Bildungspolitik

VBE Hessen kritisiert Etikettenschwindel bei Ganztagsschulen

Die Tatsache, dass in Hessen nach Aussagen der Bertelsmann-Stiftung weniger als 5 % der Schülerinnen und Schüler ein echtes Ganztagsprogramm nutzten (bundesweit über 14 %!), müsse eigentlich aufrütteln, behauptet Stefan Wesselmann, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Hessen.

04.07.2014

Aus dem Kultusministerium sei schließlich immer wieder zu hören, dass in Hessen etwa die Hälfte der Schülerinnen und Schüler eine Ganztagsschule besuchten.

Überrascht zeigt sich der Bildungsgewerkschafter anlässlich der heutigen Veröffentlichung der Bertelsmann-Stiftung jedoch nicht. „Allein der Begriff Ganztagsschule ist ein Etikettenschwindel“, kritisiert Wesselmann. Unter dem Begriff Ganztagsschule würden drei Ausprägungen geführt, unter denen nur eine diese Bezeichnung wirklich verdiene, nämlich die gebundene Form. Sowohl die Pädagogische Mittagsbetreuung, als auch die offene Ganztagsschule stellten Angebote dar, in denen der Pflichtunterricht am Vormittag stattfinde und der Nachmittag freiwilligen Angeboten vorbehalten sei. „Eine wirkliche Gestaltung des Schultages mit Lern-, Übungs- und Entspannungsphasen ist nur in der gebundenen Form möglich“, fasste Wesselmann zusammen.

Auch den inzwischen deutlich verlangsamten Trend zur Ganztagsschule kann der VBE-Vorsitzende begründen. Das milliardenschwere Investitions-programm "Zukunft Bildung und Betreuung" des Bundes sorgte vor zehn Jahren dafür, dass in Hessen die sogenannten Pädagogischen Mittags-betreuungen sinnbildlich geradezu aus dem Boden schossen. „Ursache waren jedoch nicht pädagogische Ideale, sondern pekuniäre Interessen“, stellt Wesselmann fest. „Schulträger und Kommunen hatten ein deutliches Interesse daran in dieses Investitionsprogramm aufgenommen zu werden, wurde doch die Sachausstattung dieser Betreuungsangebote bis zu 90% aus Berlin gefördert.“ Seien Betreuungsräumlichkeiten mit Cafeteria und Küche für eine Million Euro geschaffen worden, hätten sich Schulträger und Kommunen so nur zehn Prozent der Kosten teilen müssen. „Die Investitionen sind einmal getätigt, das Programm ausgelaufen, so ist das Abflauen der einst rasanten Entwicklung schnell erklärt.“

Um dann jedoch ein echtes (gebundenes) Ganztagsangebot bereitzustellen, bedürfe es auch der zusätzlichen Lehrerstellen, die – im Gegensatz zur sächlichen Ausstattung – jährlich zu Buche schlügen.

„Die Tatsache, dass es für eine Schule wesentlich einfacher ist, in das Programm der Pädagogischen Mittagsbetreuung aufgenommen zu werden, als zur offenen oder gebundenen Form der Ganztagsschule aufzusteigen, zeigt, dass es hier in erster Linie um die Schaffung von Betreuungsplätzen, nicht aber um mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit geht.“

Der VBE-Vorsitzende fordert die Landesregierung auf, den Fokus auf die Steigerung gebundener Ganztagsangebote zu richten, um die Bildungs- und Chancengerechtigkeit zu erhöhen. Der in der Koalitionserklärung vorgesehene „Pakt für den Nachmittag“ lasse vermuten, dass es der Landesregierung nur darum gehe, den Eltern nach der Schule verlässliche Betreuungszeiten für ihre Kinder zu bieten, weil diese das in der Regel schon aus der Kindergartenzeit gewohnt waren.

Der VBE Hessen stehe für Wahlfreiheit im Schul- und Bildungsbereich. Jedoch müsse es für Schüler und Eltern auch eine echte Wahl geben. „Die echten schulischen Ganztagsangebote auszubauen muss eines der Ziele des Bildungsgipfels sein, zu dem die Landesregierung gerade einlädt. Die Mittel sollten verfügbar sein, dank der Zusage in der Koalitionsvereinbarung, dass die durch den Schülerrückgang frei werdenden Lehrerstellen im Schulsystem bleiben sollen“, so Wesselmann abschließend.

Quelle: Verband Bildung und Erziehung vom 03.07.2014

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