Digitalisierung und Medien
Politische Relevanz von Medienabhängigkeit - Bundesdrogenbeauftragte im Gespräch mit Experten
Experten sind sich sicher, dass die Internetabhängigkeit im Zuge der digitalen Revolution in den nächsten zehn Jahren weiter zunehmen wird. Die Bundesdrogenbeauftragte informiert sich im Gespräch mit Experten über das Krankheitsbild, aktuelle und zukünftige Behandlungsmöglichkeiten sowie Präventionsmaßnahmen.
26.08.2015
Bis zu einer Million Menschen in Deutschland gelten als medienabhängig, das heißt süchtig vor allem nach Internet und Computerspielen. Experten sind sich sicher, dass die Internetabhängigkeit im Zuge der digitalen Revolution in den nächsten zehn Jahren weiter zunehmen wird. Mit dieser neuartigen Suchterkrankung gehen Depressionen, soziale Ängste sowie Störungen von Aufmerksamkeit und Aktivität (ADHS) einher.
Die Entwicklung ist besorgniserregend und hat die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler dazu bewogen, im Rahmen ihrer Sommertour die Medienambulanz der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL-Universitätsklinikums Bochum zu besuchen, um sich im Gespräch mit Experten über das Krankheitsbild, aktuelle und zukünftige Behandlungsmöglichkeiten sowie Präventionsmaßnahmen zu informieren.
"Wir freuen uns, dass die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler in diesem Sommer in unserer Bochumer LWL-Klinik Station macht und das Gespräch mit den Experten sucht", so Prof. Dr. Meinolf Noeker, LWL-Krankenhausdezernent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).
Neben Noeker wurde die Bundesdrogenbeauftragte von Klinikdirektor Prof. Stephan Herpertz, Oberarzt PD Dr. Bert te Wildt, Leiter der Medienambulanz, Prof. Alexander Markowetz, Institut für Informatik der Universität Bonn, und Prof. Christian Montag, Institut für Psychologie und Pädagogik der Universität Ulm, in Empfang genommen. Bei einer Führung durch die Klinik machte sie sich persönlich ein Bild von der Arbeit der Medienambulanz und konnte sich im Gespräch mit einem Betroffenen davon überzeugen, dass die modernen Behandlungskonzepte der Bochumer Klinik Wirkung zeigen. "Uns ist sehr daran gelegen, unsere Projekte vorzustellen und uns über Perspektiven hinsichtlich der Behandlung und Prävention von Internetabhängigkeit auszutauschen", betont der Leiter der Medienambulanz. "Es ist wichtig, auch über die gesundheitlichen Gefahren des Internets zu reden."
Medien können Erwachsene wie Kinder krank machen
Seit vielen Jahren befasst sich te Wildt mit Abhängigkeitsphänomenen rund um Cybersex, Online-Spielsucht und Social Media und stellt fest, dass es Erwachsene wie Kinder krank machen kann. Zu seinen Patienten zählen vor allem junge Menschen, die zudem noch unter Depressionen leiden und schlimmstenfalls sogar suizidal sind. Seine wissenschaftlichen Beobachtungen und Erfahrungen als Mediziner hat er in diesem Jahr in einem Buch zusammengefasst: "Digital Junkies - Internetabhängigkeit und ihre Folgen für uns und unsere Kinder". In die Mediensprechstunde kommen unter anderem online-spielsüchtige Heranwachsende ab 18 Jahren, die bis zu 16 Stunden am Tag ununterbrochen spielen. Sie vernachlässigen ihre Körperpflege, Ernährung und Gesundheit, haben soziale Probleme im persönlichen Umfeld und sind nicht mehr in der Lage, Leistungen in Schule, Ausbildung und Beruf zu erbringen.
"Fest steht, dass die Betroffenen dringend einer Therapie bedürfen, Behandlungsangebote allerdings noch rar sind", konstatiert te Wildt. Seitens der Kostenträger fehlt überdies noch die vollständige diagnostische Anerkennung der Internetabhängigkeit als eigenständiges Krankheitsbild.
Potenzial der digitalen Technologie
Dass Potenzial auch in den digitalen Technologien selbst steckt, um Menschen darin zu unterstützen, sich vor Internetabhängigkeit zu schützen oder zu befreien, zeigen die bemerkenswerten Forschungsansätze von Prof. Markowetz und Prof. Montag. Auf dem Gebiet der Psychoinformatik haben sie vor allem mit der Entwicklung der App "Menthal" Aufsehen erregt. Mit ihrer Hilfe können die Nutzer von Smartphones ein Bewusstsein und eine Kontrolle über exzessive oder süchtige Verhaltensweisen erlangen. Tools dieser Art können somit sowohl in der Prävention als auch in der Therapie von Internetabhängigen einen nachhaltigen Beitrag leisten.
Fazit: Das heutige Treffen von Politik, Informatik, Psychologie und Medizin ergab richtungsweisende Aufschlüsse zu innovativen Lösungen und Perspektiven bei der Behandlung von Internetabhängigkeit.
Quelle: Landschaftsverband Westfalen-Lippe vom 25.08.2015
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