Hilfen zur Erziehung

Universität Hildesheim erforscht das Aufwachsen in einer Pflegefamilie

Die Lebenslagen von Pflegekindern erforschen Anke Kuhls und Professor Wolfgang Schröer an der Universität Hildesheim. Sie gehen der Frage nach, was eine Pflegefamilie an Belastung aushalten kann und wer den Rahmen setzt.

09.12.2014

Pflegeeltern sollen Kindern ein neues Zuhause geben. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich, manche Kinder wurden von den leiblichen Eltern vernachlässigt, körperlich oder seelisch misshandelt. Diese Kinder wachsen dann häufig nicht mehr in der Herkunftsfamilie auf.

Pflegeeltern sollen Kindern ein neues Zuhause geben

"Bei all der Tragik, die eine zerissene Kernfamilie und das von ihr getrennt lebende Kind erfahren, ist es auf der anderen Seite ehrbar, wenn Kinder, deren Eltern ausfallen, eine zweite Möglichkeit erhalten, in einer Familie aufzuwachsen. Das bedeutet, dass sich Personen zur Verfügung stellen, und diese nicht leichte Aufgabe übernehmen wollen. Das verdient der besonderen Anerkennung", sagt Anke Kuhls, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim. Sie befasst sich mit den Lebenslagen von Pflegekindern und Pflegeeltern und geht der Frage nach, was eine Pflegefamilie an Belastung aushalten kann, wie man Pflegefamilien unterstützen und zum Beispiel auf Besuche der leiblichen Familie vorbereiten kann.

Anke Kuhls hat zuvor lange Jahre in einem Pflegekinderdienst gearbeitet. "Ich habe eine Vielzahl an Begrenzungen erlebt. Bei Pflegekindern, Herkunftseltern und Pflegeeltern habe ich Beratungs- und Unterstützungsbedarf wahrgenommen, der nicht immer zufriedenstellend bedient werden konnte. Viele gute Ideen zur Verbesserung konnten sich aufgrund fehlender Unterstützungssysteme im Bereich Pflegekinderhilfe und fehlenden Wissens nicht entfalten." Derzeit promoviert sie zum Thema "Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Pflegeeltern". Die Daten wurden in Experteninterviews erhoben.

Das Land Niedersachsen unterstützt seit etwa zehn Jahren die Kommunen bei der Qualitätsentwicklung. Mit den "Strukturen der Vollzeitpflege in Niedersachsen" wurde 2003 eine erste Bestandsaufnahme vorgenommen. Diese bescheinigte den Jugendämtern, dass sie ihre Aufgaben äußerst unterschiedlich wahrnehmen. Jeder Umzug einer Pflegefamilie in einen anderen Jugendamtsbezirk bot zum Beispiel ein Mehr an Unsicherheit. Daraufhin sind 2008 die "Anregungen und Empfehlungen für die Niedersächsischen Jugendämter" entstanden. Dieser Leitfaden beschreibt in standardisierter Form organisatorische Abläufe von Pflegestellenunterbringungen. Er bietet mögliche Handlungsanweisungen, die mit Beispielen aus der "guten Praxis" angefüllt sind. Auf Initiative der Uni Hildesheim (Anke Kuhls und Professor Wolfgang Schröer) und des Landesamts für Soziales, Jugend und Familie (Joachim Glaum) findet seit 2012 ein Austausch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von inzwischen sieben niedersächsischen Hochschulstandorten mit Fachkräften der Jugendämter und freien Träger, Studierenden und Pflegefamilien statt. Mit dieser Ringvorlesung entsteht ein Netzwerk zwischen Land, Kommunen und Wissenschaft.

Unübersichtlich: Geschwister, Gerichte, Lehrkräfte beteiligt

"Das tägliche fachliche Handeln muss sich neuen Bedarfen anpassen und sollte stärker Erkenntnisse aus der frühkindlichen Entwicklung und Bindungsforschung einbeziehen", appelliert die Hildesheimer Wissenschaftlerin. Früher wurde ein "Aufwuchsplatz" für Kinder gesucht, heute sind die Verbindungen weitaus vielfältiger. Geschwisterkinder, Gerichte, Therapeuten und Lehrkräfte werden in die Planung einbezogen und Pflegeeltern öffnen die Privatheit zugunsten des Kontakts mit der Ursprungsfamilie.

Daneben betreut häufig der Allgemeine Sozialdienst die leiblichen Eltern, "um deren Erziehungskompetenzen zu verbessern und eine Rückführung des fremd untergebrachten Kindes vorzubereiten. Das scheint alles erforderlich. Aber durch die Beteiligung aller ist das Beziehungsgeflecht unübersichtlich geworden", sagt Anke Kuhls. Viele kleine Subsysteme entstehen, mit jeweils unterschiedlichen Zielen und Informationen. "Die Steuerung und Koordination der Aufgaben um ein Pflegekind können nur dann gelingen, wenn die Beteiligten den Überblick und das Ziel der Unterbringung im Auge behalten." Ein erster Schritt dazu seien die Empfehlungen zur Vollzeitpflege in Niedersachsen.

Forschungsprojekt: Pflegefamilien und Migration

Seit Dezember 2013 untersucht ein Team um Professor Wolfgang Schröer und Anke Kuhls <link http: www.uni-hildesheim.de pflegekinder external-link-new-window zum>"Pflegekinder und Pflegefamilien mit Migrationshintergrund". Das Forschungsprojekt wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung gefördert und vom Landesamt für Soziales, Jugend und Familie unterstützt. Es ist gestartet, weil deutschlandweit kaum belastbare Erkenntnisse zum Thema Vollzeitpflege und Migration vorliegen. Es besteht wenig Wissen darüber, wie die Jugendhilfe mit "transkulturellen Erfahrungen" in diesem Zusammenhang umgeht. Die gesetzliche Statistik erfasst diese Pflegekinder nur am Rande und Pflegefamilien werden gar nicht aufgeführt.

Mit dem Projekt ermittelt das Forschungsteam erstmals Basisdaten zu Unterbringungen und erfragt gleichzeitig die praktische Umsetzung der oben benannten Empfehlungen. Dazu sind die Fachkräfte der Pflegekinderhilfe in Niedersachsen interviewt worden, die sich zu 100 Prozent beteiligt habe (=Vollerhebung).

In einem zweiten Schritt sind auf der Grundlage der Ergebnisse Expertinnen und Experten ausgewählt worden, die eingehender zu den Themen Vollzeitpflege und Migration befragt werden konnten. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, ob sich Unterschiede in der Unterbringung mit und ohne Migrationserfahrung ergeben und wenn ja, wie sich diese auf die Praxis auswirken. Derzeit befinden sich die erhobenen Daten in der Auswertung. Mit abschließenden Ergebnissen ist ab Frühjahr 2015 zu rechnen.

Quelle: Stiftung Universität Hildesheim vom 02.12.2014

Redaktion: Kerstin Boller

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