Psychische Gesundheit in Europa und Zentralasien

Mädchen schneiden schlechter ab als Jungen

Die psychische Gesundheit und das seelische Wohlbefinden sind bei Mädchen durchweg schlechter als bei gleichaltrigen Jungen; dies geht aus einem neuen Bericht des WHO-Regionalbüros für Europa hervor, der heute, am Welttag der psychischen Gesundheit, veröffentlicht wurde. Diese Kluft verschärft sich mit dem Alter sogar noch, wobei die Ergebnisse bei 15-jährigen Mädchen am ungünstigsten sind.

02.11.2023

Diese Kluft verschärft sich mit zunehmendem Alter sogar noch, wobei die Ergebnisse bei 15-jährigen Mädchen am ungünstigsten sind.

Der Bericht mit dem Titel „Psychische Gesundheit und seelisches Wohlbefinden von Jugendlichen in Europa und Zentralasien“ basiert auf Daten aus der Studie über das Gesundheitsverhalten von Kindern im schulpflichtigen Alter (HBSC-Studie) 2021/2022, in der das Gesundheitsverhalten und die sozialen Umfelder von fast 280 000 Jungen und Mädchen im Alter von 11, 13 und 15 Jahren aus 44 Ländern in Europa und Zentralasien untersucht wird.

Dabei schnitten Mädchen in Bezug auf Lebenszufriedenheit, seelisches Wohlbefinden und Einschätzung der eigenen Gesundheit durchweg schlechter ab als Jungen und berichteten auch häufiger von Einsamkeit. Etwa ein Viertel der 15-jährigen Mädchen gab an, sich im vergangenen Jahr meistens oder immer einsam gefühlt zu haben, verglichen mit etwa einem Siebtel der Jungen.

Ein durchgängiges Muster 

Auch wenn hierbei die COVID-19-Pandemie und die zu ihrer Eindämmung ergriffenen Maßnahmen eine Rolle gespielt haben dürften, so sind sie doch nicht die einzige Erklärung. Vielmehr zeigen die Lebenszufriedenheit von Jugendlichen, insbesondere von Mädchen, und die Bewertung der eigenen Gesundheit seit 2018 eine negative Tendenz, also schon vor der Pandemie, während viele gesundheitliche Beschwerden – wie Schlafstörungen, Rücken- oder Kopfschmerzen oder Niedergeschlagenheit – seit 2014 zunehmen. 

„Ich glaube, viele Mädchen machen sich selbst runter, weil sie sich fragen: ,Bin ich gut genug? Bin ich stark genug? Kann ich was?‘, antwortete ein Mädchen aus einer weiterführenden Schule in Schottland auf die Frage nach den Ergebnissen. „Sie machen sich selbst runter und geben sich für alles Mögliche die Schuld. Sie akzeptieren sich nicht so, wie sie sind.“

„Die Herausforderungen, mit denen junge Menschen heute konfrontiert sind, sind vielfältig und belastend und reichen von der Klimakrise über schulischen Druck und gesellschaftliche Erwartungen bis hin zum allgegenwärtigen Einfluss der sozialen Medien“, sagte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Es ist unsere kollektive Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sie die Unterstützung und die Ressourcen erhalten, die sie zur Bewältigung dieser Herausforderungen benötigen. Erst im letzten Monat hat das WHO-Regionalbüro für Europa das Netzwerk Youth4Health ins Leben gerufen, das jungen Menschen in Entscheidungen, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden betreffen, einen Sitz am Tisch verschafft. Am heutigen Welttag für psychische Gesundheit stehen wir zusammen, um die wesentliche Bedeutung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen zu unterstreichen.“

Die Umfrage kam auch zu dem Ergebnis, dass sich ein:

  • Drittel der Jugendlichen in den letzten sechs Monaten mehr als einmal pro Woche nervös oder reizbar fühlte.
  • Etwa ein Viertel berichtete von Schlafproblemen (29 %) oder Niedergeschlagenheit (25 %).
  • Ein Fünftel (20 %) berichtete von Kopfschmerzen mehr als einmal pro Woche.

Der Bericht bekräftigt auch die seit Langem vorliegenden Erkenntnisse, dass der sozioökonomische Status ein Indikator für die psychische Gesundheit ist, wobei der allgemeine Gesundheitszustand bei Jugendlichen aus weniger wohlhabenden Familien schlechter ist. 

Frühe Interventionen mit Schwerpunkt auf Schulen 

Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, frühzeitig einzugreifen. Zwar benötigen nicht alle Jugendlichen, die über eine schlechte psychische Verfassung klagen, eine ärztliche Behandlung, etwa durch einen Psychiater, doch brauchen sie eine solche Behandlung oft doch, wenn diese Beschwerden nicht sofort angegangen werden. 

Schulen werden in diesem Zusammenhang als ein besonders wichtiger Ort hervorgehoben, da sie in den meisten Ländern die erste Anlaufstelle für Jugendliche mit psychischen Problemen sind. Wenn die Schulen in einigen Programmen zur Förderung der psychischen Gesundheit und zur Prävention in den Mittelpunkt gerückt werden, zahlt sich die Investition in die Verbesserung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen am meisten aus.

Schüler, die eine speziellere Unterstützung benötigen, können von den Schulen an andere gemeindenahe Angebote verwiesen werden, etwa in Krankenhäusern und kommunalen Zentren für psychische Gesundheit.

Ein Fundament für einen ganzheitlichen Ansatz für Gesundheit und Wohlbefinden

Die Überwachung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, z. B. durch die HBSC-Studien, kann dazu beitragen, die Auswirkungen nationaler oder regionsweiter Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit und des seelischen Wohlbefindens zu bestimmen. Jo Inchley, internationale Koordinatorin der HBSC-Studie, erklärte:

„Mit ihren langfristigen Trends ermöglicht es uns die HBSC-Studie, die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels insgesamt sowie der individuellen Lebensgewohnheiten auf gesundheitliche Resultate bei Jugendlichen zu beobachten. Wichtig ist, dass wir von den jungen Menschen selbst erfahren, welche Themen für sie wichtig sind und welche Faktoren ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden beeinflussen. Obwohl es viele Herausforderungen zu bewältigen gibt, zeigen die Daten auch, wie wichtig es ist, ein liebevolles und unterstützendes Umfeld zu schaffen, in dem sich die Jugendlichen entfalten können.“

Abschließend stellte Dr. Kluge fest:

„Die Ergebnisse dieser Studie sind ernüchternd. Junge Menschen sagen uns, dass es ihnen nicht gut geht, und es liegt an uns, als Erwachsene, als Entscheidungsträger, ihnen zuzuhören und zu handeln. Unsere Umfrage unterstreicht den dringenden Bedarf an mehr maßgeschneiderten Interventionen für Mädchen und Frauen im Bereich der psychischen Gesundheit: in unseren Schulen, zu Hause und in der Gesellschaft insgesamt. Und auch wenn Jungen vielleicht nicht in gleichem Maße über psychische Probleme berichten, so müssen sie doch dafür sensibilisiert werden, bei sich und anderen auf Anzeichen von Stress, Angstzuständen oder Einsamkeit zu achten. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass die psychische Gesundheit in unserer Region wirklich überall eine Rolle spielt.“

Beteiligte Länder und Regionen:

Albanien, Armenien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grönland, Irland, Island, Italien, Kasachstan, Kirgisistan, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande (Königreich der), Nordmazedonien, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Republik Moldau, Rumänien, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tadschikistan, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich (England, Schottland und Wales) und Zypern.

Quelle: WHO am 10.10.2023

Redaktion: David Bienias

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