Jugendsozialarbeit

DVJJ kritisiert geplante Verschärfung des Jugendstrafrechts

Die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen spricht sich erneut gegen die im Kolaitionsvertrag von Union und FDP vereinbarte Einführung des Warnschussarrests und die Erhöhung des Höchstmaßes der Jugendstrafe aus.

25.11.2009

Am 25. Oktober 2009 haben die Parteispitzen von CDU/CSU und FDP den gemeinsamen Koalitionsvertrag unterzeichnet. Dort ist zu lesen, die neue Bundesregierung wolle „Jugendkriminalität mit wirksamen Maßnahmen begegnen und alle Anstrengungen unternehmen, um ihren Ursachen entgegenzuwirken“. Eine Antwort auf die Frage, welche Maßnahmen dabei denn wirksam sein sollen, wird im Koalitionsvertrag gleich mit geliefert: Einerseits soll „zur Erweiterung und Verbesserung der pädagogischen Reaktionsmöglichkeiten“ der Warnschussarrest eingeführt werden, andererseits soll die Höchststrafe für Mord von zehn auf fünfzehn Jahre Jugendstrafe erhöht werden. Dass das proklamierte Ziel damit erreicht werden kann, darf mit gutem Grund bezweifelt werden.

Die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen hat sich bereits in einer Pressemitteilung vom 16. Oktober 2009 gegen die Einführung des Warnschussarrests und die Erhöhung des Höchstmaßes der Jugendstrafe ausgesprochen, als diese Punkte als Ergebnis der Beratungen der Arbeitsgruppe Recht / Innere Sicherheit präsentiert wurden:

Die Arbeitsgruppe Recht / Innere Sicherheit hat sich für die Einführung des sogenannten Warnschussarrestes und die Erhöhung des Höchstmaßes der Jugendstrafe bei Mord von zehn auf fünfzehn Jahre ausgesprochen. Die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ) lehnt beide Vorhaben konsequent ab.

Durch den Warnschussarrest - also die Kombination von Jugendarrest und Jugendstrafe zur Bewährung - soll nach Ansicht der Arbeitsgruppe „der im Jugendstrafrecht geltende Erziehungsgedanke weiter an Bedeutung gewinnen und auf die jungen Menschen erzieherisch eingewirkt werden“ (Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 16.10.2009).

Dieses Ziel der erzieherischen Einwirkung wird sich jedoch nicht verwirklichen lassen, denn die Rückfälligkeit ist nach Jugendarrest deutlich höher als nach Jugendstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird: 70% der Jugendlichen und Heranwachsenden werden nach Jugendarrest erneut mit Straftaten auffällig; bei Aussetzung einer Jugendstrafe zur Bewährung sind es hingegen 60%. Mit der Einführung des Warnschussarrestes wird man also keine Reduzierung, sondern vielmehr eine Erhöhung der Rückfälligkeit erreichen.

Dass der Jugendarrest keineswegs abschreckend wirkt, zeigt auch die Tatsache, dass die meisten der zu Jugendstrafe Verurteilten vorher bereits den Jugendarrest durchlaufen haben. Auch eine Anhebung des Höchstmaßes der Jugendstrafe von zehn auf fünfzehn Jahre lehnt die DVJJ ab. Jugendkriminalität - insbesondere Gewaltkriminalität - ereignet sich überwiegend spontan und nicht rational kalkuliert, insoweit wird eine Höchststrafe von fünfzehn Jahren Jugendstrafe keine abschreckende Wirkung haben (ebenso wenig, wie dies für eine Jugendstrafe mit einer Dauer von zehn Jahren gilt). Ziel des Jugendstrafrechts ist es, erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegen zu wirken. Vergeltung - und als etwas anderes kann eine Jugendstrafe von fünfzehn Jahren kaum bezeichnet werden - hat im Jugendstrafrecht nichts verloren. Schon das bisherige Höchstmaß der Jugendstrafe von zehn Jahren wird äußerst selten verhängt, zwischen 1987 und 1996 ist bundesweit lediglich gegen 74 Verurteilte die Höchststrafe von zehn Jahren Jugendstrafe verhängt worden. Bedarf einer Erhöhung des Höchstmaßes der Jugendstrafe ist also auch in dieser Hinsicht nicht ersichtlich.

Freiheitsentzug - sei es in Form des Warnschussarrestes, sei es in Form der Jugendstrafe - hat gravierende negative Folgen, ist kostspielig und führt im Vergleich zu anderen Maßnahmen zu mehr Rückfälligkeit. Die DVJJ fordert daher die sich konstituierende Bundesregierung auf, auf die Einführung des Warnschussarrestes und die Erhöhung des Höchstmaßes der Jugendstrafe zu verzichten und stattdessen die Ambulanten Maßnahmen des Jugendrechts zu stärken. Sie fordert darüber hinaus die Verantwortlichen in der Politik auf, die Erkenntnisse internationaler wie nationaler Forschungen zur Entwicklung der Jugendkriminalität und der Wirkung jugendstrafrechtlicher und jugendhilferechtlicher Maßnahmen zur Kenntnis zu nehmen und zur Grundlage ihrer Vorhaben zu machen - für eine rationale Jugendstrafrechtspflege.

Quelle: Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V.

 

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