Fachtag

Rassismus kommt auf leisen Sohlen ins Kinderzimmer

Das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk e.V. (IBB) hat am 06. Oktober 2021 zum zweiten Fachtag „Schwarz, weiß, bunt – so what?“ im Rahmen des EU-geförderten Projektes fokus4 ins Haus der Vielfalt in Dortmund eingeladen.

11.10.2021

Rassismus kommt auf leisen Sohlen ins Kinderzimmer: Er beginnt in Kinderliedern und Kinderbüchern, die auf den ersten Blick unverdächtig erscheinen, und verfestigt in früher Kindheit Stereotype, die im späteren Leben in handfeste Gewalt münden können.

„Wenn wir Kindern das Gefühl vermitteln, dass sie kein Teil der Bevölkerung sind, stoßen wir einer wachsenden Zahl von Menschen vor den Kopf und verlieren sie für ein gesamtgesellschaftliches Vorankommen“, mahnte Serge Palasie, Referent vom Eine-Welt-Netz NRW e.V..

Workshop

Gamze Alkan, Projektreferentin im IBB e.V., hatte den zweiten Fachtag mit einem Video über eine rassistisch motivierte Auseinandersetzung in einem Supermarkt eröffnet. „Wir haben das so gelernt“, hatte der 71 Jahre Mann gesagt, der einen 32-jährigen aus nichtigem Anlass mit dem „N*Wort“ beim Kauf von Schokoküssen beschimpft und attackiert hatte. „Dies führt uns einmal mehr vor Augen, dass es eine große Rolle spielt, was bereits Kinder lernen“, sagte die IBB-Referentin.

Mitarbeitende aus Kindertageseinrichtungen, Schulen, Bibliotheken, Beratungsstellen und Familienbildungsstätten aus Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Euskirchen, Köln, Leverkusen und Münster arbeiteten in vier Workshops an der Frage, wie die Erziehung von Kindern und Jugendlichen diversitätsfreundlich gestaltet werden kann.

Sie untersuchten in Workshops Schulbücher, Kinderbücher und Kinderlieder, Alltagssprache und Fallbeispiele. Schon die scheinbar unverfängliche Frage in einem Kinderbuch: „Wie feiert man Weihnachten bei uns und anderswo?“ grenze ein „Wir“ ab von „den Anderen“. Unterschiedliche Lebenserfahrungen und Kulturen von Menschen in Deutschland würden in vielen Medien schlicht nicht berücksichtigt. In Liedern und Schulbüchern für Ältere fanden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Beispiele für eine eurozentrische Sicht, die Europäer (zumeist männlich und Weiß aus „Mutterländern“ genannten ehemaligen Kolonialmächten) als Nachfahren von Entdeckern präsentieren. Menschen aus anderen Kontinenten hingegen werden als hilfsbedürftig und unterentwickelt dargestellt.

Auswahl von Medien

Bei der Auswahl von Medien sei es daher wichtig, sie auch aus der Perspektive von Angehörigen der BIPoC-Communities zu betrachten. Kinderbücher und Kinderlieder sollten den Horizont erweitern und die Empathie fördern, forderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie kritisierten, dass Diversität in der Ausbildung von Erziehenden und Lehrkräften bisher kaum eine Rolle spielt. Mehr noch: „Einige Medien muss man erst kaufen, um die Inhalte beurteilen zu können“, bemängelte Nastassja Ott, Referentin vom Eine-Welt-Netz NRW e.V.. Diese Mühe sollten Eltern und Erziehende nicht scheuen, so ihr Tipp, gerade weil Kinder sich häufig zum Lesen, Anschauen oder Hören zurückziehen und einen kritischen Umgang mit Medien erst erlernen müssen.

Diversitätsfreundliche Sprache

Einen breiten Raum nahmen daneben auch die Diskussionen über eine diversitätsfreundliche Sprache und angemessene Reaktionen in Konfliktsituationen ein. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beklagten „Plastikworte“, wie Inklusion, die im Erziehungsalltag kaum auf ihre Inhalte überprüft werden, und sprachliche „Farbgefängnisse“, in die Menschen mit nicht-weißer Haut eingesperrt werden. „Wir sollten bei aller Kritik an ‚falschen Begriffen‘ aber auch nicht Menschen abwerten, die es vielleicht einfach nicht besser wissen“, mahnte eine Teilnehmerin.

„Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass eine diversitätsfreundliche und genderneutrale Sprache Kinder mutiger macht“, sagte Referentin Nastassja Ott. „Vielleicht finden wir in Zukunft neue Begriffe, mit denen wir alle gut leben können.“

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lobten am Ende den intensiven Austausch und wünschten sich eine Fortsetzung unter anderem über strukturellen Rassismus.

Quelle: Internationales Bildungs- und Begegnungswerk e.V. in Dortmund (IBB)

Redaktion: Pia Kamratzki

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