Kinder- und Jugendhilfe

Fachkräfteinformation im Wandel der Zeit

Soziale Arbeit 4.0, digitale Lebenswelten, e-Learning, Fachsoftware, Always on: Die Digitalisierung hat viele Facetten und digitale Medien durchdringen auf vielfältige Weise unser Leben – und somit auch das Arbeitsfeld von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe. Fachzeitschriften, Tagungen, Arbeitsgruppen befassen sich mit dem vieldiskutierten Thema und doch ist es schwer zu fassen. Was bedeutet Digitalisierung für Fachkräfte im sozialen Bereich? Und wie hat sich die Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe im Zuge immer neuer Informationsmöglichkeiten verändert? Ein Aspekt, der in den vielen Debatten um Digitalisierung bislang keine Rolle spielt, die Fachinformation, soll hier näher betrachtet werden.

04.11.2019

Mit dem verstärkten Einsatz des Computers ab der Jahrtausendwende haben sich auch die Wege der Kommunikation und der Informationsbeschaffung verändert. Organisationsinterne Computernetzwerke (Intranets), unzählige Online-Datenbanken und die heutigen technischen Standard-Applikationen wie Messenger-Dienste bringen eine komplexe Vernetzung mit sich. Zeitgleich gibt es eine stetig wachsende Daten- und Informationsflut im Internet: 1,24 Milliarden Websites gibt es auf der gesamten Welt. Und waren Tablets und Smartphones vor wenigen Jahren noch etwas Besonderes, haben sie mittlerweile den Desktop in der Anwendung überholt. Viele Nutzende gehen mittlerweile ausschließlich über mobile Endgeräte ins Internet.1

An vielen Stellen kommen wir der technologischen Entwicklung kaum hinterher, denn wurde die Antwort auf eine Frage gefunden, findet sich bereits die nächste – der technische Fortschritt ist deutlich schneller als die konzeptionellen und (medien-)pädagogischen Konzepte zum Umgang damit. Dabei haben die digitalen Entwicklungen und sich verändernde Kommunikationswege deutliche Konsequenzen in allen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe.2 Arbeitgeber müssen entscheiden, wie sie mit „der Digitalisierung“ umgehen, welche Richtlinien für ihre Organisationen erstellt werden und Fachkräfte müssen sich fragen, wie sie sich informieren und austauschen. Wie ist zum Beispiel mit Datenschutz, Privat- versus Arbeitshandy und auch der grundsätzlichen Informationsbeschaffung umzugehen?3

Es schließt sich die Frage an, wie und wo relevante Fachinformationen vorhanden sind und den Fachkräften zur Verfügung gestellt werden und welche Medien dabei zum Einsatz kommen (dürfen). Denn – ob politische Entwicklungen, neue Initiativen, aktuelle Stellungnahmen oder bevorstehende Veranstaltungen – über Aktivitäten und Trends im eigenen Handlungsfeld informieren sich Fachkräfte gerne. „Lebenslanges Lernen“ ist bereits vor Jahren zu einem wesentlichen Stichwort geworden und bedeutet auch, die Fachlichkeit der Kinder- und Jugendhilfe zu sichern.4 

Aber auch die Bereiche der Fort- und Weiterbildung sowie der Fachinformation verschieben sich weiter in die digitale Welt. Neue oder ergänzende Formen der Bildung sind möglich: Mitarbeitende können online an Webinaren teilnehmen und sich über Video-Tutorials neues Wissen aneignen. Sie können Schulungen durch E-Learning wahrnehmen oder Weiterbildungen durch MOOCs (Massive Open Online Courses) durchführen – und dies ortsunabhängig und meist zeitlich flexibel. Abseits von formalen Weiterbildungs- und Schulungsangeboten wird Fachinformation auf unterschiedlichen Ebenen verteilt:  von Neuigkeiten aus den Verbänden, Ankündigungen von Terminen, über Projektvorstellungen und dem essentiellen Transfer von Wissenschaft in die Praxis. In unserer Wissensgesellschaft sind diese Fachinformationen wesentlicher Bestandteil des beruflichen Alltags. Es handelt sich um spezialisierte, wissenschaftliche oder wirtschaftliche Informationen zu einem speziellen Themengebiet, welche durch Verbände, Organisationen, Forschungsinstitute, Fachinformationsdienste usw. bereitgestellt werden. Zur Verfügung stehen zum Beispiel Fachzeitschriften, Handbücher und Fachdatenbanken, Bibliotheken und vieles mehr. Doch das Abonnement einer Fachzeitschrift, die dann in einer Umlaufmappe den Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt wird, scheint im Kontext von Digitalisierung und den bisher beleuchteten Zugängen nicht mehr zeitgemäß. Aber warum ist das so?

„Eine Tendenz das Internet als interaktives Medium zu nutzen“

Um sich die Veränderungen der Informationsbeschaffung durch das Internet bewusst zu machen, werfen wir einen Blick zurück ins Jahr 2001. Eine Projektgruppe der Universität Bielefeld setzt sich unter dem Namen „Jugendhilfe@sci“ mit netzbasierter Sozialer Arbeit auseinander und hält fest: „Auch in der Jugendhilfe der Bundesrepublik besteht eine Tendenz das Internet als interaktives Medium zu nutzen. Schon beim groben Durchsuchen des Netzes finden sich allein unter dem Stichwort Jugendhilfe nahezu 500 konkret erreichbare Seiten und Homepages.“5

2004 stellt Google 664.000 Suchergebnisse zum Begriff „Jugendarbeit“ zur Verfügung. 345.000 Ergebnisse liefert die Suche nach „Jugendhilfe“ und unter „Kindertagesstätten“ werden 131.000 Treffer gezählt. Gesprochen wird damals von einer „Tendenz der Nutzung des Internets“ – die Treffer bei Google werden als große Zahl verstanden. Unvorstellbar sind zu diesem Zeitpunkt noch das Ausmaß und die Bedeutung, die das Internet später erreichen würde.

Heute, 15 Jahre später, finden sich 5.600.000 Suchergebnisse bei „Jugendhilfe“, 9.470.000 bei „Jugendarbeit“ und sogar 13.000.000 unter dem Stichwort „Kindertagesstätten“. Jeder Verband, jeder Träger, jedes Bundesprogramm hat seine eigene Webseite – Schriftverkehr erfolgt per E-Mail, Kommunikation über Messenger auf dem Smartphone und Informationsbeschaffung über Facebook, Twitter und Co. Viele Internetnutzende sind (teilweise ausschließlich) mit mobilen Endgeräten online – nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch in der Freizeit. An verschiedenen Stellen vermischen sich offenbar fachliche Hintergründe und die Fachinformation mit der privaten Internetnutzung – und zwar rund um die Uhr, ganz im Sinne des „always on“, das längst nicht mehr nur Jugendliche betrifft.6

Wo finden Fachkräfte relevante Informationen?

Wir können festhalten: Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe haben verschiedene Optionen, sich im dichten Informationsfluss zu orientieren. Durch Offline-Content (z.B. Fachzeitschriften) als weiterhin probates Mittel, um sich auf den aktuellen Stand zu bringen, oder durch den Besuch eines Seminars oder Fachkongresses – zum Netzwerken und fachlichen Austausch sind auch Veranstaltungen meist eine gute Wahl. Online bieten beispielsweise RSS-Feeds von Nachrichtenportalen oder Newsletter einschlägiger Organisationen Informationsgewinn. Neben Veröffentlichungen auf Verbandswebseiten haben zudem Social Media-Kanäle eine gesteigerte Bedeutung und helfen dabei, sich im eigenen Handlungsfeld sowie an Schnittstellen auf dem Laufenden zu halten. 

Sich online zu informieren entspricht ganz klar unseren heutigen Gewohnheiten der Informationsbeschaffung– ob es um die Eigendiagnose bei Krankheit geht oder die Suche nach einem Job. Weg-Routen werden im Internet recherchiert, ebenso wie Tischreservierungen aufgegeben und Einkäufe online getätigt. So liegt die Vermutung nahe, dass sich diese Routinen der Recherche und Informationsgewinnung auch auf den beruflichen Kontext ausweiten. Möchten sich Fachkräfte zu einem Thema informieren oder eine spezifische Fragestellung recherchieren, werden sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im Internet auf die Suche gehen. Dabei rufen die User (also wir alle) mittlerweile aber kaum noch konkrete Internetseiten auf, die zum Thema informieren, sondern fragen Google oder eine der anderen, kleineren Suchmaschinen. 

Doch wo Millionen von Internetseiten bei Suchmaschinen gelistet sind, gilt es eine unglaubliche Flut an Informationen zu überblicken und einzuordnen. Woher weiß der User (in unserem Fall die Fachkraft), welche Ergebnisse brauchbar sind? Welche Seiten seriös sind? Wo finden sich nützliche und gesicherte Informationen? Auch wenn beruflich und privat ständig Suchmaschinen genutzt werden und diese durch kluge Algorithmen möglichst passgenaue Suchergebnisse liefern, ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten und mitunter die Qualität zu bewerten.

Das Fachkräfteportal bündelt und strukturiert Informationen 

Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, wurde vor vielen Jahren das Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe ins Leben gerufen. Es ist im Februar 2006 online gegangen und die Plattform dient seitdem als zentraler Knotenpunkt, der den fachlichen Nutzwert des Internets an einer Stelle zusammenbringt. Die Spanne an gebotenen Informationen reicht von umfangreichen Verzeichnissen einschlägiger Institutionen und Projekte, themenrelevanter Dokumente und Materialien über eine Termindatenbank mit Fortbildungen und Fachtagungen, Informationen zu Fördermitteln, einem großen Stellenmarkt bis hin zu tagesaktuellen Nachrichten der Kinder- und Jugendhilfe zu Entwicklungen und Aktivitäten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene sowie zu angrenzenden Politik-, Forschungs- und Rechtsbereichen. Der erhöhte Informationswert liegt insbesondere in der Verknüpfung qualifizierter Informationsbestände aus allen Handlungsfeldern und angrenzenden Bereichen. Das innerhalb der Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe versammelte Expertenwissen wird auf dem Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe gebündelt und strukturiert zur Verfügung gestellt. 

Seit 13 Jahren ist das Kooperationsprojekt der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ und IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. damit erfolgreich, der grundlegende Gedanke des Projekts nach wie vor aktuell. Denn Ausgangspunkt der Idee war die Situation, dass sich das Internet quer durch alle Felder und strukturellen Ebenen als Informationsmedium etabliert hat – es gleichzeitig jedoch eher zu einem unübersichtlichen Nebeneinander als zu einem zielführend erschließbaren Informationsgeflecht wurde. Dieser Umstand hat sich in den letzten Jahren weiter verstärkt. Im Feld der Kinder- und Jugendhilfe und der Fachkräfteinformation ist die Onlineplattform für die fachliche Arbeit ein Gewinn und die Recherche zu vielfältigen Themen auf einer Seite möglich. Fachkräfte finden dort beispielsweise Informationen zur nächsten Medienkompetenz-Fortbildung in ihrer Region, zu Best-Practice-Projekten im Umgang mit Hass im Netz wie auch zu Forschungsergebnissen zu digitaler Teilhabe oder Jugendbildung im Zeitalter der digitalen Selbstdarstellung. Im „Themenspecial Digitalisierung“ stehen außerdem Fachbeiträge und Hintergrundberichte aus pädagogischer, organisations- und professionsbezogener Perspektive zur Verfügung, wie auch Statements zu bildungs- und netzpolitischen Fragestellungen. Die Herausforderungen in Bezug auf die konkrete Fachpraxis und was Digitalisierung für Fachkräfte im sozialen Bereich alles bedeuten kann, stehen dabei besonders im Fokus. 

Fachinformation und Forschung

Wünschenswert wäre, wenn auch das Gebiet der Fachinformation wissenschaftlich begleitet würde. Es gibt – soweit wir wissen – bislang niemanden, der sich mit dem Stellenwert der Fachinformation respektive dem Status der Rezeption auseinandersetzt, also über welche Wege sich die Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe über ihr Handlungsfeld und darüber hinaus informieren.

So oder so leistet das Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe einen wichtigen Beitrag. Derzeit wird erstmals seit 2013 wieder eine umfangreiche Evaluation durchgeführt, mit dem Ziel, die Services und somit auch die Fachkräfteinformation und die Fachkräftevernetzung zu verbessern und weiter zu entwickeln. Die Ergebnisse münden in eine umfassende technische Weiterentwicklung des Portals in den kommenden Jahren.

Fußnoten

1 de.vpnmentor.com/blog/internet-trends-statistiken-fakten-aus-den-usa-und-weltweit/
2 An dieser Stelle sei auf das Positionspapier der AGJ verwiesen: „Mit Medien leben und lernen – Medienbildung ist Gegenstand der Kinder- und Jugendhilfe!“ (2014)
3 Leseempfehlung in diesem Zusammenhang: BJK-Stellungnahme „Digitale Medien – Ambivalente Entwicklungen und neue Herausforderungen in der Kinder- und Jugendhilfe“ (Juni 2016)
4 „Die Fachlichkeit der Kinder- und Jugendhilfe sichern – Fort- und Weiterbildung qualifizieren“. Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (2007)
5 Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik, Projektgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Uwe Otto
6 Siehe Studie des Bundesverbands Digitale Wirtschaft e.V. „Digitale Nutzung in Deutschland 2018“, URL: www.bvdw.org/fileadmin/user_upload/BVDW_Marktforschung_Digitale_Nutzung_in_Deutschland_2018.pdf 
7 Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 028 vom 24. Januar 2019 „Häufigste Internetaktivität: Informationssuche über Waren und Dienstleistungen“, URL: www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/01/PD19_028_639.html 
 

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