Wissenchaftliche Veröffentlichung

kontakt.los! Bildung und Beratung für Familien während der Corona-Pandemie in Bayern

Der ifb/Familienreport zeigt, welche Unterstützungsbedarfe Eltern und Schwangere während der Pandemie hatten, wie Familienbildung und Beratung in dieser herausfordernden Zeit begleiten, beraten und unterstützen konnten und welche Hindernisse den Kontakt von Fachkräften mit Eltern und Schwangeren erschwert haben.

04.04.2024

Die Corona-Pandemie mit den Maßnahmen zu ihrer Eindämmung war für Familien eine besondere Herausforderung – im Alltag, bei der Erziehung und Betreuung der Kinder sowie bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit welchen Fragen und Bedarfen wandten sich Eltern und Schwangere in dieser Zeit an die Einrichtungen der Familienbildung und Beratung? Und wie konnten die Fachkräfte der Einrichtungen Eltern und Schwangere trotz weitreichender Kontaktbeschränkungen begleiten und unterstützen? Diesen Fragen widmet sich das Forschungsprojekt kontakt.los! Bildung und Beratung von Familien während der Corona-Pandemie und aktuell der neue ifb/Familienreport, der von Dr. Susanne Elsas, Annika Rinklake und Doris Lüken-Klaßen im Auftrag des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales erstellt und im März 2024 veröffentlicht wurde.

Über das Forschungsprojekt

Die Corona-Pandemie mit den Maßnahmen zu ihrer Eindämmung ist für Familien eine besondere Herausforderung – im Alltag, bei der Erziehung und Betreuung von Kindern sowie bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie stellt auch Einrichtungen, die Eltern unterstützend und beratend zur Seite stehen, vor große Aufgaben. Das Projekt "kontakt.los! Bildung und Beratung für Familien während der Corona-Pandemie" untersucht, wie Fachkräfte trotz aller Einschränkungen mit Eltern in Kontakt bleiben und sie mit bedarfsgerechten Angeboten stärken können, und welche digitalen Formate und innovativen Ansätze angeboten – und von Familien angenommen werden. Darüber hinaus förderte das ifb den Wissenstransfer in die Praxis: In rund 30 Veranstaltungen wurden Fachkräfte zu digitaler Familienbildung und Beratung weitergebildet.

Gesellschaftliche Relevanz

Die Corona-Pandemie hat das Leben aller grundlegend verändert. Kontaktbeschränkungen, Sorgen um die Gesundheit, finanzielle Belastungen bis hin zu Existenzsorgen sowie die Schließung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen stellen insbesondere Familien vor große organisatorische sowie auch erzieherische Herausforderungen. Derartige Belastungen können zu einem Anstieg von Partnerschafts- und Familienkonflikten und häuslicher Gewalt führen. Alle diese Aspekte verändern die Unterstützungs- und Orientierungsbedarfe von Eltern und Kindern.

Professionelle Bildungs-, Beratungs-, Vernetzungsangebote im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe sollen diese Bedarfe decken, indem sie werdende Eltern, Mütter, Väter und andere Erziehende dabei unterstützen, aufkeimende Konflikte zu lösen, ihre Erziehungsaufgaben gut wahrzunehmen und ihren Alltag als Familie meistern zu können.

Ausgelöst durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie sind diese Angebote jedoch nicht auf dieselbe Weise zugänglich und verfügbar wie vor der Pandemie. Die Fachkräfte stehen vor großen organisatorischen und finanziellen Herausforderungen, die eine schnelle Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen erschweren.

Es ist also eine Situation entstanden, die auf der einen Seite durch einen veränderten, teils dringlicheren Bedarf der Familien, auf der anderen Seite durch ein eingeschränktes Angebot und größere Zugangshürden zur Beratung gekennzeichnet ist. Mithin ist zu erwarten, dass angemessene Unterstützung nicht in ausreichendem Umfang angeboten werden kann.

Methodik und Zielsetzung

Das Projekt analysiert zum einen, wie sich die Corona-Pandemie auf Familien auswirkt und wie sich die Fragen und Unterstützungsbedarfe der (werdenden) Eltern während der Corona-Pandemie wandeln. Zum anderen wird eruiert, wie sich die Infektionsschutzmaßnahmen auf Beratungs- und Bildungsangebote für Schwangere und Eltern auswirken, wie die Einrichtungen ihre Angebote modifizieren und inwieweit die Einrichtungen weiterhin ihrer wichtigen Funktion, nämlich Hilfe und Unterstützung, aber auch Bildungs- und Kommunikationsplattform für Familien zu sein, nachkommen können.

Darüber hinaus wird ermittelt, welche Bedingungen einer zufriedenstellenden Anpassung von Einrichtungen und Beratungsstellen an veränderte Rahmenbedingungen zuträglich sind und welche eher hinderlich. Es soll ebenso herausgestellt werden, welche Bedarfe der werdenden Eltern, Mütter und Väter mit dem angepassten Angebotsspektrum gedeckt werden können und welche derzeit eine größere Herausforderung für die Einrichtungen sind. Dies wird insbesondereeine Einschätzung der Potenziale und Grenzen der Digitalisierung ermöglichen und so auch aufzeigen, welche etablierten und welche innovativen Angebote sich bewähren.

Hierfür wurden im Juni 2020 sowie im Juni 2021 erste Online-Befragungen durchgeführt. Alle in Bayern anerkannten Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe aus den Bereichen Familienbildung (Familienstützpunkte, Familienbildungsstätten, Mütter- und Familienzentren), Frühe Hilfen (Koordinierende Kinderschutzstellen) und Beratung (Ehe- und Familienberatungsstellen, Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen und Erziehungsberatungsstellen) wurden befragt, welche Erfahrungen gemacht wurden, welche (digitalen) Angebote umgesetzt wurden und vor welchen Herausforderungen die Einrichtungen aufgrund der Pandemie in ihrer Arbeit mit Schwangeren und Familien stehen.

Ausgewählte Ergebnisse

Die Corona-Situation hat den Familienalltag stark verändert. Die Befragungen aus den Jahren 2020 und 2021 zeigen auf, dass sich in der Folge auch die Themen, mit denen sich Eltern und Schwangere an Fachkräfte wenden, gewandelt haben – und auf stärkere familiale Belastungen hinweisen. Insbesondere zu Beginn der Pandemie 2020 nahmen in allen Einrichtungstypen Anliegen rund um die psychische Gesundheit zu. Und unabhängig von der Art der Einrichtung betraf das häufigste Anliegen der Eltern den Themenkomplex „Krisen, Problemlagen und belastende Lebensereignisse“. Besonders deutlich wurde diese Veränderung in den thematisch breiter aufgestellten, primärpräventiv tätigen Einrichtungen der Familienbildung.

Die Einrichtungen standen vor großen Herausforderungen, da aufgrund der Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln viele ihrer etablierten Angebote nicht mehr möglich waren. Um dennoch mit den Familien in Kontakt zu bleiben, haben die Einrichtungen seit Beginn der Pandemie innovative Wege erprobt – sowohl digitale als auch analoge: Webinare, Beratungen per Video, Brief- und Paketbotschaften oder Beratungs-Spaziergänge („Walk and Talk“). Die Daten zeigen auf, dass sich neue, insbesondere digitale Lösungen verbreiten – zugleich demonstrieren die Ergebnisse, dass trotz Flexibilität und Kreativität der Einrichtungen sehr viel weniger Menschen familienunterstützende Angebote nutzen konnten als vor der Pandemie.

Praxis-Transfer und Förderung der digitalen Familienbildung

Mittels interaktiver Vorträge im virtuellen Raum werden die Forschungsergebnisse in die Fachpraxis, die Verbände und die Politik getragen und hierbei auch Raum für Diskussion und kollegialen Erfahrungsaustausch geboten.

Das ifb konzipierte zudem eine Veranstaltungsreihe, um die Fachpraxis dabei zu unterstützen, trotz (und wegen) der Pandemie weiterhin in Kontakt mit Familien zu bleiben und vielfältige Angebote der präventiven Kinder- und Jugendhilfe sicherstellen zu können. Den Auftakt der Veranstaltungsreihe zum Thema „Digitale Familienbildung und Beratung“ machte im November 2020 unser "Virtueller Forschungsdialog" mit rund 150 Teilnehmenden, im Rahmen dessen Studienergebnisse vorgestellt und Erfahrungen aus der Praxis diskutiert wurden. Bis März 2021 wurden 31 digitale Veranstaltungen durchgeführt: Workshops, Vorträge, Podiumsdiskussionen und (World) Cafés. Rund 1.100 Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe konnten sich somit zu den Themen Online-Beratung, digitale Bildung, Social Media und Online-Fundraising weiterbilden.

Weitere Informationen und Publikationen stehen auf der Website des ifb zur Verfügung.

Redaktion: Sofia Sandmann

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