Kindheitsforschung

Je älter Kinder werden, desto weniger bewegen sie sich – Stadtplanung kann gegensteuern

Mit jedem gewonnenen Lebensjahr bewegen sich Kinder täglich zwei Minuten weniger. Was nach einem kleinen Effekt klingt, addiert sich im gesamten Zeitraum des Aufwachsens zu 20 Minuten verlorener Aktivität pro Tag – knapp einem Drittel der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Verhindern können das bestimmte stadtplanerische Maßnahmen – zumindest zum Teil, so eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS.

23.01.2020

Toben, rennen, spielen – Kinder bewegen sich in der Regel gerne. Das bereitet ihnen nicht nur Freude, sondern schützt sie auch vor Übergewicht, Diabetes und vielen anderen Gesundheitsproblemen im späteren Leben. Das zeigen zahlreiche Studien. Körperliche Aktivität gilt als eine der wichtigsten Schutzmaßnahmen vor chronischen Krankheiten. Doch von dieser wertvollen „Medizin“ bekommen Kinder im Laufe ihres Heranwachsens immer weniger.

Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in einer Studie, die sie vor Kurzem in der Fachzeitschrift International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity veröffentlicht haben. Das Besondere daran: Sie stützen sich dabei auf eine Langzeituntersuchung der IDEFICS / I.Family-Kohorte – vergleichbare Studien beruhen sonst meist nur auf Querschnittsdaten und können darum keinen zeitlichen Verlauf darstellen.

Bewegung nimmt mit steigendem Lebensalter ab

Die Daten zeigen, dass sich Kinder mit etwa vier Jahren im Schnitt knapp 60 Minuten am Tag moderat bis intensiv bewegen. Bis sie 14 Jahre alt sind, sinkt dieser Wert auf durchschnittlich etwa 40 Minuten. Pro Lebensjahr entspricht das zwei Minuten täglicher Aktivität, die verloren geht. Demnach erreichen Kinder mit vier Jahren im Durchschnitt noch die Empfehlung der WHO, mit 14 Jahren fehlt ihnen schon knapp ein Drittel davon. Ein ähnlicher Effekt zeigt sich bei der leichten Bewegung: Diese fällt im selben Zeitraum von etwas mehr als 350 Minuten täglich auf knapp 150 Minuten.

„Das Besondere an unseren Daten ist, dass wir bei ca. 2.500 Kindern aus Studienzentren in Deutschland, Italien und Schweden eine Entwicklung über die Zeit von 3 bis 15 Jahren aufzeigen konnten“, sagt Dr. Christoph Buck, Wissenschaftler am BIPS und Erstautor der Studie. „So konnten wir aufzeigen, dass bei Kindern die Bewegung mit steigendem Lebensalter abnimmt – und welche Faktoren im urbanen Raum diesen Effekt abschwächen.“

Einfluss von gestalteten öffentlichen Freiflächen

Dazu haben die Wissenschaftler die Messungen von Bewegungssensoren mit Daten zur Wohndichte, der Landnutzung, dem Straßennetzwerk, der Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel und gestalteter Freiflächen wie Spielplätzen oder Parks verknüpft. Dabei zeigt sich: Die Verfügbarkeit öffentlicher Freiflächen war für die Förderung von moderater und intensiver Bewegung in der Kindheit relevanter, während im Jugendalter die Wohnungs- und die Vernetzungsdichte an Bedeutung gewannen.

„Die Erkenntnis, dass Spielplätze Kindern dazu anregen, sich mehr zu bewegen, kommt natürlich nicht überraschend“, sagt Dr. Buck. „Der Effekt ist allerdings sehr deutlich und das Ergebnis sollte Politikern und Städteplanern noch einmal aufzeigen, wie wichtig diese Orte für ein gesundes Aufwachsen sind und dass es wichtig ist, sie instand zu halten und für Kinder attraktiv zu gestalten. Ab einem Alter von acht bis zehn Jahren wird dann eine sichere Infrastruktur von Fuß- und Fahrradwegen immer wichtiger. Diese fördert nicht nur die Aktivität im Alltag, sondern kann eine von Eltern unabhängige Mobilität unterstützen, um früh einen aktiven und gesunden Lebensstil zu etablieren.“

Das BIPS – Gesundheitsforschung im Dienste des Menschen

Die Bevölkerung steht im Zentrum unserer Forschung. Als epidemiologisches Forschungsinstitut sehen wir unsere Aufgabe darin, Ursachen für Gesundheitsstörungen zu erkennen und neue Konzepte zur Vorbeugung von Krankheiten zu entwickeln. Unsere Forschung liefert Grundlagen für gesellschaftliche Entscheidungen. Sie klärt die Bevölkerung über Gesundheitsrisiken auf und trägt zu einer gesunden Lebensumwelt bei.

Das BIPS ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der 95 selbstständige Forschungseinrichtungen gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 19.100 Personen, darunter 9.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.

Quelle: Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS vom 20.12.2019

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