Recht

Genitalbeschneidung von Jungen – kinderrechtliche Aspekte in der Diskussion

In der National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland (NC) gibt es derzeit noch keine abgestimmte Positionierung zu diesem Thema. Aus ihrer Sicht ist es jedoch erforderlich, in der gesellschaftlichen Debatte, die in erster Linie mit Blick auf die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern geführt wird, auch kinderrechtliche Aspekte zu berücksichtigen und Kinder und Jugendliche als Träger eigener Rechte zu achten.

27.07.2012

Seit dem Urteil des Kölner Landgerichtes vom 07.05.2012 zur Genitalbescheidung von Jungen ist eine breite gesellschaftliche Debatte um dieses Thema entflammt. Eine Vielzahl von führenden Politikerinnen und Politikern sprechen sich derzeit dafür aus, die Straffreiheit von Beschneidungen an minderjährigen Jungen zu gewährleisten, wobei kinderrechtliche Aspekte kaum mit bedacht werden.
Am 19. Juli 2012 soll im Bundestag ein Antrag ohne weitere Aussprache verabschiedet werden, in dem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen straffrei ist.

In der National Coalition gibt es derzeit noch keine abgestimmte Positionierung zu diesem Thema. Aus ihrer Sicht ist es jedoch erforderlich, in der gesellschaftlichen Debatte, die in erster Linie mit Blick auf die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern geführt wird, auch kinderrechtliche Aspekte zu berücksichtigen und Kinder und Jugendliche als Träger eigener Rechte zu achten. Diese Rechte sind in der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) festgelegt. Durch die Ratifizierung ist die UN-Kinderrechtskonvention geltendes Recht in Deutschland. Auch das Grundgesetz ist im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention auszulegen.

Im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention stellt sich in Bezug auf eine mögliche neue rechtliche Regelung der Genitalbeschneidung von Jungen eine Reihe von Fragen:

  • Ist die vorrangige Berücksichtigung der Interessen des Kindes bzw. des Kindeswohls gemäß Artikel 3 der UN-KRK sichergestellt?
  • Inwieweit wird das Recht der Jungen auf Leben, Überleben und bestmögliche Entwicklung gemäß Art. 6 UN-KRK verletzt durch die unmittelbaren und langfristigen Folgen der Beschneidung?
  • Wie wird das Recht des Kindes auf Gehör sichergestellt? Der UN-Ausschuss hat in seinem <link http: www2.ohchr.org english bodies crc docs advanceversions generalcomment7rev1.pdf external-link-new-window external link in new>Allgemeinen Kommentar Nr. 7 zur Verwirklichung der Rechte des Kindes in der frühen Kindheit (Implementing child rights in early childhood) deutlich gemacht, dass dieses Recht von Geburt an und für alle Formen des kindlichen Ausdrucks von Willen gilt, also auch, wenn das Kind nicht sprechen kann.
  • Inwieweit wird das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit nach Art. 14 UN-KRK geachtet? Inwieweit achtet der Staat die Rechte und Pflichten der Eltern, das Kind in der Ausübung seines Rechts auf Religionsfreiheit zu leiten und zu führen?
  • Inwieweit wird gemäß Art. 18 in Verbindung mit Art. 5 UN-KRK in Bezug auf die Beschneidung von Jungen die Pflicht des Staates verwirklicht, Eltern dabei zu unterstützen, das Kind bei der Ausübung der in der UN-KRK anerkannten Rechte in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise angemessen zu leiten und zu führen?
  • Ist die Pflicht des Staates nach Art. 19 UN-KRK, das Kind vor jeglicher Gewaltanwendung in der Obhut seiner Familie zu schützen, gewährleistet?
  • Ist das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit nach Artikel 24 UN-KRK gewährleistet?
  • Hat Deutschland entsprechend Art. 24 (3) UN-KRK alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen getroffen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen?
  • Ist gemäß Art. 30 UN-KRK das Recht des Kindes als Angehöriger einer Minderheit gewährleistet, in Gemeinschaft mit anderen Angehörigen seiner Gruppe seine eigene Kultur zu pflegen, sich zu seiner eigenen Religion zu bekennen und sie auszuüben? 

Die Auseinandersetzung mit diesen Punkten erfordert eine umfassende Diskussion. In diese Diskussion sollen Stellungnahmen mit kinderrechtlichem Bezug einbezogen werden.

Für die Sonderausgabe des Newsletters wurden von der National Coalition internationele und nationale Diskussionen mit Bezug auf die UN-Kinderrechtskonvention zusammengetragen. Der Newsletter ist auf der Internetseite der National Coalition unter <link http: www.national-coalition.de newsletter>www.national-coalition.de/newsletter/1342685184.html verfügbar.

Quelle: Sonderausgabe des Newsletters der National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland (NC) vom 19.7.2012

Redaktion: Kerstin Boller

Back to Top