Jugendpolitik

DBJR Stellungnahme zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts

Das Bundesinnenministerium des Innern und für Heimat hat im Mai den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts veröffentlicht. Die Modernisierung soll Rahmenbedingungen für eine schnellere Einbürgerung schaffen und wird von Ländern und Verbänden diskutiert. Der Deutscher Bundesjugendring nimmt insbesondere aus Sicht junger Menschen zu ausgewählten Punkten Stellung.

29.06.2023

Der DBJR begrüßt als Interessenvertretung von 6 Millionen jungen Menschen in Deutschland ausdrücklich die grundsätzliche Entwicklung hin zu einem modernen Staatsangehörigkeitsrecht, welches die Hürden für die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft senkt. Der Bundesjugendring fordert bereits seit mehr als 10 Jahren die Ausweitung der doppelten Staatsangehörigkeit für in Deutschland geborene Kinder unabhängig von ihrer Herkunft und der Aufenthaltsdauer der Eltern und somit die Abschaffung der diskriminierenden Optionspflicht.

Recht steht oftmals im Widerspruch zu den Lebensrealitäten junger Menschen

Das bisherige Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht passt nicht zur gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Es steht im Widerspruch zu den Lebensrealitäten vieler junger Menschen, die hier geboren sind, ihre ganze oder große Teile ihrer Kindheit und Jugend hier verbracht haben und keinen anderen Lebensmittelpunkt als Deutschland kennen – aber dennoch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit oder einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben. Fehlende Langzeitperspektiven sowie fortwährender behördlicher Druck produzieren Unsicherheit und Stress, kosten Zeit und Energie – mit negativen Auswirkungen auf die (mentale) Gesundheit und Zukunftschancen junger Menschen.

Jungen Menschen mit Lebensmittelpunkt in Deutschland muss daher der Weg zu einer schnellen und einfachen Einbürgerung offenstehen. Auf Wunsch müssen bisherige Staatsangehörigkeiten beibehalten werden dürfen. Die rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen und Verfahren für den Aufenthalt und die Einbürgerung in Deutschland müssen dazu grundsätzlich reformiert und modernisiert werden. Alle in Deutschland lebenden jungen Menschen müssen gleichberechtigten Zugang zu Rechten, Chancen und Sozialleistungen haben.

Problematische Voraussetzungen

Diesem Anspruch junger Menschen wird der vorliegende Entwurf nur zum Teil gerecht. Dies kommt insbesondere in den Regelungen des § 10 Abs. 3 StAG zum Ausdruck. Zwar ist begrüßenswert, dass die erforderliche Aufenthaltsdauer auf drei Jahre verkürzt werden kann. Jedoch sind die Voraussetzungen problematisch. Zum einen bleibt es zu unbestimmt, was unter den Begriffen „besondere Integrationsleistung“ und „bürgerschaftliches Engagement“ näher zu verstehen ist. Dies wird auch in der Gesetzesbegründung nicht näher ausgeführt. Auch sollte die Regelung in § 10 Abs. 3 StAG statt eines weiten Ermessensspielraums für die Behörden klare Kriterien für das gesetzliche Verständnis der „besonderen Integrationsleistungen“ bereitstellen, die einen klaren Regelanspruch gewährleisten, statt auf das weitere Ermessen der Behörden abzustellen. Der Bundesjugendring hat insbesondere im Bereich des ehrenamtlichen Engagements, auf welches in der Gesetzesbegründung mehrfach rekurriert wird, eine große Expertise, die dieser für die nähere Bestimmung in den Gesetzgebungsprozess einbringen kann, um eine begriffliche Schärfung und damit mehr Rechtssicherheit für Einzubürgernde zu schaffen.

Zum anderen ist das in § 10 Abs. 3 StAG zugrundeliegende Verständnis von „Integration“ grundsätzlich fragwürdig. Es erscheint aus Sicht junger Einzubürgernder nicht nachvollziehbar, dass sich Integration „insbesondere [durch] besonders gute schulische, berufsqualifizierende oder berufliche Leistungen oder bürgerschaftliches Engagement nachweis[en]“ lässt. Hier liegt die Annahme zu Grunde, dass diese Leistungen von allen Inhaber*innen der deutschen Staatsbürgerschaft als Referenzrahmen vorliegen, in den es sich zu integrieren gilt. In dieser Regelung kommt eine Ungleichbehandlung der Einzubürgernden zum Ausdruck, die einem gleichberechtigten Verständnis einer einheitlichen Staatsbürgerschaft fremd ist. Kritisch ist darüber hinaus, dass von dieser Regelung nur diejenigen profitieren, die gleichzeitig den Lebensunterhalt für sich und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten können (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 StAG). Insbesondere für junge Menschen ist dies häufig ein strukturelles Problem, da diese auf ihren rechtmäßigen Anspruch auf öffentliche Mittel (z.B. BAFöG) angewiesen sind und somit vor die Wahl zwischen der Inanspruchnahme von ihnen zustehenden öffentlichen Mitteln und dem Antrag auf Staatsbürgerschaft gestellt werden. Diese strukturelle Benachteiligung junger Menschen gilt es zu beheben.

Weiterhin ist die Verkürzung der Voraussetzung nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StAG, nach der in Deutschland geborene Kinder die Staatsbürgerschaft bereits erlangen, wenn ein Elternteil statt wie bisher acht nun nur noch fünf Jahre seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben muss, ebenso grundsätzlich begrüßenswert. Gleichwohl bleibt das Ziel, dass in Deutschland geborene Kinder unabhängig von der Aufenthaltsdauer der Eltern Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft erlangen müssen. Der Regelungsentwurf sollte somit an dieser Stelle überarbeitet werden, um die Interessen der Kinder und Jugendlichen besser zu berücksichtigen.

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Dieser Artikel wurde am 16.06.2023 vom Deutschen Bundesjugendring erstveröffentlicht. Wir danken für die freundliche Genehmigung der Übernahme.

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