Studie „Digitales Leben“

Homeoffice kann klassische Rollenbilder fördern

Frauen und Männer profitieren unterschiedlich stark von der Digitalisierung – und zwar sowohl im Privaten als auch im Beruflichen und im Zwischenmenschlichen – dies zeigt eine Studie der Initiative D21. Demnach haben Männer durchschnittlich mehr Interesse an Digitalthemen, genießen aber im Beruf auch häufiger die Vorteile der Digitalisierung. Gegenwärtige Vereinbarkeitsmodelle können strukturelle Benachteiligungen und Rollenbilder fördern.

06.11.2020

Die Initiative D21 hat die Studie „Digitales Leben“ veröffentlicht – eine Sonderauswertung des D21-Digital-Indexes 2019/2020, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und unterstützt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Private Nutzung macht für digitale Berufsperspektiven fit

Männer nutzen das Internet, technische Geräte sowie Computer- und Internetanwendungen insgesamt häufiger und intensiver als Frauen. Sie sind offener für technische Neuerungen und stärker daran interessiert, ihr Wissen auszubauen – unter den höher Gebildeten sind Frauen jedoch leicht vor den Männern. Frauen nutzen das Internet und digitale Geräte häufig anders: Sie brauchen eher einen unmittelbaren Nutzen und die Anwendungen müssen sich gut in ihren Alltag einbinden lassen. Männer haben über alle Altersgruppen hinweg höheres Interesse an Digitalisierung und schätzen ihre Kompetenzen höher ein. Bei den jüngeren Generationen sind die Unterschiede gering, bei den älteren Generationen dafür umso deutlicher. Dazu sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: „Der zukünftige Wohlstand unserer Gesellschaft hängt in erheblichem Maße davon ab, ob wir die Chancen der Digitalisierung beherzt ergreifen – dafür brauchen wir Männer wie Frauen gleichermaßen. Gerade junge Frauen haben erhebliches Interesse an digitalen Themen – wir wollen die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um ihnen dabei bestmögliche berufliche Perspektiven zu bieten.“

Berufliche Vereinbarkeitsmodelle fördern klassische Rollenbilder

In der Berufswelt profitieren Frauen und Männer unterschiedlich stark von den Vorzügen digitaler Arbeitsmöglichkeiten: Männer arbeiten häufiger von zuhause oder mobil als Frauen; Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten nutzen nur neun Prozent der Frauen aber 21 Prozent der Männer; betrachtet man nur Personen mit Bürotätigkeiten, sind es 18 Prozent der Frauen und 39 Prozent der Männer.

Diese Unterschiede verstärken sich, wenn Kinder unter 18 Jahren im Haushalt leben – und können somit zur Verfestigung von traditionellen Rollenbildern beitragen. Bei Berufstätigen mit Kindern unter 18 Jahren steigt nur der Anteil der Männer an (auf 26 Prozent), bei Frauen bleibt der Anteil der Nutzerinnen von Homeoffice nahezu gleich (10 Prozent). Die Erhebungen zeigen, dass Teilzeitkräfte bei der technischen Ausstattung und damit den Möglichkeiten auf Homeoffice und Co. benachteiligt sind – das sind deutlich häufiger Frauen als Männer, insbesondere dann, wenn Kinder im Haushalt leben. „Gegenwärtige Vereinbarkeitsmodelle verstärken bestehende Rollenbilder“, so Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21. „Frauen übernehmen noch immer deutlich häufiger unbezahlte ‚Care-Arbeit‘, kümmern sich also stärker um Kinder, Angehörige und Haushalt. Dafür arbeiten sie häufiger als Männer in Teilzeit, wodurch sie wiederum weniger mobil bzw. von zuhause arbeiten können – ein strukturelles Problem, dem wir entgegenwirken müssen. Homeoffice sollte auch diejenigen entlasten, die ohnehin die größere Last der privaten Arbeit tragen.“

Dazu kommentiert Dr. Franziska Giffey, Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend: „Gemeinsam mit meinen Fachleuten im Ministerium arbeite ich daran, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die Frauen immer noch davon abhalten, ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Dafür unterstützen wir den Ausbau der Kindertagesbetreuung und setzen uns für die Stärkung von Vereinbarkeit und Partnerschaftlichkeit bei Erwerbs- und Sorgearbeit ein. Unser Ziel ist, sicherzustellen, dass Frauen bei der Digitalisierung nicht ins Hintertreffen geraten.“

Die Studie gibt zudem Hinweise, dass die Geschlechter den Zeitgewinn durch mobiles Arbeiten unterschiedlich nutzen: Eine Erhöhung der eigenen Arbeitsqualität sehen 29 Prozent der Frauen mit und ohne Kinder. Männer ohne Kinder sehen dies zu 37 Prozent, mit Kindern im Haushalt stimmen 45 Prozent zu. „Männer nutzen gewonnene Zeit durch weniger Arbeitswege häufig für mehr Arbeit, Frauen hingegen investieren die Zeit öfter in Haushalt oder Familie“, so Hannes Schwaderer.

Veranstaltungsreihe bietet Forum für politischen Diskurs

Anlässlich der Studienveröffentlichung startete die Initiative D21 eine dreiteilige Gesprächsreihe zu Rollenbildern und Geschlechterunterschieden im digitalen Leben. Die Veranstaltungen thematisieren dabei unterschiedliche Schwerpunkte der Studie: Beruf, Privates und Zwischenmenschliches. Ziel der Gesprächsreihe ist es, einen öffentlichen und politischen Diskurs zu befördern, um für mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern zu sorgen.

Zum Auftakt am 30. Oktober diskutierte u.a. Thomas Jarzombek (MdB) über die strukturellen Voraussetzungen im digitalen Arbeitsleben. „Frauen sehen im Umfeld der Digitalisierung leider seltener Perspektiven für ihre berufliche Entwicklung als Männer – dabei hätten sie allen Grund dazu. Als Bundesministerium für Wirtschaft und Energie möchten wir die großen Chancen aufzeigen und auch zu besseren Rahmenbedingungen für Frauen zum Gründen beitragen.“, so Thomas Jarzombek im Vorfeld der Auftaktveranstaltung. Die Diskussion steht als Aufzeichnung online zur Verfügung.

Über die Studie „Digitales Leben“

Die Studie „Digitales Leben“ untersucht zahlreiche Aspekte der Digitalisierung im Privaten, Beruflichen und Zwischenmenschlichen, vom privaten Interesse bis hin zur Nutzung von Social Media. Die Studie basiert auf den Erhebungen des D21-Digital-Index 2019/2020. Hier wurden in einer Strukturbefragung 20.322 Interviews (August 2018 – Juli 2019) und in einer Vertiefungsbefragung 2.019 Interviews durchgeführt (Juni/Juli 2019).

Quelle: Initiative D21 e.V. vom 30.10.2020

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