Kinderschutz

Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs

Unabhängige Beauftragte startet telefonische Anlaufstelle und Homepage für Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs.

28.05.2010

Seit dem 28. Mai 2010 können sich Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs unter der kostenfreien Rufnummer 0800-22 55 530 bei der telefonischen Anlaufstelle der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin a. D., melden. Gleichzeitig startet unter www.beauftragte-missbrauch.de die Homepage der Unabhängigen Beauftragten mit weiteren Kontakt- und Informationsmöglichkeiten.

Portrait Dr. Christine Bergmann

Dr. Christine Bergmann, Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs
Foto: www.bettinaflitner.de 

„Wir wollen den Betroffenen die Möglichkeit geben, über das ihnen angetane Unrecht zu sprechen. Wir wollen erfahren, welche Anliegen sie haben, welche Hilfen sie benötigen und was sie der Politik und der Gesellschaft sagen wollen“, erklärte Dr. Bergmann auf der heutigen Pressekonferenz. Es können sich auch Angehörige melden oder Menschen, denen in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld Fälle von Missbrauch auffallen. Bergmann betonte, Missbrauch finde nicht nur in Institutionen statt, sondern auch im familiären Umfeld.

Für die telefonischen Gespräche, die individuell und anonym geführt werden, steht ein Team aus Fachkräften aus dem Bereich der Sozialpädagogik, der Psychologie, der Medizin und der Beratung zur Verfügung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben langjährige Erfahrung in der Beratung bei sexuellem Kindesmissbrauch und spezielle Fortbildungen durchlaufen. Eine webbasierte Plattform erlaubt es, Informationen, die Anrufende mitteilen wollen und die wichtig für die Aufarbeitung der Thematik und die Prävention sind, zu dokumentieren.

Die Anrufenden bestimmen zu jedem Zeitpunkt selbst, worüber sie sprechen und ob und wie umfangreich das Erzählte festgehalten werden soll. Die telefonische Anlaufstelle gibt keine therapeutische oder rechtliche Beratung, sie nimmt die Anliegen entgegen und zeigt, wenn gewünscht, Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung auf.

Die webbasierte Plattform für die Dokumentation der Anrufe und die diesbezügliche Aufarbeitung wird wissenschaftlich begleitet von Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klink für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm, der bereits zahlreiche, auch webbasierte Projekte zur Thematik des sexuellen Kindesmissbrauchs, zum Kinderschutz und zum Beschwerdemanagement durchgeführt hat. Unterstützt wird die Tätigkeit seines Teams von einem wissenschaftlichen Beirat.
„Als Arzt, Wissenschaftler und Publizist habe ich mich seit Mitte der 80er Jahre dafür engagiert, dass Betroffene ernst genommen werden, Hilfe bekommen und dass das Thema in seiner Bedeutung für Institutionen Beachtung findet“, so Prof. Dr. Fegert auf der heutigen Pressekonferenz, „mit der wissenschaftlichen Begleitforschung möchte ich dazu beitragen, dass die Botschaften der Betroffenen mit Respekt dokumentiert und transparent in die Politik und Öffentlichkeit kommuniziert werden.“
Betroffene finden aber nicht nur Gehör, sondern können auch auf die öffentliche Diskussion zum Thema sexueller Missbrauch Einfluss nehmen, denn Fragen, die die Anlaufstelle häufig erreichen, werden auf der Homepage regelmäßig eingepflegt, thematisiert und aktualisiert werden.

Ungefähr 500 Berichte von Betroffenen sind bisher schriftlich eingegangen. Es haben mehr Männer als Frauen ihre Missbrauchserfahrungen mitgeteilt, die meisten von ihnen wurden in Einrichtungen missbraucht, vor allem in Einrichtungen der katholischen Kirche. Oft haben sie das Erlebte jahrzehntelang für sich behalten und vertrauen sich jetzt erstmals an. Die Betroffenen erwarten die Anerkennung des Unrechts, das ihnen angetan wurde, und die Benennung der Verantwortlichen. Auch die schriftlichen Berichte werden in die Aufarbeitung und die Empfehlungen für die Bundesregierung und den Runden Tisch einfließen.

Quelle: Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs

ik

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