Appell

Die Ganztagsbildung in Bayern steckt in der Krise

Der Bayerische Jugendring fordert gemeinsam mit der Freien Wohlfahrtspflege Bayern und der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit in Bayern konsequente Investitionen und eine dauerhafte Erhöhung der Fördersummen für den offenen Ganztagsbereich. Insbesondere vor dem Hintergrund der Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) braucht es dies, damit das System nicht kollabiert.

18.07.2023

Finanzierungslücken führen zum Kollaps in der Ganztagsbildung: Die in den letzten Jahren kaum angepassten Pauschalen für den offenen Ganztag (oGTS) sowie für die Mittagsbetreuung decken seit langem nicht mehr die steigenden Kosten der Träger. Gemeinsam mit der Freien Wohlfahrtspflege Bayern und der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit in Bayern fordert der Bayerische Jugendring (BJR) die Förderpauschalen um rund 30 Prozent in oGTS und um mindestens 90 Prozent bei den Mittagsbetreuungen zu erhöhen. Auch wenn im April 2023 bereits in der Mittagsbetreuung eine Anpassung um 25 Prozent für das kommende Schuljahr erfolgte, ist den Beispielrechnungen zufolge derzeit eine ausreichende Anzahl von Fachkräften sowie Verwaltungs- und Overheadkosten mit den vorgegebenen Budgets nicht finanzierbar. Nach Berechnungen des BJR fehlen in Bayern mindestens 100 Mio. EUR, um die derzeitigen und perspektivischen Bedarfe annähernd zu decken.

Verlässliche Betreuungssituationen für Familien und Kinder erhalten

Im Hinblick auf die geplante Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) appelliert der BJR an die Bayerische Staatsregierung, die erforderlichen Investitionen schnell auf den Weg zu bringen. Nur so lassen sich verlässliche Betreuungssituationen für Familien und zugleich hochwertige Angebote für Grundschulkinder erhalten und weiter ausbauen, wie im GaFöG vorgesehen. Ab dem Schuljahr 2026/2027 ist demnach die stufenweise Einführung eines Rechtsanspruchs auf ganztägige Förderung von Kindern im Grundschulalter geplant.
BJR-Präsident Philipp Seitz:

„Hochwertige Betreuungsangebote im Ganztag sind gerade für Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen oder bildungsfernen Milieus ein wichtiger Türöffner für gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit. Immer höhere Elternbeiträge in den Ganztagsangeboten stellen auch für berufstätige Eltern eine große Herausforderung dar. Kinder brauchen eine gesicherte Umgebung, in der sie über den Schulunterricht hinaus gemeinsam mit Gleichaltrigen gefördert werden. Daher fordern wir die Bayerische Staatsregierung nachdrücklich zu schnellem und konsequentem Handeln auf, um die Finanzierung für die Träger sicherzustellen – und damit nicht zuletzt ihrem Ganztagsversprechen nachzukommen.“

Finanzierungsdilemma bedroht Ganztagsstrukturen

Defizite tragen die Träger der Ganztagsangebote bisher selbst, oder die Städte oder Gemeinden schießen kommunale Mittel zu, um die Strukturen aufrecht zu erhalten. Die prekäre Finanzsituation hat zur Folge, dass örtliche Jugendringe und Jugendverbände ihr Engagement im Ganztag bereits eingeschränkt oder ganz aufgegeben haben. Zudem stehen einige außerschulische Bildungsakteure vor dem kommenden Schuljahr 2023/2024 vor der Entscheidung, ob sie Trägerschaften im Ganztag weiter verantworten können. Denn die Unterfinanzierung wirkt sich unmittelbar auf die Personalausstattung und damit auf das Arbeitsumfeld aus – genauso wie auf die Qualität der Betreuungsangebote. Neben den Trägern aus der Jugendarbeit betrifft diese Situation auch andere Akteure wie die Wohlfahrtsverbände und die Jugendsozialarbeit.

Die mit der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Förderung zu erwartende Steigerung der Betreuungsquote von Grundschulkindern von derzeit rund 55 Prozent auf einen Bedarf von 80 Prozent ist unter diesen Rahmenbedingungen nicht realisierbar. Vielmehr droht ein Kollaps der bestehenden Ganztagsstrukturen.

Jugendarbeit als außerschulischer Lern- und Bildungsort

„Ohne das partnerschaftliche Engagement außerschulischer Träger ist der Erhalt und Ausbau der Ganztagsangebote an bayerischen Schulen kaum denkbar“, betont BJR-Präsident Seitz und führt fort:

„Gerade die Jugendarbeit steht in einer langen Tradition als Lern- und Bildungsort, an dem Chancengleichheit und soziales Lernen mit vielfältigen Angeboten gelebt und gefördert werden. Die erforderlichen Kompetenzen sind da. Jetzt ist es an der Bayerischen Staatsregierung, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Träger die vorhandenen Ressourcen in eine ganzheitliche und hochwertige Ganztagsbetreuung einbringen können.“

Quelle: Bayerischer Jugendring vom 13.07.2023

Back to Top