Gender

Konferenz der Länder: Chancen der Corona-Pandemie nutzen und Geschlechtergerechtigkeit umsetzen

Die Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz (GFMK) ist am 25. Juni per Vidoekonferenz zu Beratungen zusammengekommen. Im Mittelpunkt der Konferenz standen das Schwerpunktthema „Geschlechtergerechtigkeit in der Corona-Krise“ sowie das Thema „Digitaler Wandel“. Monika Bachmann, saarländische Frauenministerin und amtierende Vorsitzende der Konferenz betont, dass aufgrund der Krise Weichen neu gestellt werden können und sich neue Möglichkeiten ergeben, um die Gleichstellung von Frauen und Männern weiter voranzubringen.

29.06.2020

An der Konferenz nahmen die Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder sowie die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Franziska Giffey teil. Das Saarland hat für das Jahr 2020 turnusgemäß den Vorsitz der Konferenz inne.

Gleichstellung von Frauen und Männern weiter voranzubringen

„Nicht nur in der Corona-Krise, sondern auch zu normalen Zeiten sehen wir uns nach wie vor Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern gegenüber, die überwiegend aufgrund ungleich verteilter familiärer Verantwortlichkeiten zustande kommen. In der Folge sind Frauen in deutlich geringerem Umfang erwerbstätig, seltener in höheren Positionen und häufiger in Jobs unter ihrem Qualifikationsniveau. Gleichzeitig verbringen sie deutlich mehr Zeit mit Kinderbetreuung, Hausarbeit und der Pflege von Angehörigen.

Die Corona-Krise hat diese Ungleichheiten wie durch ein Brennglas verschärft deutlich werden lassen. Aus Krisen erwachsen aber auch Chancen. In einer Zeit, in der aufgrund der Krise Weichen neu gestellt werden, ergeben sich neue Möglichkeiten, die Gleichstellung von Frauen und Männern weiter voranzubringen. Es ist unser aller Verantwortung, diese Chancen jetzt zu nutzen“, erklärte die saarländische Frauenministerin Monika Bachmann als amtierende Vorsitzende der Konferenz.

Es sei deshalb wichtig gewesen, den Fokus auf die gleichstellungspolitischen Problemlagen zu richten. Die Problemlagen, wie etwa die vergleichsweise geringe Entlohnung frauentypischer Berufe, der hohe Frauenanteil bei Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung mit den entsprechenden ökonomischen Risiken für Frauen wie verminderte Aufstiegschancen, reduzierte Einkommen und geringere Renten seien hinreichend bekannt. Bachmann: „Wir haben mit Blick auf den Abbau bestehender Gleichstellungsdefizite kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“

Geschlechteraspekte bei gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Weichenstellungen berücksichtigen

Es gelte jetzt in allen Politikbereichen wirksame Maßnahmen zum Ausgleich bestehender Benachteiligungen zu ergreifen, damit Frauen nicht zu Verliererinnen der Krise werden. Ganz wesentlich sei es, dass bei der Entwicklung von Lösungen Frauen stärker beteiligt und Entscheidungsgremien paritätisch mit Männern und Frauen besetzt sind. So könne es besser gelingen, Geschlechteraspekte bei gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Weichenstellungen angemessen zu berücksichtigen.

Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: "Die Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern ist eine ständige Aufgabe, die alle staatlichen Ebenen besonders fordert. Die Corona-Krise bestärkt uns darin, an den wesentlichen Themen weiterzuarbeiten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Beteiligung auf dem Arbeitsmarkt und der Schutz von Frauen vor Gewalt sind dabei besonders relevant und müssen durch konkrete Maßnahmen voran gebracht werden. Hierbei ist mir der Schulterschluss mit den Ländern wichtig. Die Bundesregierung investiert im Rahmen des Konjunkturpaketes weitere Milliarden in den Ausbau der Kindertagesbetreuung. Das stärkt die Länder in ihren Bemühungen, eine moderne Ganztagsbetreuung auf den Weg zu bringen und so Frauen und Männern die Chance zu geben, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. In der Bekämpfung von Gewalt an Frauen sind wir mit dem Bundesförderprogramm "Gegen Gewalt an Frauen" einen großen Schritt weiter gekommen. Der Bund stellt in vier Jahren über 120 Millionen Euro für bauliche Maßnahmen und innovative Projekte bereit. Ein solches Programm ist auf Bundesebene in dieser Höhe einmalig und wird dazu beitragen, Frauenhäuser und andere Hilfseinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen zu stärken und weiterzuentwickeln. Die Länder haben sich diese Unterstützung lange gewünscht. Jetzt geht es darum, dass zügig gute Projekte auf den Weg gebracht werden."

Stefanie Drese, Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung des Landes Mecklenburg-Vorpommern: „Die Corona-Pandemie hat die frauen- und gleichstellungspolitischen Herausforderungen noch einmal verdeutlicht. Der Dreiklang Homeoffice, Homeschooling und Kinderbetreuung, die Arbeit in systemrelevanten Berufen oder auch der Schutz vor Gewalt sind Bereiche, die vor allem von Frauen getragen werden beziehungsweise Frauen betreffen. Alle Bundesländer – und das werte ich als einen großen Erfolg – haben in der gemeinsamen Erklärung die Chancen und Risiken benannt und daraus politische Forderungen für die Gleichstellung von Frauen und Männern abgeleitet. Mecklenburg-Vorpommern wird im nächsten Jahr den GFMK-Vorsitz haben. Die Verteilung der familiären Sorgearbeit im Sinne einer echten Partnerschaftlichkeit wird dabei unser Hauptthema sein.“

Saarländischer Antrag zu digitalem Wandel

Zentrale Punkte in der von allen Ländern einstimmig gefassten Entschließung waren Forderungen nach

  • einer gleichstellungspolitischen Ausrichtung von Konjunkturprogrammen, Krisenmaßnahmen und Gesetzesvorschlägen, damit alle Maßnahmen und Programme für Frauen und Männer gleichermaßen wirken
  • einer weiteren Verbesserung der Beschäftigungssituation von Frauen unter anderem durch eine vor allem finanzielle Aufwertung solcher Berufsgruppen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind
  • einer geschlechtergerechten Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit bei Nutzung der Chancen aus flexiblem, digitalem Arbeiten
  • einer nachhaltigen Aufwertung der Sorgeberufe und einer besseren Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen sowie
  • einer krisenfesten Stabilisierung des Gewaltschutzsystems.

Neue Herausforderungen für die Frauen- und Gleichstellungspolitik

Einen breiten Raum nahm bei der Konferenz auch das Thema „Digitalisierung” ein. Auf Antrag des Saarlandes wurden die Chancen und Risiken des digitalen Wandels für Frauen vertieft behandelt. „Es ist höchste Zeit, dass wir die fortschreitende Digitalisierung, die mit hohem Tempo die Entwicklung von Gesellschaft, Arbeit und Wirtschaft prägt und die durch die Corona-Pandemie einen deutlichen Schub erhalten hat, aus gleichstellungspolitischer Perspektive beleuchten“, so die Konferenzvorsitzende Bachmann.

„Chancen der digitalen Transformation müssen genutzt und Risiken minimiert werden und zwar für Frauen und Männer gleichermaßen. Wir müssen feststellen, dass wir beim Zugang zu und bei der Nutzung von digitalen Technologien eine geschlechtsspezifische Lücke haben, die es zu schließen gilt. Digitalisierung und Geschlechtergerechtigkeit müssen daher in der Bildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik stärker zusammen gedacht werden.“

Es sei zu begrüßen, dass sich auch der von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Dritte Gleichstellungsbericht mit der Frage befasse, welche Weichenstellungen erforderlich sind, um die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft so zu gestalten, dass Frauen und Männer gleiche Verwirklichungschancen haben.

Bachmann: „Natürlich können wir nicht erwarten, dass sich beispielsweise die Vereinbarkeitsproblematik durch die digitale Transformation von selbst löst. Wir wollen, dass die positiven Erfahrungen, die viele Verwaltungen und Unternehmen in der Corona-Krise mit mobilem Arbeiten im Homeoffice gemacht haben, mittelfristig zu einer Verbesserung der Vereinbarkeit und damit zu einer besseren Beschäftigungssituation für Frauen beitragen. Es reicht dabei nicht, nur in den Ausbau digitaler Infrastruktur zu investieren. Vielmehr müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass es Regeln zur Begrenzung der Erreichbarkeit im Homeoffice sowie flankierende Maßnahmen zur gleichmäßigen Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen gibt. Sonst laufen wir Gefahr, dass überkommen geglaubte Rollenstereotype wiederaufleben.“

Die GFMK diskutierte auf Antrag Nordrhein-Westfalens zudem wie sich die befürchtete Diskriminierung bei Einsatz von algorithmenbasierten Entscheidungssystemen in sensiblen Bereichen wie beispielsweise dem Arbeitsmarkt oder der Kreditwirtschaft vermeiden lässt. Hier habe man die klare Erwartung an die Bundesregierung, dass die Empfehlungen der Datenethikkommission zum Umgang mit algorithmenbasierten Entscheidungen im Rahmen der „Umsetzungsstrategie Digitalisierung der Bundesregierung“ zügig umgesetzt werden.

Der Aspekt der Geschlechterdimension von digitaler Gewalt, der bisher vernachlässigt worden sei, war auf Antrag der Länder Baden-Württemberg, Berlin und Hamburg ebenfalls Thema der Beratungen der GFMK. Da bislang valide Daten zu digitaler Gewalt gegen Frauen fehlten, sei die Bundesregierung aufgefordert, eine repräsentative empirische Studie vorzulegen, um von digitaler Gewalt betroffene Frauen in Zukunft besser unterstützen und wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen entwickeln zu können.

„Die Anregungen der GFMK zur Digitalisierung nehmen wir gern auf. Derzeit arbeiten wir am 3. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Er rückt in den Fokus, mit welchen Maßnahmen Frauen und Männer in der digitalen Wirtschaft gleiche Verwirklichungschancen haben können. Unser gemeinsames Ziel muss sein, die bestehenden Benachteiligungen im Zuge des Digitalen Wandels nicht fortzuschreiben, sondern zu beenden. Darauf und auf viele weitere Themen wird auch die Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung eingehen, die wir in Kürze im Kabinett beschließen werden“, so Bundesministerin Giffey.

Weitere Beschlüsse wurden zu folgenden Themen gefasst:

  • Geschlechtergerechte Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (Berlin)
  • Für eine kraftvolle Umsetzung der europäischen Gleichstellungstrategie (Nordrhein-Westfalen)
  • Vereinbarkeit von Pflege und Beruf gemeinsam stärken (Berlin)
  • Folgestudie zu Zwangsverheiratungen in Deutschland (Berlin)
  • Die „Loverboy-Methode“: Dunkelfeld erhellen – sexueller Ausbeutung vorbeugen (Nordrhein-Westfalen)

Die Entschließungen im Wortlaut sowie die Beschlüsse mit Begründung sind zu finden auf der Seite der Gleichstellungsministerkonferenz unter: www.gleichstellungsministerkonferenz.de/Beschluesse.html

Quelle: Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung Mecklenburg-Vorpommern vom 25.06.2020

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