Wohnungslosenstatistik

Verbände kommentieren neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes

In Anbetracht der erneut veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes über die Anzahl wohnungsloser Menschen, die in Einrichtungen untergebracht sind, üben die Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische Gesamtverband und die Diakonie Deutschland deutliche Kritik an den Aktivitäten der Bundesregierung.

07.08.2023

Zum Stichtag 31. Januar 2023 waren 372.000 Menschen in Einrichtungen der Kommunen und Wohlfahrtsverbände untergebracht. Das ist mehr als das Doppelte im Vergleich zum vorigen Stichtag am 31.01.2022 (178.000).

Reaktionen der Verbände

Arbeiterwohlfahrt

Die AWO schätzt die tatsächliche Zahl von Menschen ohne Wohnung deutlich höher ein, da die amtliche Statistik nicht diejenigen umfasst, die auf der Straße leben oder die bei Freund*innen und Verwandten unterkommen. Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt, kommentiert weiter:

„Mit der zunehmenden Zahl an wohnungslosen Menschen steigen unsere Erwartungen an den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Überwindung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030. Wir sehen die Bundesregierung in der Pflicht, gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Bisher ist hier zu wenig passiert, die Politik zeigt sich zu wenig mehr als Lippenbekenntnissen bereit. So ist der Nationale Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit bisher ein zahnloser Tiger ohne echte Maßnahmenpläne. Zudem werden die Betroffenen-Verbände bisher nicht am Prozess beteiligt. Von Armut betroffene Menschen dürfen nicht weiter Gefahr laufen, in die Wohnungslosigkeit abzurutschen. Und für bereits wohnungslose Menschen muss eine adäquate Unterstützung bereitgestellt werden, um aus der Wohnungslosigkeit wieder herauszukommen. Zentral ist nicht zuletzt: Die Sozial- und Wohnungspolitik gehören ganz oben auf die politische Agenda, wenn der Nationale Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit nicht wirkungslos verpuffen soll.“

Der Paritätische Gesamtverband

„Die Statistik stellt ein verheerendes wohnungspolitisches Zeugnis dar“, kommentiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. „Wer in einer Notunterkunft leben muss, ist auf dem Wohnungsmarkt meist chancenlos“, so Schneider weiter. Angesichts der Nachricht über den weiteren Rückgang des Sozialwohnungsbestandes zu Beginn der Woche sei das Ergebnis noch alarmierender.

Ein Teil des Anstiegs der Statistik geht zurück auf Menschen aus der Ukraine, die vor dem russischen Angriffskrieg zu uns fliehen. Aber tatsächlich ist ein Anstieg von Menschen in Notunterkünften in allen Teilen der Bevölkerung zu verzeichnen. Die Gründe sind bekannt:  Kündigungen, Mietschulden, Erkrankungen oder häusliche Gewalt. Ist die Wohnung erstmal weg, finden die wenigsten schnell etwas Neues. Besonders besorgt es Ulrich Schneider, dass Paare mit Kindern die größte Gruppe in der Statistik darstellen: „Es ist traurig, wenn ein Kind in einer Notunterkunft aufwächst, weil zunehmend bezahlbare zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen fehlen.“

Der Paritätische fordert einen schnellen Kurswechsel auf dem Wohnungsmarkt:

„Statt der ewigen Ankündigungen, jetzt den sozialen Wohnungsbau wieder ankurbeln zu wollen, brauchen wir Taten und harte Fakten. Die Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte haben hier gepennt. Das Ergebnis kann man in Notunterkünften besuchen”,

meint Ulrich Schneider. Weiterhin spricht sich der Paritätische für eine schnelle Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit aus, die im aktuellen Koalitionsvertrag steht und bisher nicht umgesetzt wurde.

Diakonie Deutschland

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik Diakonie Deutschland, kommentierte die jüngst veröffentlichten Zahlungen wie folgt:

„Wohnungslosigkeit ist kein Schicksal, sondern ein lösbares Problem. Es gibt ausreichend Vorschläge und Empfehlungen, um Wohnungslosigkeit zu überwinden. Sie müssen konsequent umgesetzt und finanziert werden. Der angekündigte Nationale Aktionsplan der Bundesregierung muss konkrete Maßnahmen enthalten und darf sich nicht bloß auf Absichtserklärungen beschränken. Denn wohnungslose Menschen haben aktuell auf dem unsozialen freien Wohnungsmarkt keine Chance. Deshalb braucht es einen Neustart für eine soziale Wohnungspolitik, die den Zugang zu Wohnraum für wohnungslose Menschen gewährleistet.”

Quelle: Arbeiterwohlfahrt AWO vom 02.08.2023, Paritätische Gesamtverband vom 02.08.2023 und Diakonie Deutschland vom 02.08.2023

Redaktion: David Bienias

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