menschen zu einer Begutachtungspflicht durch die Hintertür. Dieses entwürdigende Verfahren will die Gesetzesreform jedoch abschaffen. Durch die Regelung werden die eigenständigen und selbstbestimmten Interessen von jungen Menschen im Verhältnis zum Erziehungsrecht der Erziehungsberechtigten unverhältnismäßig beschnitten.

Strafmündigkeit und geschlechtliche Identität – Parallelismus der Entscheidungsbefugnis

Die Altersgrenze, ab der auch ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten die Möglichkeiten des Selbstbestimmungsgesetzes in Anspruch genommen werden können, muss daher auf 14 Jahre herabgesenkt werden. Diese Lösung entspricht der Entscheidungs- und Verantwortungsfähigkeit junger Menschen. Die Regelung im aktuellen Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes bleibt auch hinter anderen liberalen Errungenschaften für ein selbstbestimmtes Aufwachsen junger Menschen zurück. So erlangen junge Menschen in Deutschland nach § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (KErzG) bereits ab 14 Jahren die volle und elternunabhängige Religionsmündigkeit. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, ab dem jungen Menschen ebenfalls die Strafmündigkeit zugesprochen wird, sollte ihnen auch eine selbstbestimmte Entscheidung über die eigene geschlechtliche Identität zugestanden werden.

Die gewählte Altersgrenze unterstellt jungen Menschen ein fehlendes Verantwortungs- und Entscheidungsbewusstsein mit Blick auf ihre geschlechtliche Identität. Dieser Annahme widersprechen wir als Bundesjugendring. Junge Menschen sind in der Lage, Entscheidungen über ihre Identität zu treffen. Jugendverbände sehen ihre Aufgabe in der pädagogischen Begleitung solcher Prozesse. Junge Menschen, die mit ihrer geschlechtlichen Identität ringen, benötigen Unterstützung und Begleitung statt Bevormundung.

Aus diesen Gründen muss bei der Reform des Selbstbestimmungsrechts die selbstbestimmte Perspektive junger Menschen leitend sein. Bei derart wichtigen Entscheidungen brauchen junge trans*-, nicht-binäre und inter*geschlechtliche Menschen Rückhalt und Unterstützung statt gesetzlich verstärkter innerfamiliärer Konflikte.

Quelle: Deutscher Bundesjugendring vom 23. November 2023

Redaktion: Celine Richter

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