Kindeswohl
Aufnahmeeinrichtungen sind keine Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe
Mehrere Akteure der Kinder- und Jugendhilfe weisen darauf hin, dass Aufnahmeeinrichtungen keine Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF) sind nach dem Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) unterzubringen, sie haben den gleichen Anspruch auf Betreuung, Versorgung und Förderung wie alle anderen Kinder und Jugendlichen.
11.12.2023
Der Handlungsdruck, adäquate Betreuung für umF bereitzustellen ist groß und es braucht dringend Lösungen. Diese müssen jedoch in jedem Fall dem Kindeswohl entsprechen und sich innerhalb des Rahmens des SGB VIII bewegen.
Momentan sind allerdings vielerorts Entwicklungen zu beobachten, die dies missachten. Ein negatives Beispiel lieferte das Sächsische Ministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt im Erlass vom 28. September 2023 unter der Überschrift „zur Schaffung von
Kapazitäten zur kindeswohlsichernden Unterbringung, Versorgung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern“. Hier wird neben den in den vergangenen Monaten beinahe schon „üblichen“ (und deshalb nicht minder skandalösen!) Standardabsenkungen für die Zielgruppe der umF (Absenkung der räumlichen Standards, Betreuungsschlüssel, Fachkräftegebot), geregelt, dass männliche umF ab 16 Jahren in Aufnahmeeinrichtungen für Erwachsene untergebracht werden können. Momentan ist es bundesweit Praxis, dass Standards für die Zielgruppe der umf abgesenkt werden, obwohl das SGB VIII für ein solches Vorgehen keinen rechtlichen Rahmen bietet.
Bei unbegleiteten Minderjährigen liegt schon allein aufgrund der Tatsache, dass sie unbegleitet und minderjährig sind, eine Kindeswohlgefährdung vor. Daran schließt sich der Auftrag des Jugendamtes an, eine dem Bedarf des jungen Menschen entsprechende Form der Unterbringung und Betreuung zu finden. Das bedeutet: es reicht auf keinen Fall aus, nur die Abwesenheit von Gefährdung festzustellen!
Helen Sundermeyer, BumF, betont:
„Alle Kinder und Jugendlichen müssen entsprechend ihrer Bedarfe untergebracht werden, Aufnahmeeinrichtungen sind keine Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und entsprechen nicht dem Kindeswohl.“
Für die jungen Menschen bedeutete das die weitergehende Einschränkung von Rechten, wie auch in der Stellungnahme „Es ist 5 nach 12: Rechtsverletzungen bei unbegleiteten geflüchteten Kindern und Jugendlichen“ (PDF: 177 KB) zusammengefasst.
Der im Erlass enthaltene Verweis auf die EU Aufnahmerichtlinie (§24 Abs. 2) ist schlicht rechtlich falsch: Der genannte Paragraph verweist auf das SGB VIII, das eben genau keine Unterbringung in Erstaufnahmen für umF vorsieht, sondern die bedarfsgerechte Unterbringung und Versorgung von Kindern und Jugendlichen unabhängig ihres Aufenthaltsstatus regelt.
Es stellt eine ungerechtfertigte Zuschreibung dar, wenn bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten ab einer fiktiven Altersstufe oder wegen des Geschlechts, aufgrund der Eigenschaft als "unbegleitet", "minderjährig" und "Flüchtlinge" eine geringere Schutzbedürftigkeit unterstellt wird. Wenn sich eine solche Unterstellung sich dann in nicht altersangemessenen Unterbringungsstandards äußert, stellt dies eine Diskriminierung dar und widerspricht empirischem Wissen und vor allem verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art. 3 Abs.3 GG). Sie maskiert außerdem rassistische Stereotype als Erwägungen zum Wohle von Kindern.
Der Erlass und jede Forderung nach Andersbehandlung von umF im SGB VIII sind rechtswidrig und die unterzeichnenden Organisationen lehnen diese entscheiden ab!
Unterzeichnende Organisationen
- Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF)
- Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Jugendhilfe e. V. (AG Flucht)
- IGFH (Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen
- Kinder- und Jugendhilferechtsverein e.V.
Quelle: Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vom 30.11.2023
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