Jugendpolitik

Neues Positionspapier der AGJ zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ fordert in einem neu verabschiedeten Positionspapier Staat und Gesellschaft auf, den Schutz, die Förderung und die Partizipation von Kindern und Jugendlichen im Grundgesetz zu stärken.

11.12.2015

Der Forderung nach einer Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz wird meist entgegengehalten, dass, unter Berücksichtigung der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Kinder bereits von ihrer Geburt an, wie Erwachsene, uneingeschränkte Träger aller Grundrechte seien und daher eine rechtliche Notwendigkeit für eine explizite Erwähnung der Kinderrechte im Grundgesetz nicht bestehe. Bisher sind allerdings nur Eltern explizit im Grundgesetz genannt, deren Recht und "die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht" (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) es ist, ihre Kinder zu erziehen. Das Grundgesetz sieht Kinder und Jugendliche vorwiegend aus dem Blickwinkel der Zugehörigkeit zu ihren Sorgeberechtigten und teilt ihnen damit im Prinzip die Rolle als Bezugspunkt elterlicher und staatlicher Sorge (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG; § 1 Abs. 2 SGB VIII) zu.

Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz

Aus Sicht der AGJ spiegelt eine solche Stellung von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft die Art und Weise, wie sie im öffentlichen Bewusstsein wahrgenommen werden, nicht umfassend genug wider. Die AGJ nimmt daher erfreut wahr, dass es in Deutschland inzwischen eine breite Unterstützung für die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung gibt und begrüßt die zahlreichen Initiativen hierzu.

Die in der AGJ organisierten Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe sind sich ebenfalls einig: der Schutz, die Förderung und die Partizipation von Kindern und Jugendlichen sind im Grundgesetz zu stärken. Hierfür müssen Staat und Gesellschaft ihr Handeln stärker als bisher auf ihr Wohl ausrichten.
Daher unterstützt die AGJ insbesondere jene Vorschläge, die eine Verankerung von Kinderrechten im Artikel 2 GG vorsehen. In einem hinzuzufügenden Absatz des Artikels sollte, aus Sicht der AGJ, deutlich werden, dass jedes Kind und jede(r) Jugendliche ein Recht auf Entwicklung zu einer freien, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat und der Staat dies durch seine Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung fördert. Die Verankerung in einem neuen Absatz des Art. 2 GG wäre begründet aus der individuellen Subjektstellung von Kindern und Jugendlichen, die nicht aus dem Zusammenhang von Ehe, Familie oder Eltern abgeleitet ist und könnte somit den besonderen Bedingungen von Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung zu einer eigenständigen Persönlichkeit gerecht werden. Elternrechte und Kinderrechte stehen dabei nicht im Widerspruch, sondern sind als zwei Seiten einer Medaille im Interesse des Kindeswohls zu verstehen.

Eine Änderung im Grundgesetz in diesem Sinne hätte rechtlich klare Auswirkungen. In Zukunft würden Gesetze und Maßnahmen, die für die Gestaltung der Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen in besonderer Weise von Bedeutung sind, auch aus ihrer Perspektive zu denken sein und ihr Recht auf Entwicklung zu einer freien, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit müsste ernstzunehmend gestärkt werden. Dies würde beispielsweise auch dem derzeit im Zuge der Reformbemühungen im SGB VIII formulierten Anliegen entsprechen, den Anspruch auf Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII nicht mehr ausschließlich aus der Perspektive von Personensorgeberechtigten zu formulieren. Vielmehr müsste durch individuelle Rechtsansprüche der Kinder und Jugendlichen selbst, der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung erweitert werden, um ihre Subjektstellung zu stärken und ihrem in der Verfassung festgeschriebenen Recht Rechnung zu tragen <link https: www.jugendhilfeportal.de hze artikel agj-verabschiedet-empfehlungen-zur-weiterentwicklung-und-steuerung-der-hilfen-zur-erziehung external-link-new-window das positionspapier zur weiterentwicklung und steuerung der hilfen>(siehe auch AGJ-Positionspapier "Empfehlungen zur Weiterentwicklung und Steuerung der Hilfen zur Erziehung").

Auch das 2013 im Koalitionsvertrag der Bundesregierung formulierte und aus Sicht der AGJ wichtige Anliegen, einen Jugend-Check entwickeln zu wollen, "um Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Interessen der jungen Generation zu überprüfen", würde durch die Verankerung der Rechte Minderjähriger im Grundgesetz gestärkt werden und eine ernstzunehmende Umsetzung finden müssen.

Das komplette Positionspapier steht zum <link file:15109 _blank download file>Download (PDF, 84 KB) zur Verfügung.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe AGJ

Redaktion: Kerstin Boller

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