Freiwilliges Engagement

Solidarität im Anmarsch: Wie die engagierte Jugend Europas Werte retten soll

Eine Mitteilung der Kommission erläutert Sinn und Umsetzung des Europäischen Solidaritätskorps. Mehr als 10.000 junge Menschen aus ganz Europa haben sich bereits registriert.

09.01.2017

"Die Europäische Union ist auf Solidarität gebaut." Ein beschwörendes Pathos durchzieht das Papier der Kommission, mit dem Sinn und Umsetzung eines Europäischen Solidaritätskorps erläutert wird. Je mehr das "Europäische Projekt" durch Mitgliedstaaten entdemokratisiert und entsolidarisiert wird, umso drängender wird wohl der Wunsch nach einer schnellen und "schlagkräftigen" Gegenwehr.

Nicht zufällig, das wird bei der Lektüre klar, ist die Anlehnung an militärische Terminologie. Sie evoziert die Vorstellung, dass eine Art jugendlicher Großverband die Werte der Europäischen Union selbst erfahren und verbreiten wird: "Mehr Solidarität wird Europa zusammenhalten. Sie bietet die Einheit, die notwendig ist, um mithilfe eines soliden moralischen Fundaments heutige wie künftige Krisen zu bewältigen. Sie ist die Kompassnadel, die der europäischen Jugend bei ihrem Streben nach einer besseren Union den Weg zeigt. Denn in den Gedanken und den Herzen der Jugend liegen die Stärke und der Verstand, um das europäische Projekt weiter voranzubringen. Und es ist die moralische Pflicht der derzeitigen Führung, dafür den Weg zu ebnen."

"Die Solidarität ist der Kitt, der unsere Union zusammenhält", hat Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union gesagt. Es sind denn auch keine leisen Töne, mit denen das Korps in der Mitteilung der Kommission vom 7. Dezember 2016 begründet wird: "Das Europäische Solidaritätskorps wird die Grundfesten für Solidaritätsarbeit in ganz Europa stärken."

Freiwillig und beschäftigt

Zwei Säulen soll das neue Korps haben, freiwillige Dienste und so genannte "Beschäftigungsprojekte". Sowohl Freiwilligendienst als auch Praktika-, Ausbildungs- und Arbeitsanstellungen sollen zwischen zwei und zwölf Monaten dauern und sind für junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren gedacht.

Im Rahmen von Beschäftigungsprojekten sollen junge Menschen einen Arbeits-, Praktikums- oder Ausbildungsplatz in Organisationen erhalten, die für ihre Solidaritätsprojekte im In- und Ausland Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen benötigen. Die Projekte sollen Schritt für Schritt in Partnerschaft mit öffentlichen Stellen und Diensten, insbesondere öffentliche Arbeitsverwaltungen, etablierten nichtstaatlichen Organisationen und anderen Organisationen eingerichtet werden und z. B. auf Partnerschaften aufbauen, die bereits für die Freiwilligenprojekte bestehen. Wer sich in einem Beschäftigungsprojekt engagiert, erhält einen Arbeitsvertrag und einen Lohn im Einklang mit den örtlichen gesetzlichen und tariflichen Rahmenbedingungen. Für Ausbildungen und Praktika ist eine EU-Unterstützung für eine Unterhaltsbeihilfe vorgesehen. Benachteiligte junge Menschen, die zusätzliche Hürden beim Eintritt in den Arbeitsmarkt bewältigen müssen, können noch weiter unterstützt werden.

Der freiwillige Einsatz lehnt sich deutlich an den vorhandenen Europäischen Freiwilligendienst an und soll auch "zunächst hauptsächlich auf dem gut verankerten und wirksamen Netz der Nationalen Agenturen von Erasmus+ fußen".

Gespeist aus verschiedenen Programmen

Die Crux aber ist die Finanzierung und rechtliche Anbindung des Solidaritätskorps. Es soll nämlich nicht nur im Rahmen von Erasmus+, sondern auch anderer bestehender Programme einen Platz finden. So ist z.B.im Rahmen von LIFE eine eigene Ausschreibung über 2 Mio. Euro für Freiwilligentätigkeiten geben, im Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ soll es dafür operative Finanzhilfen geben, im Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) ist ein Betrag von 1 Mio. Euro aus der „Technischen Hilfe“ eingeplant, der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (LEADER) soll 1,3 Mio. aus dem Haushalt 2016 und 0,5 Mio. aus dem Haushalt 2017 vorhalten und im Gesundheitsprogramm werden circa 60.000 Euro für nichtstaatliche Organisationen bereitgestellt, damit diese aktiv Mitglieder des Europäischen Solidaritätskorps im Gesundheitswesen einbinden.

Weitere Beschäftigungsprojekte werden zunächst durch das Programm für Beschäftigung und soziale Innovation und andere bestehende Unionsprogramme wie dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds oder „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ finanziert.

Schon bis zum Frühjahr 2017 soll es dann einen Vorschlag für eine eigene Rechtsgrundlage und Haushaltslinie geben, aus der das Europäische Solidaritätskorps dann „vollumfänglich“ (Freiwilligen- wie auch Beschäftigungsprojekte) finanziert wird.

Interessenten?

Dass es genügend Interessenten für das Europäische Solidaritätskorps geben wird, hält man für sicher und argumentiert mit Eurobarometer-Zahlen, nach denen sich "junge Europäerinnen und Europäer in ihren Gemeinschaften engagieren möchten." Sie sollen "öfter und leichter Gelegenheit haben, ihre Solidarität zum Ausdruck bringen zu können". Für belegt hält man auch, dass sich vor allem "Kategorien junger Menschen, die bislang noch nicht von einer Unterstützung profitiert haben, neue Gelegenheiten bieten". Um mehr Beschäftigungschancen soll es gehen, aber natürlich vor allem um die "Aufgabenbeschreibung des Korps und seinen Grundsätzen", denen sich die jungen Menschen ebenso verpflichten müssen wie die teilnehmenden Organisatoren und Institutionen. Solidarität zum Ausdruck bringen, das heißt zunächst einmal Essen für Bedürftige austeilen, an Aufräumaktionen in Wäldern und an Stränden teilnehmen, Hilfe in von Katastrophen heimgesuchten Regionen oder Unterstützung bei der Integration von Flüchtlingen bieten.

Große Erwartungen

Das 13 Seiten lange Papier der Kommission verspricht Vieles. "Das Europäische Solidaritätskorps wird nationale und lokale Behörden und Stellen sowie nichtstaatliche Organisationen und Unternehmen dabei unterstützen, die unterschiedlichsten Herausforderungen und Krisen zu bewältigen, ebenso wie die teilnehmenden jungen Menschen", heißt es da. Und: "Die Kombination aus einer einzigen Anlaufstelle, zwei Projektarten, einem wirksamen und effizienten Auswahl- und Vermittlungssystem, Beihilfen, Versicherungen und Bescheinigungen wird es jungen Menschen ermöglichen, in ganz Europa Solidarität zu zeigen."

Wirklich? Gewichtige Detail müssen demnächst herausgearbeitet werden, soll das Korps auf lange Sicht erfolgreich sein. Wie verhindert man einen zu komplizierten Verwaltungsapparat? Wird man die Enttäuschung junger Menschen auffangen, die sich begeistert online registrieren, aber unter Umständen nie wieder etwas vom Korps hören werden? Was bedeutet „aktives Mitwirken öffentlicher Arbeitsverwaltungen“? Warum sollen diejenigen arbeitslosen jungen Leute, die selbst Solidarität dringend benötigen, zum ehrenamtlichen Heer zur Rettung Europas werden? Und wenn „der Mehrwert des Europäischen Solidaritätskorps in der Hervorhebung von Solidaritätsaktivitäten in der gesamten Europäischen Union bestehen wird“, fragt sich, warum es bisher nicht geglückt ist, die zweifellos schon bestehenden europäischen Hilfen und Freiwilligentätigkeiten entsprechend zu highlighten.

Das mediale Gewitter anlässlich der Gründung des Solidaritätskorps ist groß und positiv, das Registrierungsportal für interessierte Jugendliche geöffnet. Auch der Werbetrailer ist schon fertig: „Are you ready?“ Eine Frage, an der auch die EU-Kommission in den nächsten Wochen nicht vorbeikommt.

Quelle: JUGEND für Europa

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