Coronavirus

Austausch nach der Krise mitdenken – Internationale Jugendarbeit diskutiert Folgen der Coronapandemie

Welche Auswirkungen hat die Coronapandemie auf die Träger der Internationalen Jugendarbeit? Welche Unterstützung brauchen sie und wie soll es nach der Krise weitergehen? IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit hatte hierzu mithilfe eines Fragebogens ein Lagebild erstellt. Am 27. April wurden die Ergebnisse in einem Online-Forum vorgestellt und diskutiert. Das Interesse war riesig.

05.05.2020

Das Bild des Online-Forums am 27. April war symptomatisch für die Entwicklung im Trägerfeld der Internationalen Jugendarbeit in den letzten Wochen und Monaten. Vieles geht nur noch online, persönliche Begegnung ist auf unabsehbare Zeit nicht möglich. Kolleginnen und Kollegen berichten über einen täglichen Marathon von Video-Meetings – und dennoch war das Interesse an den Ergebnissen der Befragung groß, 178 Personen hatten sich angemeldet.

„Wir wollten herausfinden, welche Unterstützungsbedarfe es gibt, an welchen Informationen es mangelt und welche politische Forderungen gegebenenfalls erhoben werden müssen“, sagte der IJAB-Vorsitzende Rolf Witte eingangs der Veranstaltung.

Diskussion der Umfrage in einem Online-Forum, Bild: IJAB

Träger und Bedarfe sind unterschiedlich

Die überwiegende Anzahl der befragten Träger gab an, Maßnahmen abgesagt oder verschoben zu haben. Jedoch liefen Angebote im Bereich der Freiwilligendienste, im individuellen Schüleraustausch oder Au-pair teilweise weiter, weil sich die Rückholung der betroffenen jungen Menschen als schwierig erwies. Schon an dieser Stelle wurde deutlich: Das Spektrum der Träger in der Internationalen Jugendarbeit ist vielfältig und entsprechend unterschiedlich sind die Bedarfe. In der Diskussion wurde auch auf dies hingewiesen: Die Befragung fand in einem Zeitfenster statt, in dem sich die Lage täglich zuspitzte. Es bedarf eines längeren Beobachtungszeitraums und auch der Wiederholung von Befragungen, um die Situation in all ihrer Differenziertheit richtig einschätzen zu können.

Gemeinnützigkeit wird zum Verhängnis

Trotz turbulenter Zeiten: Die Unterstützung durch die Fördergeber fällt mehrheitlich positiv aus. Auch in der Diskussion wird deutlich, dass sich viele Träger in ihren Nöten verstanden fühlen und den Fördergebern ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität attestieren. Es wird jedoch auch klar, dass Träger unterschiedlich betroffen sind. Denjenigen, deren Förderung zu großen Teilen aus struktureller Unterstützung besteht, fällt es leichter Ausfälle zu verkraften, als denjenigen, die auf die Förderung von Einzelmaßnahmen angewiesen sind. Sie wünschen sich, dass Mittel auch für Personal- und Administrationskosten eingesetzt werden können oder bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau Unterstützung beantragt werden kann. „Unsere Gemeinnützigkeit wird uns gerade zum Verhängnis“, stellte ein Teilnehmer fest, „uns steht kein Rettungsschirm offen“. Entsprechend hält die Mehrheit der Befragten das Engagement der öffentlichen Hand noch nicht für ausreichend.

Sorgen bereiten auch die internationalen Partner im Austausch. Die Mehrheit der Befragten hält den Kontakt zu ihnen Aufrecht. Daher wissen sie genau: Vielen Partnern steht das Wasser aufgrund fehlender Mittel bis zum Hals. Es ist ungewiss, wie lange die Partnerstrukturen noch bestehen können. „Wir dürfen jetzt nicht nationalstaatlich denken“, forderte eine Teilnehmerin, „wir müssen internationale Partnerschaften und Netzwerke stützen“. Immerhin sei es auch im deutsch-griechischen Jugendaustausch gelungen, die Förderung im Partnerland zu ermöglichen Für die Zukunft sind flexiblere Förderbedingungen nötig.

Warnung vor neuem Nationalismus

Gefahren drohen jedoch nicht nur kurzfristig. Viele fragen sich, ob die milliardenschweren Rettungspakete nicht irgendwann zu Sparmaßnahmen führen werden. Mehrfach wurde daher während des Online-Forums eine verstärkte Lobbyarbeit für die persönliche und gesellschaftliche Bedeutung der Internationalen Jugendarbeit gefordert. Damit verbinden sich auch Erwartungen an die Aktivität von IJAB. IJAB-Direktorin Marie-Luise Dreber sieht diese Herausforderung. Angesichts der zahlreichen Versuche, die Coronakrise ausschließlich im nationalstaatlichen Rahmen zu lösen warnte sie: „Nationalismus und Rassismus werden durch Verschwörungstheorien gerade verstärkt. Die Politik muss verstehen, dass Internationale Jugendarbeit dem eine solidarische Gesellschaft über Grenzen hinweg entgegensetzt. Dafür müssen wir werben und dies noch besser sichtbar machen.“ Umgekehrt könne sich die Coronakrise aber auch als großes Lernfeld erweisen, denn es rücke unsere globalisierte Welt erneut ins öffentliche Bewusstsein und mache deutlich, dass Probleme nicht mehr allein national zu lösen sind.

Die Zeit nach der Krise bietet Chancen

Zeithorizonte sind unterschiedlich. Einige Träger denken über ihre Sommerangebote nach, andere meinen, dass von 2020 nichts mehr zu erwarten sei. Einige werfen Zukunftsfragen auf. „Wir müssen uns darauf einrichten, dass die Krise lange dauern wird, und dass danach nichts wie vorher sein wird“, meint IJAB-Vorsitzender Rolf Witte. Worauf er anspielt ist das, was er ein „System, in dem Köpfe und Kilometer gezählt werden“ nennt – also eine Mobilitätsförderung, die für bestimmte, definierte Formate Fördermittel vergibt. Der Neustart nach der Krise muss jetzt mitgedacht werden, so äußerten sich viele in der Diskussion. Betroffen sind davon nicht nur Förderstrukturen und Lobbyarbeit. Es geht auch um Formate und ein neues Verständnis der Zusammenarbeit und der förderwürdigen Standards Internationaler Jugendarbeit. Rolf Witte versuchte dies zusammenzufassen: „Nicht zum Alltag zurückkehren, sondern Themen, Arbeitsweisen, Routinen, die Beziehungen zu den internationalen Partnern überdenken und neue gesellschaftliche Resonanz erzeugen, muss eine Erkenntnis sein“. Darin liegt eine große Chance. Wie dies konkret aussehen kann, wird allerdings nicht vom Himmel fallen. Die Träger wünschen sich schon jetzt Unterstützung bei der Lobbyarbeit, mehr Information, Austausch und Vernetzung sowie vor allem Unterstützung bei den digitalen Instrumenten und den Methoden für virtuelle Begegnungen. Dies über das Online-Forum hinaus zu ermöglichen, daran wird IJAB arbeiten.

Die zentralen Ergebnisse der Umfrage zu den Auswirkungen von Corona auf die Internationale Jugendarbeit (PDF, 635 KB) stehen als Präsentation zum Download zur Verfügung.

Quelle: IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., Christian Herrmann

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