Europa
Europäer sind gespalten über den Zustand der Gesellschaft
Wer künftig in Brüssel und Straßburg den Ton angeben wird, hängt vor allem von den Europäern ab. Diese sind jedoch gespalten hinsichtlich ihrer Bewertung der Gesellschaft und der EU. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie „Die Zuversichtlichen, die Ängstlichen und die Wütenden“ von eupinions, einem Projekt der Bertelsmann Stiftung.
03.04.2019
Vor den Europawahlen sind die Europäer gespalten. Befragt nach Ihren Einschätzungen zur aktuellen Lage von Wirtschaft, Gesellschaft und der EU zerfallen sie häufig in zwei Lager: Die zuversichtlichen Optimisten (49 Prozent), die weitestgehend zufrieden sind mit dem Zustand der Gesellschaft und die verunsicherten Pessimisten (51 Prozent), die eher unzufrieden und kritisch sind. In einem stimmen die Europäer aber überein: Rund zwei Drittel aller Bürger wollen an den Europawahlen im Mai teilnehmen.
In Deutschland überwiegen laut Umfrage die Optimisten: 62 Prozent der Deutschen sorgen sich nicht um den Zustand der Gesellschaft, das ist laut Studie der Spitzenwert unter den großen EU-Ländern. Außerdem sind fast drei Viertel der Deutschen (73 Prozent) zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Situation. Das sind die Ergebnisse der EU-weiten Umfrage „eupinions“, bei der regelmäßig die Europäer zu aktuellen Themen befragt werden. Die Umfrage ist repräsentativ für die EU und fünf der größten Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland. Über 11.000 Personen wurden europaweit befragt.
„Das europäische Stimmungsbild schwankt zwischen 'Bonjour Tristesse' und 'Freude schöner Götterfunken'. Um Megatrends wie Globalisierung und Digitalisierung zu gestalten und ihnen nicht hinterherzurennen, muss Europa mit einer Stimme sprechen. Deshalb brauchen wir ein handlungsfähiges Europaparlament, das die Weichen für ein starkes Europa im 21. Jahrhundert stellt“, so Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, zu den Ergebnissen der aktuellen eupinions.
Deutschland: Optimisten in der Überzahl, Klimawandel ist primäre Aufgabe
In Deutschland ist die Stimmung eher positiv. Im Vergleich zu den anderen großen EU-Staaten, für die repräsentative Ergebnisse vorliegen (Frankreich, Italien, die Niederlande, Polen und Spanien), blicken die Deutschen wohlwollend auf den Zustand der Gesellschaft und ihre wirtschaftliche Situation. Bis auf die Anhänger der AfD ist der Klimawandel bei den Deutschen über alle Parteigrenzen hinweg die wichtigste Herausforderung für die EU (21 Prozent). Danach kommen hierzulande die Themen „Frieden sichern“ und „Terrorismus bekämpfen“, die für jeweils 17 Prozent der Deutschen zu den zentralen Herausforderungen zählen. Bei den europäischen Nachbarn ist dagegen mehrheitlich das Thema „Bürgerrechte schützen“ die wichtigste Hausaufgabe für die EU. Interessant ist: Während die Spitzenkandidaten zu den Europawahlen nicht mal einem Viertel der Europäer bekannt sind, wissen drei Viertel der Deutschen sehr wohl, wovon dabei die Rede ist.
„Doch auch in Deutschland sind wir nicht immun gegenüber undifferenzierten Polemisierungen in Richtung Brüssel“, so Europaexpertin Isabell Hoffmann. Mut mache hingegen das vergleichsweise gut ausgeprägte Wissen in Deutschland über Arbeit und Funktionsweisen der EU, so die Mitautorin.
Lagerbildung: Europäer sind gespalten über Zustand von EU und Gesellschaft
Über alle EU-Länder hinweg zeigt sich eine Spaltung in Bezug auf Fragen zur Gesellschaft und der Bewertung der EU. Dabei gilt: Personen, die gesellschaftlich und wirtschaftlich zu den Verunsicherten gehören, neigen eher dazu, die Arbeitsweise der EU zu kritisieren und meinen, dass Brüssel und Straßburg Bürgeranliegen vernachlässigen. Die Zuversichtlichen hingegen stellen der EU grundsätzlich ein etwas positiveres Zeugnis aus und sind über Europapolitik besser informiert.
Während die gesellschaftlich Verunsicherten zu fast drei Vierteln sagen, die EU sei zu kompliziert und mehrheitlich angeben, sie ignoriere die Bürgeranliegen (55 Prozent), stimmen die Zuversichtlichen diesen Meinungen nur zu 54 beziehungsweise 47 Prozent zu. Umgekehrt verhält es sich mit der Einschätzung der Demokratie: Hier sind die zuversichtlichen Europäer mehrheitlich (60 Prozent) zufrieden, während dies bei den Verunsicherten nur auf eine Minderheit (42 Prozent) zutrifft.
Unabhängig von gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Verunsicherung beabsichtigen die Europäer, dieses Jahr ihre Kandidaten für das Europaparlament zu wählen: 65 Prozent der gesellschaftlich Verunsicherten und 68 Prozent der nicht verunsicherten Personen wollen bei den Europawahlen ihr Kreuz setzen. „Die große Zustimmung wählen zu gehen, ist grundsätzlich ermutigend und zeigt, dass Europa ernst genommen wird. Aber erst am 26. Mai wird sich zeigen, welches Lager besser mobilisieren konnte und künftig den Ton in Brüssel angeben wird“, so Isabell Hoffmann.
Verunsicherte sympathisieren häufiger mit Parteien an politischen Rändern
Auffallend an den Umfrageergebnissen ist auch, dass die gesellschaftlich Verunsicherten grundsätzlich eher mit rechtspopulistischen und national-konservativen Parteien wie der Lega in Italien, dem Rassemblement National (ehemals Front National) in Frankreich oder der AfD in Deutschland sympathisieren. Wirtschaftlich Verunsicherte zeigen hingegen öfter eine Nähe zu linksalternativen Parteien wie Die Linke in Deutschland oder der Bewegung von Jean-Luc Melenchon La France insoumise in Frankreich.
Die Zuversichtlichen äußern hingegen häufiger ihre Zustimmung für Parteien der politischen Mitte. Ebenso ist bei ihnen der Klimawandel häufiger ein zentrales Thema als bei den wirtschaftlich und gesellschaftlich Verunsicherten.
Hintergrundinformationen
- Zur Studie „Die Zuversichtlichen, die Ängstlichen und die Wütenden“ bei der Bertelsmann Stiftung
- Informationen zum Projekt „eupinions“
Quelle: Bertelsmann Stiftung vom 03.04.2019
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