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Lesetipp: Schwarzbuch Soziale Arbeit

Mechthild Seithe hat ein "Schwarzbuch Soziale Arbeit" verfasst. Sie kritisiert die neoliberale Durchdringung der Gesellschaft durch den Markt und ihre Folgen für die Soziale Arbeit.

22.06.2010

Cover Schwarzbuch Soziale Arbeit

Mechthild Seithe
Schwarzbuch Soziale Arbeit
VS Verlag
280 Seiten, 22,95 €
ISBN: 978-3-531-15492-3
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Schwarzbücher kennt man zu den Themen Krieg, Globalisierung, Völkermord oder Menschenhandel. Immer geht es um gesellschaftlich nicht ausreichend bekannte oder beleuchtete dunkle Flecken des Zeitgeschehens. Gibt es die auch in der Sozialen Arbeit, in der Kinder- und Jugendhilfe? Ja, meint Autorin Mechthild Seithe und hat ein "Schwarzbuch der Sozialen Arbeit" verfasst. Allerdings seien die dunklen Flecken ganz andere, als von der Öffentlichkeit wahrgenommen werde. Soziale Arbeit geriete immer dann in den Fokus, wenn ihr Versagen vorgeworfen wird, beispielsweise dann, wenn Eltern ein Kind zu Tode kommen lassen und das Jugendamt nicht eingeschritten ist. Der Skandal sei jedoch ein ganz anderer, so Autorin Seithe: Skandalös seien die Bedingungen und Ressourcen, die der Sozialen Arbeit von der Gesellschaft zugestanden würden. Der Staat, so schreibt sie, der auf den Sozialstaat in seiner bisherigen Struktur meint verzichten zu können und dem es statt um Menschenwürde und Kinderrechte nur noch um Effizienz zu gehen scheint, stellt seine Kinder frei, frei von Schutz und frei von Unterstützung.

Seithe diagnostiziert wachsende Deprofessionalisierung und Qualitätsminimierung in der Sozialen Arbeit. Zufall sei dies nicht, es müsse vielmehr vor dem Hintergrund der neoliberalen Politik der vergangenen Jahre verstanden wäre. Nicht nur dass Ausgrenzung, Ungleichheit und Armut zu einem gesellschaftlich akzeptierten Normalfall geworden seien, für die im Wesentlichen die Betroffenen selbst verantwortlich gemacht werden, die Ökonomisierung der gesamten Gesellschaft habe auch zu einer Ökonomisierung der Sozialen Arbeit geführt - mit fatalen Folgen. Die Stichworte hierfür sind die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, ein ständig drückender Kostenwettbewerb statt eines Qualitätswettbewerbs, in der Folge der Einsatz fachfremder statt professioneller Kräfte und damit einher gehend der Verlust der fachlichen Standards der Sozialen Arbeit.

Exemplarisch macht Seithe dies an einer neuen "Pädagogik der Härte" deutlich, die für Hartz IV und die Agenda 2010 symptomatisch sei. Der Staat interessiere sich nicht mehr für Menschen, ihre Fähigkeiten, Probleme und besonderen Lebenslagen. Vielmehr reduziere er seine Aufgabe darauf, Menschen durch materiellen Druck dem Markt wieder zuzuführen - egal zu welchen Bedingungen. Soziale Arbeit würde unter diesen Bedingungen zum Werkzeug einer "strafenden Pädagogik".

Seithe reichert ihre Thesen mit vielen Fallbeispielen und eigenen Erfahrungen aus der Praxis an. Sie garniert sie auch mit Witzen, die das Bild der Sozialen Arbeit in der Öffentlichkeit deutlich machen und bei denen dem Leser das Lachen bisweilen im Halse stecken bleibt. Langweilig wird es in diesem Buch nicht.

ch

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