Recht
Deutschland muss Kinderrechte bekannter machen
Das Aktionsbündnis Kinderrechte und die National Coalition haben eine gemeinsame Stellungnahme für die Umsetzung der Kinderrechtskonvention herausgegeben.
04.04.2012
20 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention sind die international verbrieften Kinderrechte in Deutschland immer noch weitgehend unbekannt. Die Bekanntmachung der Kinderrechte ist eine der Verpflichtungen aus der Konvention, die in Deutschland noch immer nicht vollständig umgesetzt wurde. Dies kritisierten anlässlich des 20. Jahrestages der Ratifizierung am 5. April 2012 übereinstimmend die National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und das Aktionsbündnis Kinderrechte – Deutsches Kinderhilfswerk, Deutscher Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland, in Kooperation mit der deutschen Liga für das Kind. Die beiden größten Kinderrechtsbündnisse sehen darüber hinaus weitere Defizite beim Monitoring der Umsetzung von Vorgaben aus der Kinderrechtskonvention und bei der gesetzlichen Verankerung der Kinderrechte. So wurden die Kinderrechte immer noch nicht im Grundgesetz aufgenommen. Änderungen in Asyl-, Aufenthalts- und Sozialrecht sind notwendig, damit Flüchtlingskinder in Deutschland endlich gleiche Rechte erhalten.
Nach Meinung der Bündnisse mangelt es in Deutschland an elementarer Aufklärung über die Rechte von Kindern. Die Bundesregierung nimmt diese wichtige Aufgabe nur halbherzig wahr. Nach Umfragen kennt nur etwas mehr als ein Viertel der 9- bis 14-Jährigen die Konvention. Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren sind häufiger informiert, dass es die Kinderrechte gibt, wissen aber nicht, wo und wie sie ihre Rechte einfordern können. Keinerlei gesicherte Erkenntnisse gibt es darüber, wie viele Erwachsene in Deutschland die UN-Kinderrechts-konvention kennen und achten.
„Nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch einfordern. Wir brauchen eine breite Aufklärung und eine unabhängige Ombudsstelle auf Bundesebene, an die Kinder sich wenden können, wenn ihre Rechte verletzt werden. Deutschland muss endlich ernst machen mit der Umsetzung der Kinderrechtskonvention. Dazu gehört auch die längst überfällige Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz“, sagte Anne Lütkes, Mitglied im Vorstand von UNICEF Deutschland und Deutschem Kinderhilfswerk.
„An jeder Schule, in jeder Kita, in jedem Gericht, aber auch in jeder Kommunalbehörde müssen die Kinderrechte bekannt sein. Nur so kann der Vorrang des Kindeswohls, den die UN-Kinderrechtskonvention fordert, auch in Deutschland Wirklichkeit werden“, sagte Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.
„Recht haben, heißt nicht immer auch Recht bekommen. Werden Kinderrechte verletzt, bedarf es eines guten Hilfe- und Unterstützungssystems, das Kindern hilft, ihre Rechte auch durchzusetzen. Der Rechtsweg ist meist zu lang und für Kinder und ihre Eltern allein oft nicht zu bewältigen. Sie brauchen Unterstützung, z.B. durch Rechtshilfefonds, kommunale Kinderrechtsbeauftragte, Ombudsstellen und Verfahrensbeistandsschaften für Minderjährige auch außerhalb des Familienrechts“, erklärten die Sprecher der National Coalition Dr. Sabine Skutta und Prof. Dr. Jörg Maywald.
Die zentralen Forderungen von Aktionsbündnis Kinderrechte und National Coalition:
Kinder müssen Vorrang haben. Darum: Kinderrechte ins Grundgesetz!
Die Kinderrechtskonvention stellt in Artikel 3 klar, dass das Wohl des Kindes bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, Vorrang haben muss – im Bundestag, im Gerichtssaal, in den Städten, Kindergärten und Schulen. Doch entgegen der Empfehlung des zuständigen UN-Ausschusses in Genf sind die Kinderrechte bisher nicht im Grundgesetz verankert. Bei wichtigen Entscheidungen von Politik, Justiz und Behörden werden die Interessen der Kinder aus diesem Grund noch immer nicht berücksichtigt. Wir fordern daher, die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
Kinderrechte konsequent umsetzen und Umsetzung überprüfen!
Kinder fallen in Deutschland durch das Raster der „großen“ Politik. Ein zersplitterter Politikansatz führt dazu, dass die Rechte der Kinder in Deutschland nicht eindeutig einer Stelle zugeordnet sind. So gibt es keine Beschwerdestelle bei Kinderrechtsverletzungen und kein Monitoring der Umsetzung von Kinderrechten in Deutschland. Wir fordern daher die Einrichtung einer unabhängigen, gesetzlich verankerten Monitoringstelle.
Flüchtlingskindern gleiche Rechte gewähren!
Besonders schwierig ist die Situation für Kinder, die als Flüchtlinge in Deutschland leben. Flüchtlinge ohne gesicherten Aufenthaltsstatus haben nur eingeschränkt Zugang zu ärztlicher Behandlung. Schulbesuch und Berufsausbildung werden ihnen schwer gemacht. Schon 16-Jährige werden wie Erwachsene behandelt und zum Beispiel in Abschiebehaft genommen. Wir fordern: Bund, Länder und Kommunen müssen gewährleisten, dass alle Kinder, unabhängig von ihrem ausländerrechtlichen Status, die gleichen Chancen auf Bildung und medizinische Hilfe haben. Kinder und Jugendliche im Asylverfahren brauchen ihrem Alter gemäß besonderen Schutz und Unterstützung.
Bildung für alle ermöglichen!
Der Bildungsstand der Eltern entscheidet in Deutschland stark über die Schullaufbahn und den Bildungserfolg. Kinder armer Familien haben häufiger Schulprobleme und schlechtere Chancen auf eine gute Ausbildung. Wir fordern daher: Bund, Länder und Kommunen müssen die Benachteiligung von Kindern aus bildungsfernen Familien in der Schule und bei der Ausbildung abbauen und insbesondere die Förderangebote für Kinder aus Migrantenfamilien verbessern.
Individualbeschwerdeverfahren bekannt machen!
Die neue Möglichkeit der Individualbeschwerde ist ein zusätzliches Instrument für eine Stärkung der Kinderrechte. Das Aktionsbündnis Kinderrechte und die National Coalition begrüßen, dass die Bundesregierung eine zügige Ratifizierung Deutschlands zugesagt hat. Wir fordern eine großangelegte Ratifizierungskampagne zur Bekanntmachung des neuen Zusatzprotokolls und der in der Konvention beschriebenen Kinderrechte: Denn nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch einfordern.
Kinder beteiligen!
Bei Entscheidungen in Politik, Verwaltung und Rechtsprechung werden die Rechte der Kinder und Jugendlichen längst nicht ausreichend berücksichtigt. Es fehlt eine institutionelle Verankerung der Beteiligung. Wir fordern daher: Bund, Länder und Kommunen müssen auf unterschiedlichen Ebenen altersgemäße Möglichkeiten der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen schaffen. Dies hilft, die Interessen der Kinder zu berücksichtigen und dient darüber hinaus der demokratischen Bildung.
Quelle: Aktionsbündnis Kinderrechte und National Coalition
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