Kindertagesbetreuung

GEW: "Kitas sind keine Fitness-Studios zur Schulvorbereitung"

Vor einer "Instrumentalisierung der Kindertagesstätten" hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gewarnt. "Kindertagesstätten sind keine Trainingsanstalten für späteren Schulerfolg.

27.11.2009

Das Programm der Kitas heißt nicht 'Fit for school'", betonte Norbert Hocke, Leiter des GEW-Vorstandsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit, zur Eröffnung einer Tagung seiner Organisation zum Thema "Inklusion in Kindertagesstätten" am 27./28. November in Fulda. Es gehe darum, Kindern ein Umfeld zu bieten, in dem sie ihre Persönlichkeit frei und individuell entwickeln können. Kinder brauchten für ihre Entwicklung reichhaltige Anregungen und eine gute Versorgung. Dafür sei das Konzept der Inklusion besonders geeignet.

Hocke kritisierte den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung mit Blick auf die Sprachstandstests. Das Ziel, verbindliche bundesweit vergleichbare Sprachstandstests für alle Kinder im Alter von vier Jahren einzuführen, helfe niemandem weiter. Solange weiterhin eine Erzieherin und eine Hilfskraft für 25 Kinder in einer Gruppe verantwortlich sind, müsse die individuelle Förderung aller Mädchen und Jungen auf der Strecke bleiben. Die Tests zeigten lediglich die Schwächen der Kinder, böten aber keine Perspektive, deren Sprachkompetenz zu verbessern. Kinder mit Kommunikationsproblemen würden diskriminiert. Erzieherinnen sollten sich vor allem um ein gutes Aufwachsen der Kinder kümmern und Eltern in Erziehungsfragen beraten - und sich nicht in erster Linie nach den Anforderungen der Schule richten, mahnte Hocke: Die Grundschule müsse "kinderfähig" werden, nicht die Kinder "schulfähig". Er riet zu mehr Gelassenheit und Vertrauen in die pädagogische Professionalität der Grundschulpädagoginnen und -pädagogen. Der Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule werde dramatisiert, Eltern würden in Panik versetzt. "Gebt den Kindern, solange sie noch nicht in die Schule gehen, Zeit zum Spielen und Lernen und setzt sie nicht unter Lernstress", unterstrich der Gewerkschafter.

Das Konzept der Inklusion richte sich an alle Kinder, verhindere Diskriminierung und beziehe das gesamte Lebensumfeld der Kinder und ihrer Familien ein. "Davon profitieren alle: Kinder mit Behinderungen ebenso wie sozial benachteiligte oder Kinder mit Migrationshintergrund", sagte Hocke. Während der Tagung wollen Experten aus Wissenschaft, Fortbildung und Praxis sowie Vertreter der Trägerverbände Umsetzungsmöglichkeiten des in England entwickelten und mittlerweile weltweit verbreiteten Konzepts der "inclusive education" erarbeiten.

Internationale Studien übten häufig Kritik an deutschen Kindertagesstätten, sagte Hocke. Der Personalschlüssel sei schlecht, die Ausbildung der Erzieherinnen müsse auf Hochschulniveau angehoben werden. Zudem werde in Deutschland zu wenig Geld in den Bildungsbereich investiert. Hoch gelobt werde jedoch das Konzept, Kindertagesstätten nicht nur auf Betreuung oder Bildung zu reduzieren, sondern beide Aufgaben gleichberechtigt neben dem Erziehungsauftrag zu sehen.

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