Demokratie

Antisemitismus-Prävention an Hamburgs Schulen

Die Hamburger Schulbehörde will die Antisemitismus-Prävention an Hamburgs Schulen stärken. Dafür kommen jetzt flächendeckend moderne Unterrichtsmaterialien zum Einsatz, die von der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte „Yad Vashem“ in Jerusalem entwickelt und an Modellschulen in Hamburg bereits erfolgreich erprobt wurden.

26.11.2018

Schulsenator Ties Rabe erklärte zur Übergabe der 500 Yad Vashem-Koffer an Hamburgs Schulen: „Aktuelle gesellschaftliche Entwicklung zeigen deutlich auf, dass nicht nur Demokratie ständig neu erlernt werden muss, sondern auch die Erinnerung an und die Auseinandersetzung mit dem Holocaust immer wieder erneuert und weiterentwickelt werden müssen. Ich freue mich, dass jetzt wegweisende Unterrichtsmaterialen für Hamburgs Schulen und Fortbildungseinheiten für Lehrkräfte zur Verfügung stehen.“

Erfolgreiche Erprobung in mehreren Modellprojekten

Dafür durften vom Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung exklusiv 500 Koffer mit Unterrichtsmaterial nachgedruckt werden. Dieses Unterrichtsmaterial wurde von der „International School of Holocaust Education Yad Vashem (ISHS)“ entwickelt und bereits modellhaft unter anderem an der Stadtteilschule Mümmelmannsberg und am Gymnasium Klosterschule (St. Georg) erfolgreich erprobt. In der Unterrichtseinheit „Was geht mich Geschichte an? Den Holocaust im 21. Jahrhundert unterrichten“ sollen Schülerinnen und Schüler sechs Wandausstellungen konzipieren und diese mit einem Zeitstrahl und einer Landkarte kombinieren, so dass die Lebenswege der Protagonisten in Form von „Geschichtsalben“ nachvollzogen werden können. Es wird Geschichte rekonstruiert, indem (persönliche) Geschichten erzählt werden.

Exkursion und interdisziplinäre Tagung

Auf Landesfachkonferenzen für Geschichte/Gesellschaftswissenschaften sind die neuen Unterrichtsmaterialien für Sekundarstufe I und II (ab Klasse 9) bereits vorgestellt und in den möglichen Unterrichtseinsatz eingeführt worden. Je Fachschaft stehen zwei Materialpakete zur Verfügung. Im Schuljahr 2018/19 finden zudem am Landesinstitut eine Reihe von Fortbildungen zu dem Unterrichtsprojekt statt, sowie eine Exkursion nach Yad Vashem (Jerusalem). Die Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte werden von drei Lehrern durchgeführt, die den Einsatz der Materialien an ihren Schulen bereits erprobt hatten. Für Ende 2019 ist außerdem eine interdisziplinäre Tagung für Lehrkräfte der Fächer Geschichte, PGW (Politik-Gesellschaft-Wirtschaft) und Religion geplant, die gemeinsam von Landesinstitut und Senatskanzlei durchgeführt wird.

Aktiv Toleranz vermitteln

Schulsenator Ties Rabe betonte: „Dem Zentralrat der Juden in Deutschland zufolge nehmen antisemitische Vorfälle offenbar vor allem im großstädtischen Milieu zu. Auch wenn an Hamburgs Schulen nur Einzelfälle gemeldet wurden, ist es wichtig, dass unsere Lehrkräfte Hamburgs Schülerinnen und Schüler den Schülern aktiv Toleranz vermitteln und sie fördern. Unsere Kinder und Jugendlichen müssen lernen, andere Positionen zu achten. Teil dieser Demokratieerziehung ist auch die Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Die neuen modernen Unterrichtsmaterialien unterstützen dabei.“

Geschichtsvermittlung in Verbindung mit Demokratieerziehung

Im Rahmen des Abkommens zwischen Yad Vashem und der Schulbehörde kooperiert das Landesinstitut mit Israel und der „International School of Holocaust Education Yad Vashem (ISHS)“ und führt regelmäßig Seminare zu Antisemitismus und Holocaust Education durch und bietet Fortbildungsreisen nach Yad Vashem (Jerusalem) an. Yad Vashem publiziert eine große Anzahl von Schüler- und Lehrermaterial für den Bereich der Holocaust-Education, die für Lehrkräfte bei den Seminaren in Yad Vashem zu erwerben sind. Das jetzt neu eingesetzte Material eignet sich besonders für die Arbeit mit Hamburger Mittelstufenklassen ab Klasse 9. Moderne Unterrichtsmaterialien dieser Art und des besonderen Ansatzes von Yad Vashem sind auf dem deutschen Markt kaum erhältlich. Sie eignen sich nicht nur für Geschichtsvermittlung und Holocaust Education, sondern vor allem zur Verbindung mit Demokratieerziehung. Die Materialien bieten vielfältige Anknüpfungspunkte für Schülerinnen und Schüler verschiedener Hintergründe

Beratungs- und Fortbildungsangebot zu Extremismus und Antisemitismus

Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) bietet im Regelangebot schulinterne und zentrale Beratungs- und Fortbildungsangebote für Lehrkräfte an Hamburger Schulen zu Islamismus, Islamfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus an. Das Beratungsteam ist auch regelhaft für das Thema Antisemitismus zuständig. Eine 2016 geschlossene Kooperationsvereinbarung des LI mit der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus sieht neben dem fachlichen Austausch regelmäßige Seminarveranstaltungen vor. Das LI berät die Schulen sowie einzelne Lehrkräfte im Umgang mit Betroffenen und verweist in der Opferbetreuung auf die Beratungsstellen empower und das MBT.

Die Kooperation zwischen dem Landesinstitut und Yad Vashem

Die bestehende Kooperation zwischen dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) und der International School for Holocaust Studies (ISHS) Yad Vashem ist langjährig gewachsen und wird seit 2011 aktiv gepflegt und gefördert. Diese Kooperation wird seit 2015 auf Grundlage des zwischen Hamburg und der ISHS abgeschlossenen Kooperationsvertrages weiter ausgebaut. Die Kooperation umfasst Fortbildungen für Lehrkräfte, Austauschtreffen, Tagungen, Studienfahrten für Lehrkräfte, Materialentwicklung. Weitere Informationen dazu finden sich auf der Webseite der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung.

Die jüdischen Gemeinden in Hamburg und die Synagoge sind wichtige Kooperationspartner und Lernorte für die Hamburger Schulen. Der interreligiöse Religionsunterricht fördert die Dialogkompetenz und die Toleranz gegenüber allen Glaubenseinstellungen und vermittelt Begegnungen mit dem Judentum und jüdischen Menschen als lebendige, vielfältige Religion. Für den interreligiösen Religionsunterricht ist eine eigene Buchreihe (Reihe "Interreligiös-dialogisches Lernen") entwickelt und herausgegeben worden, die jüdische Theologen und Lehrkräfte als Autoren einbindet und so authentische Materialien aus der Binnenperspektive anbietet.

Hintergrund

Landesprogramm „Hamburg - Stadt mit Courage“

Das 2013 verabschiedete Landesprogramm zur Förderung demokratischer Kultur, Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus „Hamburg - Stadt mit Courage“ bildet den Rahmen der Prävention von Rechtsextremismus, Antisemitismus und weiteren Ideologien der Ungleichwertigkeit. Das Landesprogramm greift dabei das von Wilhelm Heitmeyer  entwickelte Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) auf, welches davon ausgeht, dass Vorurteile und abwertende Einstellungen gegenüber unterschiedlichen Menschengruppen oft in Zusammenhang stehen. Wer rassistische Einstellungen hegt, vertritt wahrscheinlich auch häufiger muslimfeindliche, antisemitische oder homophobe Haltungen. Alle „Fremden“ oder „Anderen“ werden als ähnlich oder sogar als identisch wahrgenommen und eingeordnet in eine Kategorie von Menschen, die man verabscheut. Eigenschaften des „Anderen“ werden pauschalisiert und verallgemeinert. Das Programm wird seit 2013 beständig weiterentwickelt und mit Projekten unterlegt, so dass das Handlungsfeld strategisch, fachlich und projektbezogen gut aufgestellt ist.

Demokratieförderung: Prävention Menschen- sowie Demokratiefeindlichkeit in der Schule

Demokratieförderung und damit eine frühzeitige Prävention rechter Einstellungen ist integraler Bestandteil der pädagogischen Arbeit sowohl in der frühkindlichen Bildung als auch in Vorschulen, Schulen, Jugendverbänden und -einrichtungen sowie im Sport. Es ist Aufgabe der Schule, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen und ihre Bereitschaft zu stärken, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Achtung und Toleranz, der Gerechtigkeit und Solidarität sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, an der Gestaltung einer der Humanität verpflichteten demokratischen Gesellschaft mitzuwirken und für ein friedliches Zusammenleben der Kulturen sowie für die Gleichheit und das Lebensrecht aller Menschen einzutreten.

Der allgemeine Bildungs- und Erziehungsauftrag bindet alle in Schule und Unterricht pädagogisch Tätigen unmittelbar. Vor diesem Hintergrund haben extremistische und antisemitische Äußerungen in Schulen keinen Platz und ist diesen, so sie in Schule und Unterricht auftreten, aktiv erzieherisch entgegenzuwirken. Die Prävention von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie dem Antisemitismus ist insofern eine grundsätzliche Aufgabe von Schule für alle Fächer und Lehrkräfte.

Quelle: Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung vom 20.11.2018

Back to Top