Sozialpolitik

AWO fordert konstruktive Sozialstaatsdebatte

"Statt täglich neuer Attacken auf den Sozialstaat müssen wir endlich ernsthaft diskutieren, wie wir die rapide steigende Armut und soziale Ausgrenzung bekämpfen und eine menschenwürdige Existenzgrundlage insbesondere für die Kinder von Hartz IV Familien organisieren", fordert der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler.

19.02.2010

Tatsächlich lebten 2008 schon 14 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsschwelle, belegt die jüngste Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Das drastisch gestiegene Armutsrisiko betrifft insbesondere Kinder und junge Erwachsene. Von den 19- bis 25-Jährigen lebten knapp 25 Prozent in Armut, denn der Berufseinstieg erfolgt "bei vielen über prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder schlecht bezahlte Praktika", heißt es in der DIW-Studie. 

"Angesichts der Tatsachen ist es schwer erträglich, mit welcher Vehemenz Vertreter der Bundesregierung und manche Wirtschaftswissenschaftler derzeit über jene Menschen reden, die auf Sozialleistungen angewiesen sind", betont Stadler. Auch angesichts des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum seien die Forderungen absurd, den Regelsatz des Arbeitslosengeldes II zu kürzen. "Ja, wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Aber das Problem des Lohnabstandsgebotes ist nicht, dass die Hartz IV Regelsätze zu hoch sind, sondern dass viele Löhne zu niedrig sind", bekräftigt der AWO Bundesvorsitzende.

Mittlerweile arbeiten 6,5 Millionen Menschen im Niedriglohnsektor. Weil ihr Lohn zum Leben nicht reicht, gibt es offiziell schon 1,3 Millionen "Aufstocker", die Hälfte davon arbeitet sogar Vollzeit, doch ohne Zuzahlungen der Grundsicherung kommen sie nicht über die Runden, das belegen Studien der OECD und der EU.

"Wenn so viele Löhne unter das Existenzminimum gedrückt werden, kann die Lösung des Problems nicht in noch niedrigeren Hartz IV Regelsätzen liegen, sondern nur in gesetzlichen Mindestlöhnen und der Stärkung von Tariflöhnen, damit Lohndumping verhindert und gute Arbeit menschenwürdig entlohnt wird", erklärt Stadler. 

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht klar geurteilt, dass die Mindestsicherung für Arbeitslose falsch berechnet und die Regelsätze für Kinder jahrelang willkürlich abgeleitet wurden. Auch individuelle Notlagen wurden entgegen grundgesetzlicher Vorgaben jahrelang nicht berücksichtigt.

"Statt das Existenzminimum weiter zur Disposition zu stellen, muss vielmehr endlich insbesondere der Bildungsbedarf von Kindern und Jugendlichen eingerechnet werden", unterstreicht Stadler. "Dazu brauchen Kinder und ihre Familien zweckgebundene Sachleistungen wie kostenlose Kitas, ein gutes Mittagessen in der Schule, zuzahlungsfreie Lernmittel und Gesundheitsförderung - aber sie brauchen auch mehr Geld, um an dem ganz normalen Leben ihrer Altersgenossen teilzunehmen und chancengerecht in unsere Gesellschaft hineinzuwachsen."

Um Kinder und Jugendliche aus dem stigmatisierenden und ungerechten Hartz-IV-System heraus zu holen, fordert die AWO einen mutigen Systemwechsel der Familienförderung durch die Einführung einer Kindergrundsicherung.

Mehr Informationen unter: www.kinderarmut-hat-folgen.de

Herausgeber: Arbeiterwohlfahrt - Bundesverband e.V.

 

Back to Top