Jugendsozialarbeit
Ausbildung (wieder nicht) für Alle?
Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit setzt sich kritisch mit dem Berufsbildungsbericht der Bundesregierung auseinander. Das positive Bild des Berichtes teilt er nicht. So sei beispielsweise nur rund einem Drittel der Hauptschüler/-innen ein tatsächlicher Einstieg in die Berufsausbildung gelungen.
29.07.2011
Die Bundesregierung kommt im Berufsbildungsbericht 2011 zu einer insgesamt positiven Bewertung der Situation am Ausbildungsstellenmarkt: Die Ausbildungslage habe sich weiter verbessert, weil mehr betriebliche Ausbildungsplätze angeboten werden und demografiebedingt weniger Jugendliche eine Ausbildungsstelle suchen.
Die Jugendsozialarbeit teilt das positive Fazit des Berichts nicht. Viele Probleme und Benachteiligungen am Ausbildungsmarkt haben sich seit Jahren verfestigt und bestehen unverändert fort. Die sieben Bundesorganisationen, die sich gemeinsam im Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit für die Teilhabe benachteiligter junger Menschen einsetzen, nehmen deshalb im Folgenden Stellung zu den zentralen Aussagen im Berufsbildungsbericht 2011 und benennen die wesentlichen Handlungsbedarfe aus Sicht der Jugendsozialarbeit.
Zur Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt: ein ausreichendes Angebot fehlt weiterhin
Die positive Bilanz der Bundesregierung stellt sich aus der Perspektive derjenigen jungen Menschen, die im letzten Jahr – häufig vergeblich – eine Ausbildungsstelle gesucht haben, ganz anders dar: So ist es trotz einer leichten Entspannung am Ausbildungsstellenmarkt 2010 nur knapp der Hälfte der Jugendlichen, die sich um eine Ausbildungsstelle bemüht haben, auch gelungen, eine solche anzutreten. Während sich aber 94 % aller Hauptschüler/‐innen eine betriebliche Ausbildung wünschten, gelang nur rund einem Drittel (36 %) tatsächlich der Einstieg in eine Berufsausbildung.
Selbst bei den Jugendlichen mit mittlerem Schulabschluss bleibt eine große Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Obwohl fast 80 % von ihnen eine betriebliche Ausbildung anstreben, konnten ebenfalls nur 36 % eine solche Ausbildung aufnehmen. Demografiebedingte Entlastungen am Ausbildungsstellenmarkt sind zwar regional und vor allem in den östlichen Bundesländern spürbar, in einer bundesweiten Gesamtschau fehlen aber nach wie vor sehr viele Ausbildungsplätze: Im Berufsbildungsbericht wurde ermittelt, dass rechnerisch 89,9 betrieblichen Ausbildungsplatzangeboten 100 Ausbildungsnachfragende gegenüberstehen. Erst bei einem Wert von 101,3 gilt der Ausbildungsstellenmarkt als ausgeglichen. Insofern fehlten 2010 für ein ausgeglichenes Ausbildungsangebot bundesweit noch 65.000 Ausbildungsstellen. Ein auswahlfähiges Angebot und damit eine echte Berufswahloption liegen erst ab einem Wert von 112,5 vor. Zu einem auswahlfähigen Angebot fehlten 2010 also noch rund 130.000 Ausbildungsplätze.
In der offiziellen Statistik werden außerdem regelmäßig zwei Gruppen von Jugendlichen ausgeblendet: diejenigen, die sich in Maßnahmen des Übergangssystems befinden, sowie diejenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen, aber von der Bundesagentur für Arbeit als nicht ausbildungsreif eingestuft werden. Von 95.908 Jugendlichen liegen zudem für 2010 keine Informationen über ihren Verbleib vor. Eine transparente Ausbildungsstatistik fehlt weiterhin. So wird nach wie vor nur die Kategorie „ausländische“ Jugendliche erfasst. Diese wird einerseits der schwierigen Ausbildungssituation von jungen Deutschen mit Migrationshintergrund nicht gerecht und übersieht andererseits, dass sich dahinter auch Gruppen junger Flüchtlinge u. a. verbergen, die rechtlich oder strukturell vom Ausbildungsmarkt ausgeschlossen sind. Weder der aktuelle Berufsbildungsbericht noch die Planungen zur Einführung einer so genannten integrierten Ausbildungsberichterstattung werden diesen Defiziten bislang gerecht.
Vermutungen, dass der demografische Wandel die Probleme am Ausbildungsstellenmarkt zeitnah lösen wird, führen auch zukünftig in die Irre. Bei der Prognose des Berufsbildungsberichts für die Ausbildungsnachfrage im Jahr 2011 wird deutlich: Der leichte demografiebedingte Nachfragerückgang wird in nächster Zeit vollständig überlagert durch die Aussetzung des Wehr- und Zivildienstes. Hinzu kommen regionale Steigerungen der Nachfrage auf dem Ausbildungsstellenmarkt durch doppelte Abiturjahrgänge, so im Jahr 2011 in Bayern und Niedersachsen.
>> Die vollständige Stellungnahme können Sie hier im PDF-Format herunterladen: <link http: www.jugendsozialarbeit.de media raw kv_stellungnahme_berufsbildungsbericht_2011.pdf _blank external-link-new-window>www.jugendsozialarbeit.de/media/raw/KV_Stellungnahme_Berufsbildungsbericht_2011.pdf
Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit
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