Kinderrechte

Zur Situation unbegleiteter geflüchteter Kinder und Jugendlicher in Deutschland

Der „Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ (BumF) kritisiert die Schlussfolgerungen des aktuellen Berichtes zur Situation unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher des Bundesfamilienministeriums, in dem die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung als „weitestgehend rechtssicher und kindeswohlgerecht“ gewertet wird.

19.06.2023

„Von weitestgehend rechtssicher und kindeswohlgerecht kann keine Rede sein! “ sagt Johanna Karpenstein, Referentin des BumF. „Das Verteilgesetz manifestiert Kindeswohl und Beteiligung zwar im Gesetz, schreibt jedoch ein Prozedere vor, in dem beides unzureichend Umsetzung findet“. Dies bestätigt sich in der Onlineumfrage unter Fachkräften des BumF 2021, die aktuell angespannte Unterbringungs- und Versorgungssituation verschärft die Lage zusätzlich.

Kindeswohl und Beteiligung im Verteilgesetz?

Gerade für die vorläufige Inobhutnahme werden in der Onlineumfrage des BumF 2021 massive Defizite sowohl in der unabhängigen Beratung und Beteiligung junger Menschen als auch im Rahmen des Rechtsschutzes, also der Möglichkeit, gegen als falsch oder nicht kindeswohlfördernd wahrgenommene Entscheidungen vorzugehen, identifiziert. Da dies durch die Befragten auch mit Personalnot begründet wird ist von einer weiteren Verschlechterung auszugehen.

Fristen oder tatsächliche Dauer von Alterseinschätzung und Verteilung?

Gesetzlich vorgesehen ist ein Ausschluss zur Anmeldung am Verteilverfahren, wenn der Beginn der vorläufigen Inobhutnahme länger als einen Monat zurückliegt (§ 42 b Abs. 4, Nr.4), um junge Menschen nicht länger als nötig in einer Warteposition zu halten. Seit einem Urteil des BVerwG aus 2018 beginnt diese Frist jedoch erst mit erfolgter Altersfestsetzung zu laufen. Die Dauer der Wartezeit der jungen Menschen in einem unsicheren Zustand wird damit maßgeblich davon bestimmt, wie groß die Kapazitäten der Jugendämter zur Altersfestsetzung sind.

Qualifizierte und unabhängige Beratung und Begleitung?

Der Bericht des Ministeriums identifiziert mit Blick auf 2022 den Mangel an Fachkräften als größte Herausforderung. Gleichzeitig verweist er auf das Schulungsangebot durch zivilgesellschaftliche Akteure wie Flüchtlingsräte und BumF. Diese Projekte sind jedoch strukturell nicht abgesichert, sondern agieren im Kontext von Projektfinanzierung ohne Bundes- oder Ländermittel auf prekärer Basis!

Der Bundesfachverband umF fordert:

  • die Bundesregierung dazu auf, gerade an denjenigen Stellen nachzubessern, die jenseits der als „weitestgehend“ kindeswohlorienterten Ankommensstruktur auszumachen sind und verursachende strukturelle Ursachen in Verteilgesetz- und praxis grundlegend zu überarbeiten.
  • die aktuellen personellen und logistischen Engpässe in Unterbringung und Versorgung zu Lasten der Kinder und Jugendlichen auszugleichen und hierzu die entsprechenden Mittel und Maßnahmen bereit zu stellen. Hierzu gehört auch, einen fachlich fundierten, qualifizierten Quereinstieg in die Soziale Arbeit zu ermöglichen und entsprechende im Ausland erworbene Qualifizierungen anzuerkennen (Vgl. hierzu das aktuelle Positionspapier „Fachkräftekrise in der Kinder- und Jugendhilfe" der BVkE!
  • eine qualifizierte und unabhängige Vertretung, Beteiligung und Beratung von Beginn an! Zur Wahrung von Kindeswohl durch Beteiligung und Rechtsschutz ist die Finanzierung von unabhängigen und gesondert geschulten Beratungsstellen von Beginn an zu sichern. Die Ombudstellen Jugendhilfe und Jugendmigrationsdienste sind hier entsprechend personell auszustatten, Schulungen sind sicherzustellen. Zudem ist zur Vermeidung von Interessenkollisionen zu Lasten der Minderjährigen im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme die Notfallvertretung von den Jugendämtern auf die Amtsvormundschaft oder Vormundschaftsvereine zu übertragen.

Quelle: Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge BumF vom 08.06.2023

Redaktion: David Bienias

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