Schutzkonzepte in der Kulturellen Bildung

Langfristige Verpflichtung für Prävention und Kindeswohl

Kinder und Jugendliche müssen in Angeboten der Kulturellen Bildung zuverlässig vor sexualisierter Gewalt und allen Arten von Grenzverletzungen geschützt sein. Fachkräfte müssen wissen, was bei einem Vor- oder Verdachtsfall zu tun ist. Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) setzt sich dafür ein, dass Schutzkonzepte erarbeitet und umgesetzt werden.

22.03.2024

Warum ist Präventionsarbeit wichtig?

Kinder und Jugendliche haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Schutz vor Gewalt und sexuellen Übergriffen. Diese Schutzrechte gelten an allen Orten, an denen Kinder und Jugendliche präsent sind, und in allen Beziehungen, in denen diese stehen. Leider werden diese Rechte oft nicht eingehalten. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind in Deutschland durchschnittlich ein bis zwei Kinder in jeder Schulklasse von sexualisierter Gewalt betroffen. Allein aus diesem Grund ist es wichtig, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und effektive Schutzmechanismen einzuführen. Für Betroffene bedeutet sexualisierte Gewalt eine schmerzvolle und demütigende Erfahrung, die sich nachhaltig und intensiv auf ihr Selbstkonzept, auf unterschiedlichste Lebensbereiche, auf ihre Beziehungen und Bindungen auswirkt. Die Diskussion um den angemessenen Umgang mit Körperlichkeit und Nähe, gerade in kulturellen Bildungsprozessen, ist von grundlegender Bedeutung. Dabei stellen sich Fragen nach Grenzen in der Interaktion und nach Vertrauen, während gleichzeitig der Schutz vor möglichen, auch unabsichtlichen Übergriffen gewährleistet werden muss. Damit Kinder und Jugendliche lernen, ihrem eigenen Gefühl zu trauen, wenn etwas nicht stimmt, müssen sie die Erfahrung machen, dass ihre Gefühle wichtig sind und ernst genommen werden. Wenn beispielsweise ein Kind bei einer Übung etwas nicht tun möchte, ist es entscheidend, es nicht zu überreden, sondern gemeinsam nach einer Lösung zu suchen und die Grenzen des jungen Menschen zu wahren. Schutzkonzepte treten hier als essenzielle Instrumente auf den Plan.

Entwicklung des dachverbandlichen Schutzkonzepts der BKJ

Bereits 2016 hat die BKJ auf Initiative von Johannes-Wilhelm Rörig, dem damaligen Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), den Fachausschuss „Prävention und Kindeswohl“ ins Leben gerufen. Dieser Ausschuss, bestehend aus engagierten BKJ-Mitgliedern, hat eine Schlüsselrolle bei der gemeinsamen Generierung von Fachwissen für die Entwicklung des dachverbandlichen Schutzkonzepts gespielt. Die BKJ hat als Dachverband in der Regel keinen direkten Kontakt zu Kindern und Jugendlichen, das dachverbandliche Schutzkonzept dient nichtsdestotrotz als Leitfaden und Modell für die Trägerstrukturen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung dient. Der Prozess von der Vereinbarung mit dem UBSKM bis zur Verabschiedung des Schutzkonzepts dauerte fünf Jahre, um möglichst eine breite Anzahl an Mitgliedern mitzunehmen und das Thema nachhaltig im Verband zu implementieren. Es wurden weitere zwei Jahre benötigt, um eine aktualisierte Version zu verabschieden, die den Schutz in digitalen Räumen integriert. Hier geht es um Themen wie Cyber-Grooming, Cyber-Mobbing und übergriffige Kommunikation im virtuellen Raum. Derzeit wird an spezifischen Aspekten von Peer-Gewalt gearbeitet. Die Zeitspanne spiegelt die Komplexität und Sorgfalt wider, die in die Entwicklung wirksamer Schutzkonzepte für sichere Räume fließen müssen.

Was macht ein wirksames Schutzkonzept aus?

Sexualisierte Gewalt passiert nicht einfach so – Täter und Täterinnen planen sie. Daher muss der Schutz von Kindern und Jugendlichen in Vereinen und Einrichtungen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung ebenfalls geplant werden, um das Risiko sexualisierter Gewalt zu minimieren. Ein Schutzkonzept dient allen Beteiligten im Projekt, Verein, Einrichtung oder Verband. Es bietet Orientierung, Informationen und Handlungssicherheit, schützt Kinder und Erwachsene und stärkt Mitarbeitende, Honorarkräfte und Ehrenamtliche. Eltern werden bei der Orientierung unterstützt.

Schutzkonzepte sollten nicht nur formale Dokumente sein, sondern lebendig bleiben und regelmäßig auf ihre Aktualität überprüft werden. Sie senden klare Signale an potenzielle Täter und Täterinnen. Dies ist besonders in Bereichen, in denen intensiv und vertrauensvoll mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird, von entscheidender Bedeutung.

Die Begleitung durch externe Fachleute für Prävention gegen sexualisierte Gewalt wird empfohlen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Fortbildungen, die bei der Erstellung von Schutzkonzepten unterstützen (siehe BKJ-Projekt Start2Act).
Das dachverbandliche Schutzkonzept der BKJ besteht aus folgenden Bausteinen mit entsprechenden Handlungsempfehlungen:

  • Leitbild
  • Fragenkatalog zur Durchführung einer Risikoanalyse
  • Maßnahmen zur Prävention von sexualisierter Gewalt
  • Maßnahmen zur Intervention bei Verdachtsfällen oder bei konkreten Fällen sexualisierter Gewalt
  • Maßnahmen zur Aufarbeitung und gegebenenfalls Rehabilitation nach einem Vorfall oder Verdachtsfall

Förderprojekt „Start2Act − Safer Spaces and Participation in the Arts– Creating and Promoting Child Safeguarding Policies“ (2024−2026)

Seit Januar 2024 unterstützt die BKJ mit dem Projekt „Start2Act“ lokale Träger und Verbände der Kulturellen Bildung bei ihrer Entwicklung hin zu sicheren Orten für Kinder und Jugendliche. Das Projekt wird von der Europäischen Union finanziert und beinhaltet die Entwicklung von Handlungsleitfäden, die Implementierung von Schutzkonzepten und die Durchführung von Präventionsprojekten. Weitere Schwerpunkte liegen auf der Qualifizierung, Beratung und dem Fachaustausch. Es werden zudem Materialien für die Praxis entstehen. Das Projekt bietet den nächsten Schritt um das Thema, in die Breite zu tragen.

Was benötigen Einrichtungen und Vereine für gelingende Präventionsarbeit?
Präventionsarbeit ist ein fortlaufender Prozess und Teil einer ganzheitlichen Organisationsentwicklung. Sie kann nur gelingen, wenn eine gemeinsame Haltung und Einigkeit über ihre Notwendigkeit bestehen. Sie erfordert Geduld, Engagement und Schnelligkeit gleichermaßen. Jede Organisation und Einrichtung benötigt ein maßgeschneidertes Schutzkonzept, das auf ihre spezifischen Bedürfnisse und Gegebenheiten zugeschnitten ist. Es muss individuell und im Austausch erstellt werden und kann nicht einfach von anderen übernommen werden. Schutzkonzepte müssen kontinuierlich reflektiert, auf Wirksamkeit überprüft und weiterentwickelt werden. Dies erfordert einen aktiven Austausch und die Einbindung aller Beteiligten, einschließlich junger Menschen, Mitarbeitender sowie externer Expertinnen und Experten und Fachleute. Das macht deutlich, dass auch entsprechende Ressourcen zur Umsetzung benötigt werden. Die Finanzierung von Vereinen, Einrichtungen und Projekten muss darauf Rücksicht nehmen. Um überhaupt eine Auseinandersetzung mit dem Thema anzustoßen, gibt es einige wenige Spezialförderung (siehe BKJ-Projekt Start2Act), die dabei helfen können, sich auf den Weg zu machen. Nur durch gemeinsames Engagement und einen offenen Dialog können wir den bestmöglichen Schutz für alle Kinder und Jugendlichen gewährleisten.

Weitere Informationen

Dachverbandliches Schutzkonzept der BKJ

BKJ-Arbeitshilfe „Schutz vor sexualisierter Gewalt“ für Fachkräfte

BKJ-Förderprojekt Start2Act

Autor*innen

Esther Anne Adrian, Grundsatzreferentin, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)

Anna Müller, Projektleiterin Start2Act und Fortbildungsreferentin, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)

Redaktion: BKJ Redaktion

Back to Top