Jugendpolitik
Mit starken Strukturen gegen Kindesmissbrauch – Konzept für besseren Schutz und Hilfen
Das Bundeskabinett hat am 12.12.2018 das von Familienministerin Giffey vorgelegte Konzept für besseren Schutz und Hilfen beschlossen. Kernpunkte sind die dauerhafte Einrichtung des Amtes einer/eines Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und die Verlängerung der Laufzeit der Aufarbeitungskommission. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht für Deutschland von einer Million betroffener Mädchen und Jungen aus, die sexuelle Gewalt erlebt haben oder erleben.
12.12.2018
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist auch in Deutschland immer noch trauriger Alltag - in der analogen wie in der digitalen Welt. Deshalb hat das Bundeskabinett heute das von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey vorgelegte „Konzept zur dauerhaften Stärkung der Strukturen für Schutz, Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend“ beschlossen. Kern ist die dauerhafte Einrichtung des Amtes einer/eines Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Laufzeit der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs wird um fünf Jahre bis zum Jahr 2013 verlängert.
Sexualisierte Gewalt aus der Tabuzone holen
Bundesfamilienministerin Giffey betont: „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist grausam und reißt Wunden, die oft ein ganzes Leben lang nicht verheilen. Es geht nicht um bedauernswerte Einzelfälle, sondern um ein großes gesamtgesellschaftliches Problem. Wenn wir von etwa einer Million betroffener Kinder sprechen, müssen wir uns klar machen, dass statistisch gesehen in jeder deutschen Schulklasse ein bis zwei betroffene Kinder sitzen. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt die Strukturen auf Bundesebene spürbar stärken und damit auch ein klares Signal gegen Kindesmissbrauch setzen. Die Arbeit des Unabhängigen Beauftragten hat in den vergangenen Jahren entscheidend dazu beigetragen, dass das Thema aus der Tabuzone geholt wurde und Verbesserungen bei Schutz und Hilfe, beispielsweise in Schulen, geschaffen wurden. Wir müssen uns mit aller Kraft dafür einsetzen, damit jedes Kind frei von sexualisierter Gewalt aufwachsen kann.“
Kampagnenmotiv der Initiative „Kein Raum für Missbrauch“, Bild: UBSKM
Kinder haben ein Recht auf Schutz und Hilfe
Unabhängiger Beauftragter Johannes-Wilhelm Rörig „Ich danke der Bundesregierung und Bundesfamilienministerin Dr. Giffey für diese wichtige Entscheidung. Der heutige Kabinettbeschluss zeigt, dass sich unser Blick auf sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in den letzten Jahren grundlegend geändert hat. Das enorme Ausmaß und die schweren Folgen sind in Politik und Gesellschaft angekommen. Das ist den vielen Kinderschützern und Mitstreitern zu verdanken, vor allem aber den Betroffenen und ihrem Mut, über das erlittene Leid zu sprechen. Die dauerhafte Einrichtung der Stelle einer/eines Missbrauchsbeauftragten in Deutschland ist für mich ein starkes „Ja“ der Bundesregierung, dem Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche künftig eine hohe Priorität einzuräumen. Kinder haben ein Recht auf unseren Schutz und unsere Hilfe. Hierfür brauchen wir Strukturen, die sich dauerhaft dafür einsetzen.“
Strukturen für Schutz, Prävention und Intervention
Im „Konzept zur dauerhaften Stärkung der Strukturen für Schutz, Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend“ bleibt der/ die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs eine zentrale Säule. Er/Sie wird die Bundesregierung bei der Verbesserung von Schutz und Hilfen unterstützen, Handlungsbedarfe identifizieren und weiterhin wichtige Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit leisten.
An der Seite des/der Unabhängigen Beauftragten wird zudem auch weiterhin ein ehrenamtlich tätiger Betroffenenrat arbeiten, der dauerhaft eine strukturierte Beteiligung von Betroffenen auf Bundesebene gewährleistet. Bundesfamilienministerin Giffey beruft hierzu 12 bis 18 Personen, die in der Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt erfahren haben.
Mitglieder der Aufarbeitungskommission, Bild: Anja Müller
Laufzeit der Aufarbeitungskommission verlängert
Zudem wird die Laufzeit der vom Unabhängigen Beauftragten berufenen Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs bis Ende 2023 verlängert. Die Kommission soll weiterhin über Ausmaß, Ursachen und Folgen von sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige aufklären, Betroffene anhören, Wege zur Anerkennung des Unrechts aufzeigen, Forschungslücken identifizieren und Empfehlungen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt sowie deren Aufarbeitung unterbreiten.
Prof. Dr. Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission: „Aufarbeitung braucht Zeit. Darum begrüßt die Kommission diese wichtige Entscheidung des Bundeskabinetts, die Arbeit der Aufarbeitungskommission zu verlängern, auch wenn sie sich für ihre Arbeit mehr Kompetenzen und Rechte sowie eine gesetzliche Grundlage gewünscht hätte.“
Im April 2019 stellt die Kommission den Bilanzbericht ihrer ersten Laufzeit vor. Sie legt dabei den Fokus auf ihre Empfehlungen für eine umfassendere Unterstützung für erwachsene Betroffene, zum besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie zur gelingenden Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Institutionen und in der Familie. Zudem gibt die Kommission einen Ausblick auf ihre zweite Laufzeit, in der sie weitere Schwerpunkte untersuchen will z. B. Missbrauch im Sport und Missbrauch an Menschen mit Behinderung.
Hintergrund
Im Jahr 2017 wurden laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) etwa 13.000 Fälle sexuellen Missbrauchs angezeigt sowie fast 8.000 Fälle von Missbrauchsabbildungen, sog. Kinder- und Jugendpornografie. 1.600 Opfer waren jünger als sechs Jahre. Aktuelle Forschungen lassen den Schluss zu, dass jede/r siebte bis achte Erwachsene in Deutschland sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erlitten hat. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht für Deutschland von einer Million betroffener Mädchen und Jungen aus, die sexuelle Gewalt erlebt haben oder erleben. Das sind pro Schulklasse ein bis zwei betroffene Kinder. Sexualisierte Gewalt in der Kindheit und Jugend hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensverläufe und Chancen von betroffenen Menschen und belastet sie häufig ein Leben lang.
Bei der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs haben sich in ihrer ersten Laufzeit von Januar 2016 bis heute rund 1.700 Betroffene für eine vertrauliche Anhörung angemeldet oder in schriftlicher Form berichtet. Ab Mitte 2017 musste aufgrund der hohen Nachfrage und der knappen Ressourcen der Kommission eine Warteliste für vertrauliche Anhörungen eingeführt werden. Ab April 2019 können die vertraulichen Anhörungen fortgeführt werden.
Weiterführende Informationen
- des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs: www.beauftragter-missbrauch.de
- der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs: www.aufarbeitungskommission.de
- auf dem Hilfeportal Sexueller Missbrauch: www.hilfeportal-missbrauch.de
- zur Kampagne Kein Raum für Missbrauch: www.kein-raum-fuer-missbrauch.de
Das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch steht unter 0800 – 22 55 530 kostenfrei und anonym zur Verfügung.
Zum Konzept der Bundesfamilienministerin zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder finden sich weiterführende Informationen außerdem in der Berichterstattung auf dem Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe.
Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs vom 12.12.2018
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