UN-Behindertenrechtskonvention

Zu wenig Fortschritte bei Umsetzung von Inklusion und Barrierefreiheit

Aufgrund großer Missstände und struktureller Diskriminierung fordert Aktion Mensch die Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zum schnellen Handeln auf. Vor allem in den Bereichen Bildung, Arbeit, Barrierefreiheit und Wohnen besteht akuter Handlungsbedarf. Eine Internationale Vergleichsstudie konnte zeigen, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten schlecht abschneidet.

15.04.2024

Am 26. März 2009 – vor genau 15 Jahren – trat die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Die Intention war, die Bedingungen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu schaffen. Die derzeitige Realität ist stattdessen geprägt von einer strukturellen Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und erheblichen Barrieren im Alltag. Zu diesem Missstand hat die Aktion Mensch nun eine internationale Vergleichsstudie vorgelegt.

Die Aktion Mensch appelliert vor diesem Hintergrund an die Politik, aber auch an die Wirtschaft und Zivilgesellschaft, dringend gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um Verbesserungen in die Wege zu leiten. Dazu gehören neben notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen auch dringend notwendige Investitionen in Barrierefreiheit sowie die generelle Offenheit für Inklusion und Vielfalt in unserer Gesellschaft.

„Zu viele Sonderstrukturen sowie Benachteiligungen in den Bereichen Bildung, Arbeit und Wohnen verhindern, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Hier besteht akuter Handlungsbedarf, um Inklusion und Barrierefreiheit voranzubringen“,

so Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch.

Erst im August 2023 wurde der Stand der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention hierzulande zum zweiten Mal vom UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung geprüft. Deutschland wurde in den „Abschließenden Bemerkungen“ stark für die unzureichende Umsetzung kritisiert. Aus Sicht der Aktion Mensch hat Deutschland bei der Umsetzung des Menschenrechts auf Inklusion noch viel vor.

Die Sozialorganisation kommentiert die zentralen Kritikpunkte:

  • Sonderstrukturen wie Förderschulen, große Wohneinrichtungen oder Werkstätten: „Deutschland sticht im internationalen Vergleich negativ durch seine Sonderstrukturen heraus. Der Abbau von Sondereinrichtungen ist aber die Voraussetzung für Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe.”
  • Bildung: „Wir brauchen mehr Inklusion an Schulen: Jedes Kind hat ein Recht auf inklusive Bildung. Vom inklusiven Lernen profitieren alle Schüler*innen. Heute verlassen 70 Prozent aller Förderschüler*innen die Schule ohne einen anerkannten Abschluss, was ihnen die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe erheblich erschwert.“
  • Wohnen: „Ein inklusiver und barrierefreier Wohnungsmarkt muss zum Standard werden. Auf dem deutschen Wohnungsmarkt mangelt es erheblich an barrierefreien Wohnungen – zurzeit sind nur rund zwei Prozent aller Wohnungen in Deutschland barrierefrei. Auch angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung ist dies untragbar.“
  • Arbeit: „Menschen mit Behinderung sind beim Zugang zum Arbeitsmarkt nach wie vor stark benachteiligt. Mehr Barrierefreiheit, weniger Sondersysteme und mehr Offenheit bei Arbeitgeber*innen ermöglichen eine inklusive Arbeitswelt. Wir haben rund 310.000 Werkstattbeschäftigte und nur eine sehr geringe Zahl von Übergängen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – weniger als ein Prozent. Dies muss sich dringend ändern, denn so wird eine selbstständige Lebensführung erschwert und es gehen dem allgemeinen Arbeitsmarkt viele Arbeitskräfte verloren.“
  • Barrierefreiheit: „Barrierefreiheit ist aktuell nur für Behörden und öffentliche Einrichtungen, nicht aber für die Privatwirtschaft vorgeschrieben. Das muss sich dringend ändern. Auch privatwirtschaftliche Unternehmen müssen zu Barrierefreiheit verpflichtet werden.“
  • Gesundheitsversorgung: „Hier fehlt es an Barrierefreiheit von Arztpraxen sowie am barrierefreien Zugang zu Informationen.“

Dass Deutschland im Rahmen der zweiten UN-Staatenprüfung auch im Vergleich zu sieben anderen OECD-Staaten schlecht abschneidet, zeigt eine aktuelle Untersuchung der britischen Rechtswissenschaftlerin Dr. Fiona MacDonald im Auftrag der Aktion Mensch. So liegt Deutschland etwa bei der Umsetzung der Rechte des „Täglichen Lebens“ an letzter Stelle, nach Österreich und Ungarn. Die Studie vom Februar 2024 ist die erste wissenschaftlich fundierte Arbeit zum aktuellen Umsetzungsstand der UN-Behindertenrechtskonvention mit einem internationalen Fokus.

Quelle: Aktion Mensch vom 25.03.2024

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