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Laut einer aktuellen Analyse von Save the Children und UNICEF könnte die Zahl der Kinder in von Armut betroffenen Haushalten weltweit in Folge der Covid-19-Pandemie bis Ende 2020 um 86 Millionen Kinder ansteigen. Davon könnten Europa und Zentralasien am stärksten betroffen sein – mit bis zu 44 Prozent.
Wenn Familien nicht schnell vor den wirtschaftlichen Risiken geschützt werden, würde dies bedeuten, dass in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bis Jahresende insgesamt 672 Millionen Kinder unter der nationalen Armutsgrenze leben, so eine Analyse von Save the Children und UNICEF. Rund zwei Drittel der betroffenen Kinder leben in Subsahara-Afrika und Südasien. Von einem Anstieg der Kinderarmut könnten Europa und Zentralasien am stärksten betroffen sein – mit bis zu 44 Prozent. In Lateinamerika und der Karibik liegt der Anstieg voraussichtlich bei 22 Prozent.
„Die Covid-19-Pandemie hat eine beispiellose wirtschaftliche und soziale Krise ausgelöst, die vielen Familien weltweit ihre Lebensgrundlage raubt", sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. „Das Ausmaß und die Intensität der finanziellen Not der Familien droht die in den vergangenen Jahren erreichten Fortschritte im Kampf gegen Kinderarmut zunichte zu machen und Kinder vom Zugang zu grundlegenden sozialen Diensten abzuschneiden. Wenn wir nicht entschlossen vorgehen, um gefährdete Familien und Kinder abzusichern, besteht die Gefahr, dass Familien, die bereits heute kaum über die Runden kommen, in Armut abrutschen. Für die ärmsten Familien könnte dies ein Ausmaß an Not bedeuten, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen ist.“
Save the Children und UNICEF warnen vor zweierlei Auswirkungen der heraufziehenden globalen Wirtschaftskrise. Auf der einen Seite ist der Handlungsspielraum der Familien selbst aufgrund des plötzlichen Einkommensverlustes stark eingeschränkt. Sie können sich kaum noch die nötigsten Nahrungsmittel und sauberes Wasser leisten, sie haben seltener Zugang zu Gesundheitsversorgung oder Bildungsmöglichkeiten und sind einem höheren Risiko von Kinderehen, Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt. Auf der anderen Seite könnten soziale Dienste, auf die Familien angewiesen sind, aufgrund fehlender Steuereinnahmen eingeschränkt werden können.
Fehlender Zugang zu sozialen Dienstleistungen oder ausgleichenden finanziellen Hilfen führt dazu, dass es für die am stärksten von Armut betroffenen Familien besonders schwierig ist, Schutzmaßnahmen einzuhalten und sich selbst vor Ansteckung zu schützen.
„Die schockierende Zunahme der Armut durch die Covid-19-Pandemie wird Kinder besonders hart treffen. Kinder, die Hunger und Mangelernährung erleiden, und sei der Zeitraum noch so kurz, können dauerhafte Schäden davontragen. Wenn wir jetzt schnell und entschlossen handeln, können wir die durch die Pandemie entstandene Gefahr für die ärmsten Länder und die am meisten benachteiligten Kinder verhindern und lindern. Diese Ergebnisse sollten ein Weckruf an die Welt sein. Kinderarmut ist vermeidbar“, sagte Inger Ashing, CEO von Save the Children International.
Bereits vor der Pandemie hatten zwei Drittel der Kinder weltweit keinen Zugang zu sozialer Sicherung. Ihre Familien haben finanziellen Notsituationen wenig entgegenzusetzen und können schnell in einen generationsübergreifenden Teufelskreis der Armut geraten. In Afrika haben nur 16 Prozent der Kinder Zugang zu sozialer Sicherung. Hunderte Millionen Kinder leiden unter multidimensionaler Armut – das heißt, sie haben keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, ausgewogener Ernährung oder einer angemessenen Unterkunft – häufig ein Ergebnis fehlender sozialer Investitionen der Regierungen.
Für Kinder, die in Ländern leben, die schon heute von Konflikt und Gewalt betroffen sind, verschärfen die vielseitigen Folgen der Covid-19-Pandemie das Risiko sozialer Instabilität und Armut. Im Nahen Osten und in Nordafrika leiden so viele Kinder unter den Folgen von Krisen und Konflikten wie in keiner anderen Region. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hier am höchsten. Fast die Hälfte der Kinder lebt in Armut.
Save the Children und UNICEF appellieren an die Regierungen, soziale Sicherungssysteme und Programme rasch und umfassend auszuweiten, um die Auswirkungen von Covid-19 auf Kinder in einkommensschwachen Haushalten abzumildern. Dazu gehören zum Beispiel Bargeldtransfers, Schulspeisungen und Kindergeld – wichtige Maßnahmen, um sowohl die akute finanzielle Not abzuschwächen sowie langfristig dafür zu sorgen, dass besonders arme Familien besser für zukünftige Krisen gewappnet sind.
Darüber hinaus sollten Regierungen in weitere Maßnahmen der sozialen Sicherung sowie eine Steuer-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik investieren, die Familien unterstützt. Dazu gehört sowohl die Ausweitung des umfassenden Zugangs zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung und anderen grundlegenden Dienste, als auch Investitionen in familienfreundliche Maßnahmen wie bezahlten Urlaub und Kinderbetreuung.
Viele Länder haben ihre Sozialprogramme bereits ausgeweitet:
Die Analyse basiert auf Projektionen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, auf vorhandenen Daten über frühere Veränderungen in der Einkommensverteilung von UNU Wider sowie demografischen Daten aus MICS und DHS-Studien. Die nach Ländern aufgeschlüsselten Daten beziehen sich auf über 100 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen.
Quelle: Save the Children Deutschland und UNICEF Deutschland vom 28.05.2020