Appell
„Das Kita-System steht vor dem Kollaps“ – Ressourcen im System stärken
Mit großer Sorge beobachten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Entwicklung des Systems der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) in den letzten beiden Jahren. Es gebe deutliche und vermehrte Anzeichen, dass das System stark belastet ist. Aus diesem Anlass haben mehrere Wissenschaftler:innen einen Appell veröffentlicht.
15.09.2022
Den pädagogischen Fachkräften gelinge es trotz unermüdlicher Anstrengungen kaum mehr, ihre pädagogische Arbeit qualitätsgerecht zum Wohl der Kinder und ihrer Entwicklung auszuüben und dabei konstruktiv und vielfaltssensibel mit den Familien zusammenzuarbeiten.
Daher wurde ein eindringlicher Appell verfasst, der an die zuständigen Bundes- und Landesministerien sowie den Deutschen Städtetag, den Deutschen Landkreistag und den Deutschen Städte- und Gemeindebund verschickt wird. Initiiert wurde der Appell von Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff vom Zentrum für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Der Appell wurde von nahezu allen bedeutenden, insgesamt 109, Professorinnen und Professoren im Bereich der frühkindlichen Bildung/ Kindheitspädagogik/ Bildung und Erziehung im Kindesalter unterzeichnet. Damit haben sich dem Appell auch nahezu alle Leitungen der einschlägigen akademischen Ausbildungsgänge angeschlossen. Weitere 50 Studiengangkoordinator:innen und Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen aus entsprechenden Forschungsinstituten unterstützen den Appell ebenfalls.
Gestiegene Anforderungen decken sich nicht mit den verfügbaren Ressourcen
Es wird gefordert, deutlich verbesserte finanzielle und fachliche Anstrengungen zu unternehmen, um die Ressourcen des Systems zu stärken. Hierzu sind im Appell konkrete kurzfristige, mittel- und langfristige Maßnahmen aus wissenschaftlicher Sicht aufgeführt.
Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) positionierte sich zum Appell:
„Das Kita-System muss jetzt mit zusätzlichen Geldern stabilisiert werden. Damit würde ein deutliches Signal des Aufbruchs gesendet und den Fachkräften eine klare Perspektive aufgezeigt“, sagte Doreen Siebernik, Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit Blick auf den aktuellen Appell der 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler „Das Kita-System steht vor dem Kollaps“. Sie machte deutlich, dass die GEW die Handlungsaufforderung der Wissenschaft an die Politik ausdrücklich unterstütze. „Wir brauchen dringend einen verbindlichen Stufenplan für eine verstärkte Fachkräfte- und Qualifizierungsoffensive. Für den akuten Bedarf seien Konzepte notwendig, um Stütz- und Hilfskräfte einzustellen und diese fachlich auf die Arbeit in den Einrichtungen vorzubereiten.“ Diese Beschäftigten müssten bei fachlicher Eignung eine Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher aufnehmen können und ihnen damit Berufschancen eröffnet werden.
„Wir müssen die drohende Abwärtsspirale, dass Kitas zu reinen Aufbewahrungsstätten der Kinder werden, aufhalten. Die Mädchen und Jungen haben aus der Kinderrechtskonvention abgeleitete Grundrechte, die gesichert werden müssen“, unterstrich die Gewerkschafterin. Es gebe schon länger keine Balance mehr zwischen den gestiegenen Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte und Institutionen der Kindertagesbetreuung und den Ressourcen im System. Diese Situation verschärfe sich zusehends. „Seit Jahren warnen wir vor der drohenden Erschöpfung der Fachkräfte und dem Verfall des Systems. Erzieherinnen und Erzieher, die Kinder und Familien sind durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie psychisch und physisch am Ende ihrer Kräfte“, betonte Siebernik. Sie machte auf die sozialen Folgen dieser Entwicklung aufmerksam. Es gebe viele Hinweise auf steigende häusliche Gewalt. Die Statistiken für Inobhutnahmen zeichneten „ein erschreckendes Bild“.
Weitere Informationen
Der Appell der 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Politik (PDF: 448 KB) findet sich online als PDF-Download.
Quelle: Evangelische Hochschule Freiburg vom 08.09.2022 und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom 09.09.2022
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