Qualifizierung

Weiterbildung bringt oft wenig für die Karriere

Weiterbildung und lebenslanges Lernen gelten heute als Patentrezept für den beruflichen Aufstieg. Ihr Ertrag für die Karriere ist jedoch geringer als gedacht. Das zeigt eine neue Studie von Martin Ehlert (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) und Christian Ebner (Karlsruher Institut für Technologie).

11.12.2018

Für Beförderungen, ein höheres Einkommen und größere soziale Mobilität bringen Weiterbildungsmaßnahmen meist nur dann etwas, wenn sie zu einem anerkannten beruflichen Abschluss führen. Berufsbegleitende Kurse und Lehrgänge ohne formalen Abschluss haben dagegen einen viel geringeren Effekt auf die Karriere. Das zeigt die neue Studie „Weiterbilden und Weiterkommen? Non-formale berufliche Weiterbildung und Arbeitsmarktmobilität in Deutschland“.

90 Prozent non-formale Weiterbildung

Jedes Jahr nimmt etwa die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland an Weiterbildung teil. Mehr als 90 Prozent dieser Kurse sind sogenannte non-formale Weiterbildung: relativ kurze Kurse, die nicht zu formalen, also anerkannten, Bildungsabschlüssen führen. Dazu gehören Computer- oder Sprachkurse sowie Schulungen für neue Produkte oder Geräte. Häufig werden die Lehrgänge von Arbeitgebern finanziert und sind auf die Bedürfnisse des Betriebs ausgerichtet. Formale Weiterbildung, die zum Beispiel zum Meister oder zum Abitur an einer Abendschule führt, macht nur etwa 3 Prozent der von Erwachsenen besuchten Kurse aus.

Mit Daten aus dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) konnten Martin Ehlert und Christian Ebner zum ersten Mal detailliert die Erträge der Teilnahme an Weiterbildung verfolgen. Für den Zeitraum von 2009 bis 2016 zeigen sie, wie sich Weiterbildung auf die Karriere auswirkt.

Non-formale Weiterbildung beugt dem Abstieg vor

Das Ergebnis: Das Credo „Aufstieg durch Bildung“ muss relativiert werden. Non-formale Weiterbildung hilft in erster Linie den Beschäftigten, ihre Kenntnisse an die betrieblichen Erfordernisse anzupassen und damit beschäftigungsfähig zu bleiben. Sie sichert den Arbeitsplatz und beugt damit dem Abstieg vor. Der Aufstieg im Betrieb wie auch jede andere Form von beruflichen Wechseln wird durch die Teilnahme an diesen Kursen aber eher verhindert. „Aus Sicht der Betriebe ist das eine logische Strategie: Wenn Beschäftigte geschult werden, um ihre aktuelle Aufgabe besser zu verrichten, ergibt es keinen Sinn, sie auf andere Stellen zu setzen“, macht WZB-Forscher Martin Ehlert deutlich. Weiterbildungen sind außerdem für viele Tätigkeiten zur Normalität geworden und werden nicht mehr zur Bewertung bei Beförderungen hinzugezogen.

Formale Abschlüsse fördern

Für die Arbeitsmarktpolitik bedeuten diese Ergebnisse, dass Konzepte, die stark auf die individuelle Verantwortung der Beschäftigten für den Aufstieg durch Weiterbildung setzen, zu kurz greifen. Es bringt wenig, gering bezahlten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu raten, ihre Einkommenssituation durch mehr non-formale Kurse zu ändern – auch wenn Weiterbildung für den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und das Verhindern von beruflichen Abstiegen wichtig ist. Darüber hinaus bekommen gerade die Schwächsten im Betrieb selten die Möglichkeit zur Teilnahme. Um Ungleichheit zu begrenzen und niedrig qualifizierte Beschäftigte zu fördern, müssen daher innerbetriebliche Prozesse in den Blick genommen werden. Betriebsräte und Gewerkschaften könnten beispielsweise noch stärker auf die Einrichtung einer inklusiven Weiterbildungs- und Karriereplanung am Arbeitsplatz hinwirken. Außerdem ist es wichtig, formale Abschlüsse durch Weiterbildungen zu fördern, zum Beispiel durch Teilqualifikationen, die es durch mehrere kurze Weiterbildungen ermöglichen einen formalen Ausbildungsabschluss nachzuholen.

Zum Hintergrund

Die Studie von Christian Ebner und Martin Ehlert „Weiterbilden und Weiterkommen? Non-formale berufliche Weiterbildung und Arbeitsmarktmobilität in Deutschland“ ist in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie erschienen (Jg. 70, H. 2, S. 213–235).

Dr. Martin Ehlert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Ausbildung und Arbeitsmarkt und Themenbereichsleiter des Promotionskollegs „Gute Arbeit“: Ansätze zur Gestaltung der Arbeitswelt von morgen.

Prof. Dr. Christian Ebner ist Professor für Soziologische Berufsforschung an der Universität zu Köln und am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Zur Zeit ist er Vertretungsprofessor am Karlsruher Institut für Technologie.

Quelle: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH vom 10.12.2018

Redaktion: Kerstin Boller

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