Familienforschung
Jüngere Geschwister wählen weniger angesehene Studienfächer
Zuerst geborene Kinder studieren mit höherer Wahrscheinlichkeit angesehenere Fächer wie Medizin oder Ingenieurwesen, die zu besser bezahlten Berufen führen, als jüngere Geschwister, die eher Kunst, Journalismus oder Lehramt wählen.
15.11.2017
Dieses Forschungsergebnis veröffentlichten die Bevölkerungsforscher Kieron Barclay und Mikko Myrskylä vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock zusammen mit Martin Hällsten von der Universität Stockholm jetzt im Wissenschaftsjournal „Social Forces“.
Aus früheren Studien anderer Forscher war bereits bekannt, dass nachfolgende Geschwister eine schlechtere Ausbildung bekommen und langfristig weniger Geld verdienen als zuerst geborene Kinder. Die neue MPIDR-Veröffentlichung belegt nun erstmals Unterschiede in den Vorlieben für bestimmte Studienfächer.
Die Forscher untersuchten für ihre Studie schwedische Familien. Sie fanden heraus, dass die Wahl des Fachs die Hälfte der langfristigen Einkommensunterschiede unter den Geschwistern ausmacht. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Eltern mehr in ihre zuerst geborenen Kinder investieren als in die folgenden“, sagt MPIDR-Demograf Kieron Barclay. „Dies scheint Unterschiede in den Fähigkeiten und Ambitionen der Kinder sogar innerhalb der Familie zu bewirken.“
Dabei unterscheide sich nicht lediglich das erste Kind von allen darauffolgenden, sagt Barclay. Vielmehr nähmen die Verschiedenartigkeiten mit dem Rang in der Geburtenreihenfolge zu: „Zum Beispiel ist relativ gesehen die Wahrscheinlichkeit für ein zweites Kind, Medizin zu studieren, um 27 Prozent kleiner als für das erste Kind. Und der Unterschied zwischen dem ersten und dem dritten Kind beträgt sogar 54 Prozent.“
Vorlieben von Geschwistern bei der Wahl des Studienfachs
Ebenso fanden die Forscher beispielsweise heraus, dass die Wahrscheinlichkeit zweiter Kinder, Kunst zu studieren, 27 Prozent höher ist als die des ersten Kindes, während der Unterschied zwischen dem als drittes geborenen Kind und dem ältesten Geschwister schon 36 Prozent beträgt. (Siehe Grafik für weitere Studienfächer bis zum vierten Kind.)
Erste Kinder haben bessere Schulnoten. Aber daran liegt es nicht.
Häusliche Umgebung scheint Einstellungen und Vorlieben zu prägen
„Dass die Geschwister unterschiedliche Fächer wählen, liegt nicht einfach nur daran, dass erste Kinder bessere Noten in der Schule haben“, sagt Kieron Barclay. Auch als die Wissenschaftler den Einfluss der Schulnoten herausrechneten, blieben die unterschiedlichen Neigungen bei der Studienfachwahl unter den Geschwistern bestehen. „Die häusliche Umgebung scheint die Einstellungen und Vorlieben der Kinder jenseits der schulischen Begabung zu prägen“, sagt MPIDR-Demograf Barclay.
Volle Aufmerksamkeit für Erstgeborene
Warum die Vorlieben der Geschwister so verschieden sind, wenn es um das Studienfach geht, haben die Rostocker Forscher in ihrer Studie nicht untersucht. Eine entscheidende Rolle scheint allerdings die Fürsorge der Eltern zu spielen. „Zuerst Geborene profitieren exklusiv von der vollen Aufmerksamkeit der Eltern, so lange sie noch das einzige Kind sind“, sagt MPIDR-Direktor Mikko Myrskylä. „Das gibt ihnen schon früh einen Vorsprung.“
Über die Studie
Für ihre Untersuchung nutzten die Forscher Daten aus schwedischen Verwaltungsregistern. Sie bezogen alle Familien mit ein, in denen sich mindestens zwei Geschwister für ein Fach an einer Hochschule eingeschrieben hatten. Insgesamt untersuchte die Studie 146.000 Studenten, die zwischen 1982 und 1990 geboren wurden und sich zwischen 2001 und 2012 an einer Hochschule eingeschrieben hatten.
Originalveröffentlichung: Kieron Barclay, Martin Hällsten, Mikko Myrskylä: Birth order and college major in Sweden, Social Forces, <link https: academic.oup.com sf article doi sox069 external-link-new-window informationen zur studie in englischer>DOI 10.1093/sf/sox069
Quelle: Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) vom 14.11.2017
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