Jugendpolitik im Allgemeinen

Entscheidungsfindung in der Jugendpolitik

Entscheidungsfindung in der Jugendpolitik

Auf Bundesebene ergibt sich die horizontale Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Ressorts aus den thematischen Zuschnitten dieser. Trotz alledem hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die jugendpolitische Federführung und ist in der Bundesregierung Ansprechpartner für jugendpolitische Fragen. Dies zeigt sich unter anderem in der Verantwortlichkeit für den Jugendbericht (Youth-Wiki-Kapitel „Evidenzbasierte Jugendpolitik“), die Förderprogramme „Kinder- und Jugendplan (KJP)“ und „Demokratie Leben!“ (Youth-Wiki-Kapitel „Finanzierung der Jugendpolitik“) oder die institutionelle, also fortdauernde, Förderung bundeszentraler jugendpolitischer Akteure.

Die besondere jugendpolitische Rolle des BMFSFJ spiegelt sich über den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Deutschen Bundestag wider. Dieser Ausschuss begleitet und kontrolliert das BMFSFJ als parlamentarische Instanz der Regierungstätigkeit und ist für Jugendfragen zuständig. Die Kommission zur Wahrnehmung der Bedürfnisse von Kindern (Kinderkommission, KiKo) ist ein Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ihre Aufgabe ist es als Interessensvertretung für Kinder und Jugendliche zu fungieren. Sie soll, so die Selbstbeschreibung auf der Internetseite des Deutschen Bundestages, unter anderem ein Wächteramt im Interesse der Kinder ausüben. Kinder meint in diesem Zusammenhang alle jungen Menschen unter 18. Die Kommission setzt sich in und außerhalb des Parlaments für die Interessen von Kindern und Jugendlichen ein und setzt so Signale in der Kinderpolitik. Der Ausschuss versteht sich als Partner und Förderer von Verbänden, Organisationen und Einrichtungen, die sich für die Interessen von Kindern und Jugendlichen einsetzen.

Jugendpolitische Themen in der 19. Legislaturperiode des Bundestages (2017-2021) sind dem Arbeitsplan des Bundestages zu entnehmen und betreffen u.a. Digitalisierung und ihre Chancen und Risiken für Kinder und Jugendliche, Partizipation, Kinderschutz sowie Armut im Kindes- und Jugendalter.

Die Zuständigkeitsverteilung zwischen den staatlichen Ebenen Bund, Länder und Kommunen orientiert sich an den grundgesetzlich definierten Zuständigkeiten zwischen diesen Ebenen sowie den in den Landesverfassungen festgelegten Aufgabenteilungen von Kommunen und Ländern. Es handelt sich um ein komplexes Modell der Zuständigkeitsverteilung und gemeinsamen oder auch konkurrierenden Zuständigkeiten, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden kann.

Am Beispiel der Regelungen im Achten Sozialgesetzbuch Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) kann das Grundprinzip des Föderalismus angedeutet werden. Denn dort ist in § 83 SGB VIII auf der Basis der Grundsätze der föderalen Aufgabenteilung festgelegt, dass in Bezug auf die Kinder- und Jugendhilfe die Bundesebene nur dann zuständig ist, wenn die angestoßene Politik und die daraus folgenden Aktivitäten entweder von überregionaler Bedeutung (z. B: bundeseinheitliche Gesetzgebung; Förderung von Aktivitäten und Strukturen auf nationaler Ebene) sind, und/oder nicht von den Ländern alleine gefördert und/oder unterstützt werden können. Die Aufgaben des Bundes bestehen darin, die Tätigkeit der Jugendhilfe anzuregen, und diese zu fördern. Dies geschieht zum Beispiel über Modellprojekte, die im Rahmen von jugendspezifischen Bundesförderprogrammen finanziert werden. Die Länder wiederum sind für die Ausgestaltung der bundeseinheitlichen Regelungen im Kontext ihrer landesspezifischen Bedingungen zuständig, erlassen deshalb auch Landesausführungsgesetze zum Kinder- und Jugendhilferecht. Sie haben in der Regel ein Landesjugendamt, das unter anderem als Aufsichts- und Beratungsbehörde für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe (z.B. Jugendarbeit, residential care) fungiert, Fortbildungsangebote für Mitarbeitende in der Kinder- und Jugendhilfe organisiert und landesspezifische Förderprogramme auflegt, fachliche Standards formuliert und so Einfluss nimmt auf die Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe. Der kommunalen Ebene obliegt die konkrete Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Dies führt zu einer Vielzahl an unterschiedlichen Strukturen in der Kinder- und Jugendhilfe.

Beraten wird das BMFSFJ im Bereich Jugendfragen durch verschiedene Gremien:

  • Das Bundesjugendkuratorium (BJK) berät die Bundesregierung zu grundsätzlichen Fragen der Kinder- und Jugendhilfe sowie bei Querschnittsaufgaben der Kinder- und Jugendpolitik. Seine Existenz ist in §83.2 SGB VIII geregelt. Das BJK kann auch aufgefordert werden, Stellungnahmen, Empfehlungen und Positionspapiere zu anderen Fragen an die Bundesregierung, das zuständige Ministerium und andere interessierte Kreise zu richten. Dem Bundesjugendkuratorium gehören 15 Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung, Verbänden und der Wissenschaft an, die für die Dauer einer Legislaturperiode benannt werden. Unterstützt wird das Bundesjugendkuratorium von der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendpolitik am Deutschen Jugendinstitut.
  • Der Beirat des BMFSFJ zur gemeinsamen Jugendstrategie der Bundesregierung berät das BMFSFJ und die IMA bei der Entwicklung und Umsetzung der Jugendstrategie der Bundesregierung. Ihm gehören 19 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis der Kinder- und Jugendhilfe an.
  • Der Beirat für den Bundesfreiwilligendienst berät das BMFSFJ praxisnah in Fragen des Bundesfreiwilligendienstes. Der Beirat tagt jährlich und besteht aus 23 Expertinnen und Experten aus der Praxis, deren Berufung in §15 des Gesetzes über den Bundesfreiwilligendienst geregelt ist.

In ihrer jugendpolitischen Arbeit wird die Bundesregierung darüber hinaus von weiteren Bundesbehörden unterstützt. Einige Beispiele sind:

  • Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Ihre Aufgabe ist es, durch eine Indizierung Kinder und Jugendliche in Deutschland vor Medien zu schützen, die für sie schädliche oder gefährliche Inhalte enthalten können. Gleichzeitig bietet sie Eltern und Erziehenden Anhaltspunkte für die Medienerziehung von Kindern und Jugendlichen. Die Rechtsgrundlage der Bundesprüfstelle ist das Jugendschutzgesetz (vgl. Kapitel 1.2. National Youth Law).
  • Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben fördert eine koordinierte Zusammenarbeit von Staat, Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen, Verbänden und Stiftungen zur Förderung von sozialem Engagement und gesellschaftlicher Teilhabe. Zu ihrem Tätigkeitsbereich gehören u. a. die administrative Umsetzung des Programms „Demokratie Leben!“ sowie die Auszahlung von Fördergeldern bei Bundesfreiwilligendienst, dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ).
  • Das Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ist die Anlaufstelle der Bundesregierung für die Anliegen von Betroffenen und deren Angehörigen, für Expertinnen und Experten aus Praxis und Wissenschaft sowie für alle Menschen in Politik und Gesellschaft, die sich gegen sexuelle Gewalt engagieren. Zum Aufgabenbereich gehört u.  a. die Identifizierung gesetzlicher Handlungsbedarfe und Forschungslücken; die Wahrnehmung der Belange von Menschen die von sexualisierter Gewalt betroffen sind oder waren; und die Sicherstellung einer systematischen und unabhängigen Aufarbeitung sexuellen Kindermissbrauchs in Deutschland.
  • Die Bundeszentrale für politische Bildung. Ihre Aufgabe ist es, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken. Dazu bietet sie sowohl Veranstaltungen als auch Lerninhalte speziell für die Zielgruppe Jugend an.

Auf Länderebene ist das Ressort Jugend üblicherweise dem Sozialministerium und/oder dem Bildungsministerium unterstellt. In der folgenden Tabelle sind die zuständigen Ministerien benannt, die als Oberste Landesjugendbehörde nach außen hin das Land in Jugendfragen vertreten.

Die Landesjugendministerien haben auch die Funktion der obersten Landesjugendbehörden. Laut §82 SGB VIII ist die oberste Landesjugendbehörde für die Anregung und Förderung von Tätigkeiten der Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe sowie deren Weiterentwicklung verantwortlich. Dazu gehört es auch, auf einen gleichmäßigen Ausbau der Einrichtungen und Angebote hinzuwirken und die Jugendämter und Landesjugendämter bei der Ausübung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Konkret bedeutet dies, dass die Landesjugendministerien die Ausführungsgesetze zum SGB VIII und die Landesjugendpläne zur Förderung der Kinder- und Jugendhilfe erarbeiten. Das Landesjugendamt und die kommunalen Jugendämter werden von den Landesjugendministerien in ihren Aufgaben unterstützt und fungieren als erster Ansprechpartner auf der Ebene der Landesregierungen für jugendpolitische Fragen.

Die Länder bemühen sich in allen Politikbereichen um eine Abstimmung und Koordination ihrer Arbeit, um so ihre Interessen gegenüber dem Bund besser vertreten zu können. Dies gilt auch für die Jugendpolitik. Die Landesjugendministerien koordinieren ihre Arbeit im Rahmen der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK), in der sie sich in rechtlichen, fachlichen und politischen Fragen abstimmen. Die Beschlüsse der JFMK werden von der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugend- und Familienbehörden (AGJF) vorbereitet. Aufgabe der AGJF ist es, länderübergreifende Grundsatzfragen zur Sicherstellung einer angemessenen und einheitlichen Umsetzung des Kinder- und Jugendhilferechts auf Fachebene zu koordinieren und abzustimmen. Außerdem vertritt sie auf Fachebene die Interessen der Länder gegenüber dem Bund bzw. der Europäischen Union.

In Landesparlamenten gibt es ähnlich wie im deutschen Bundestag Ausschüsse und Kinderkommissionen, die sich mit Jugendfragen befassen (z.B. BayernThüringen und Hamburg).

Die ausführende Behörde auf Landesebene ist das Landesjugendamt, das in ihrem jeweiligen Einzugsbereich die überörtlichen Aufgaben der Jugendhilfe wahrzunehmen hat. Die Aufgaben sind in §85 SGB VIII geregelt. Dazu gehören Beratungsleistungen für die örtlichen Jugendämter und die Träger der freien Jugendhilfe, Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen, Fortbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendhilfe sowie Planung und Durchführung von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, sind die Landesjugendämter in einen Jugendhilfeausschuss und eine Verwaltungsabteilung aufgeteilt. Während der Jugendhilfeausschuss Grundsatzfragen – z. B. Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe, Verabschiedung von Empfehlungen für die Jugendhilfe – klärt, versteht sich die Verwaltungsabteilung als eine Serviceeinrichtung für die örtliche Jugendhilfe. Zu ihren Aufgaben gehören die Beratung von Jugendämtern und freiern Trägern in allen fachlichen Fragenstellungen sowie die Entwicklung von Fortbildungsmaßnahmen und Empfehlungen im jeweiligen Land. Auch auf dieser Ebene spiegelt sich die föderale Vielfalt wider, in dem das Landesjugendamt in den Ländern unterschiedlich organisiert ist:

  • als Kommunalbehörde, also eine von allen Kommunen des Landes getragene Behörde (z.B. Baden-Württemberg, NRW).
  • als eigenständige Behörde des Landes, (in Bayern sind die Aufgaben des Landesjugendamtes auf mehrere Stellen verteilt).
  • als integraler Bestandteil des zuständigen Ministeriums (z.B. Mecklenburg-Vorpommern).

Die Landesjugendämter arbeiten in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJAE) zusammen. Die Zusammenarbeit der Landesjugendämter in der BAGLJAE hat zum Ziel den fachlichen Standard in der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe zu sichern und weiterzuentwickeln, zu einer bundesweit einheitlichen Ausgestaltung der Angebote und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe beizutragen und sich für die Belange junger Menschen und ihrer Familien einzusetzen. Dazu erarbeitet die Bundesarbeitsgemeinschaft u. A. gemeinsame Empfehlungen für die einzelnen Arbeitsfelder der Landesjugendämter. Sie nimmt Stellung zu Gesetzesentwürfen im Bereich der Jugendhilfe. Außerdem erarbeitet sie Empfehlungen und Arbeitshilfen.

Die kommunale Ebene ist für die konkrete Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe und der Jugendpolitik vor Ort zuständig. Die kommunale Ebene umfasst in Deutschland sowohl Landkreise und kreisfreie Städte als auch kreisangehörige Gemeinden. Jugendämter als kommunale Struktur, die auf staatlicher Seite zuständig ist, sind meist auf der Ebene von Landkreisen und kreisfreien Städten angesiedelt. Ausnahmen hiervon gibt es insbesondere in NRW und Hessen, wo es auch Jugendämter auf der Ebene von kreisangehörigen Gemeinden und Städten gibt).

Das Jugendamt ist als sogenannte zweigliedrige Behörde eingerichtet, es besteht also aus einer Behörde und einem Jugendhilfeausschuss, in dem neben Abgeordneten des Lokalparlaments auch Vertreterinnen und Vertreter von NGOs und Expertinnen und Experten gleichberechtigt mitentscheiden dürfen. Das Jugendamt hat die Bestimmungen des SGB VIII umzusetzen und damit für förderliche Bedingungen des Aufwachsens zu sorgen (vgl. § 1 SGB VIII). In vielen Kommunen ist das Jugendamt ein Teil einer größeren Arbeitseinheit, in der auch die Zuständigkeiten für Sozialhilfe, Schule, Sport, Generationen, Gesundheit, Integration und Asylfragen gebündelt sind.

Auch kreisangehörige Kommunen, die über kein eigenes Jugendamt verfügen, haben die Aufgabe regionale, also auf das Gebiet der eigenen Gemeinde bezogene Jugendpolitik zu gestalten. In einigen Bundesländern wurden den Gemeinden darüber hinaus durch landesrechtliche Regelungen Aufgaben übertragen, die im Prinzip bei den Jugendämtern und damit bei den Landkreisen liegen würden. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Kindertagesbetreuung und Jugendarbeit.

Bei der Entwicklung und Ausgestaltung der Jugendpolitik in Deutschland – sowohl auf nationaler, als auch auf Länderebene und kommunaler Ebene – wird den Trägern der freien Kinder- und Jugendhilfe, also der Zivilgesellschaft, eine starke Rolle zugewiesen. Sie haben das Recht auf diesen drei Ebenen mitzuwirken, sie sind über die Jugendhilfeausschüsse in die Leitung der Jugendbehörden auf kommunaler und Länderebene eingebunden und sie sind auf Bundesebene wichtige Partner bei der Entwicklung von Jugendpolitik und deren Ausgestaltung. Sie haben dem Grundsatz nach einen Anspruch auf Förderung, so dass es ihnen möglich ist, ihre gesellschaftliche Funktion wahrzunehmen. Darüber hinaus fordert das SGB VIII öffentliche Träger dazu auf, durch seine Entscheidungen Trägervielfalt zu ermöglichen und insbesondere solche Organisationen zu fördern, die die Selbstorganisation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen fördern (§ 74 (4) SGB VIII).

Unter Trägern der freien Kinder- und Jugendhilfe werden die vielfältigen zivilgesellschaftlichen Akteure verstanden, die sich in der Kinder- und Jugendhilfe engagieren. Hierzu gehören Wohlfahrtsverbände, Stiftungen, Jugendverbände, Selbsthilfegruppen, kirchliche Organisationen u.a.m. Freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe können unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. Gemeinnützigkeit, als anerkannte Träger der freien Jugendhilfe (§ 75 SGB VIII), privilegiert werden. Sie können damit auch Aufgaben übertragen bekommen, die eigentlich in der Zuständigkeit des öffentlichen Trägers, also z.B. dem Jugendamt, liegen.

Eine besondere Rolle nehmen Jugendringe ein, denn sie sind Zusammenschlüsse von Jugendverbänden auf einer staatlichen Ebene und sind als solches auch in den Jugendhilfeausschüsse vertreten. Es gibt Stadt- und Kreisjugendringe auf kommunaler Ebene, Landesjugendringe auf Landesebene sowie den Deutschen Bundesjugendring auf Bundesebene. Aufgabe der Jugendringe ist es u.a., die Interessen ihrer Mitgliedsorganisationen und die der Kinder und Jugendlichen in ihrer Region zu bündeln und gegenüber anderen zu vertreten (vgl. Seckinger et.al. 2012: Jugendringe (PDF: 577 KB)).

Kernthemen

Die aktuellen jugendpolitischen Themen auf Bundesebene lassen sich aus dem Koalitionsvertrag (gültig seit 2018) erschließen. Darin sind eine Reihe von jugendpolitischen Aktionsfeldern enthalten:

  • gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen.
  • Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.
  • Stärkung, Unterstützung und Ausbau des internationalen Jugendaustausches, u.a. durch die Ausweitung von Austauschprogrammen wie Erasmus+.
  • Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und Ehrenamts durch die Stärkung des Bundes- und Jugendfreiwilligendienstes. Dazu gehört auch, den Zugang für Menschen mit Behinderung und/oder Benachteiligung zu verbessern, die kulturelle Bildung junger Menschen zu stärken und die dafür zur Verfügung stehenden Mittel aufzustocken.
  • Ausbau der Kinder- und Jugendhilfe, u.a. durch eine Reform des SGB VIII;
  • Kampf gegen Antisemitismus und Stärkung einer Gedenk-Kultur durch das Programm „Jugend erinnert“.
  • Anpassung des Kinder- und Jugendmedienschutzes an aktuelle Herausforderungen wie z.B. Cybermobbing.
  • Entwicklung einer gemeinsamen Jugendstrategie der Bundesregierung.
  • Stärkung von Jugendpartizipation auf allen föderalen Ebenen und die Unterstützung von zusätzlichen Beteiligungsformen.
  • Berufliche Aus- und Weiterbildung soll attraktiver gemacht und das Angebot an Ausbildungsinstrumenten erweitert werden. Das schließt eine Fortsetzung der Stärkung und Ausweitung von Berufsberatungsprogrammen sowie die Ausweitung der Arbeit der Jugendbeschäftigungsagenturen mit ein. Außerdem sollen junge Menschen im Bereich der beruflichen Bildung und Ausbildung stärkere Unterstützung erfahren und die internationale Mobilität von Lehrlingen erhöht werden.
  • Mit Blick auf Gesundheit soll einerseits mehr Forschung in der Kinder- und Jugendmedizin gefördert werden und anderseits eine nationale Strategie zur Verringerung von Fettleibigkeit, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, entwickelt werden.
  • Die Gewährleistung einer angemessenen Unterbringung für jugendliche Asylsuchende.

Weitere Schwerpunkte ergeben sich aus den Handlungsfeldern der Interministeriellen Arbeitsgruppe Jugend (IMA Jugend) (Youth-Wiki-Kapitel „Jugendpolitik: Nationale Jugendstrategie“).

Auch die Länder setzen eigene Schwerpunkte in der Jugendpolitik. So legt der Stadtstaat Hamburg beispielsweise in seinem Landesförderplan „Familie und Jugend“ 2017-2022 einen Schwerpunkt auf die Förderung aller Talente, gerade auch der jungen Menschen mit Migrationshintergrund, und die Unterstützung bei der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen.

Ein anderes Beispiel ist das Land Berlin, das im Juli 2019 das Gesetz zur Förderung der Beteiligung und Demokratiebildung junger Menschen (auch Jugendförder- und Beteiligungsgesetz genannt), verabschiedete. Durch die Stärkung und Sicherung der Kinder- und Jugendarbeit soll die Demokratiebildung und Beteiligung junger Menschen vorangebracht werden.

Aufbauend auf das Konzept einer Eigenständigen Jugendpolitik formulierte der Landesjugendhilfeausschuss Sachsens (PDF: 505 KB) 2016 die Schwerpunkte der dortigen Jugendpolitik unter den Schlagwörtern Vielfalt, Familie, Übergänge, Zeit und Raum, virtuelle Lebenswelten und demografischer Wandel. Diese sollen in den Handlungsfeldern Bildung und Arbeit sowie Teilhabe und Beteiligung umgesetzt werden.

Ein Thema, das alle jugendpolitischen Ebenen in Deutschland gleichermaßen befasste, ist die Auswirkung der Covid-19-Pandemie auf junge Menschen und die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe (Youth-Wiki-Kapitel „Jugendpolitik: Aktuelle Debatten und Reformen“).

Die Nationale Jugendbehörde

Aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands gibt es keine übergreifende National Agency for Youth, sondern – auf Bundesebene – ausschließlich für den Bereich der internationalen jugendpolitischen Zusammenarbeit. Hier gibt es eine vertragliche Vereinbarung zwischen IJAB – Fachstelle für internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Auf dieser Grundlage nimmt IJAB Fachaufgaben in der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Jugendpolitik und Jugendinformation wahr. Sie berät und unterstützt das BMFSFJ hinsichtlich der Umsetzung der (internationalen) jugendpolitischen Ziele. Darüber hinaus unterstützt IJAB im Auftrag des Bundesministeriums die Akteure der internationalen Jugendarbeit auf Bundesebene und fördert die jugendpolitische Zusammenarbeit auf internationaler Ebene. IJAB ist dem BMFSFJ gegenüber rechenschaftspflichtig. In regelmäßigen Treffen werden Haushalt, Arbeitspläne und Entwicklungen im Bereich der internationalen jugendpolitischen Zusammenarbeit diskutiert. IJAB verfügt über ein eigenes Budget (siehe Bundeshaushalt, Kapitel 17, Seite 16 (PDF: 1,1 MB)), das im Jahr 2020 eine Höhe von 2 937 000€ hat. Dies stellt gegenüber dem Vorjahr 2019 eine Steigerung um rund 1,56% dar. 2019 (2 892 000€) ist der Etat gegenüber 2018 (2 753 000€) sogar um 5,05% angestiegen.

Auf Landesebene haben die Landesjugendämter und auf kommunaler Ebene die Jugendämter Aufgaben, die in Bezug auf ihren jeweiligen geografischen Einzugsbereich der Beschreibung einer National Agency for Youth nahekommen. Dabei zu beachten ist jedoch, dass die Landesjugendämter nur für die Teile der Jugendpolitik zuständig sind, die sich auf das jeweilige Landesausführungsgesetz zum SGB VIII beziehen. Andere jugendpolitische Themen, z.B. Schulpolitik oder Arbeitsmarktpolitik, werden von anderen Agenturen begleitet.

Es ist auf Basis des SGB VIII Aufgabe der kommunalen Jugendämter, die kommunale Jugendhilfe zu planen und zu finanzieren, damit diese ihre im SGB VIII festgelegten Aufgaben und Leistungen erfüllen kann. Dazu erstellen die Jugendämter regelmäßig kommunale Jugendpläne.

Die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe werden vorwiegend aus öffentlichen Mitteln aller staatlichen Ebenen, Spenden sowie Kostenbeiträgen der Adressatinnen und Adressaten finanziert. Die finanzielle Hauptlast tragen dabei die Kommunen (Youth-Wiki-Kapitel: „Jugendpolitik: Finanzierung der Jugendpolitik“)

Monitoring und Evaluation der Politik

Es existieren in Deutschland eine Reihe von gesetzlich verankerten Monitoring- und Evaluationsmechanismen. Programme und Initiativen werden sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene oft systematisch von unabhängigen Stellen wie z.B. Forschungsinstituten oder Hochschulen beobachtet und ausgewertet. Die erstellten Berichte sind in der Regel online verfügbar (Youth-Wiki-Kapitel „Jugendpolitik: Evidenzbasierte Jugendpolitik“).

Auf Bundesebene findet eine regelmäßige Berichterstattung über die Situation junger Menschen – aus unterschiedlichen Perspektiven – statt. Der wichtigste Bericht ist der Kinder- und Jugendbericht. Gemäß § 84 SGB VIII wird in jeder Legislaturperiode ein Kinder- und Jugendbericht veröffentlicht. Dieser Bericht wird von der Bundesregierung in Auftrag gegeben und von einer unabhängigen Expertenkommission verfasst. Die Berichte sollen neben einer Beschreibung und Analyse der aktuellen Situation auch Vorschläge für die Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe enthalten. Jeder dritte Bericht muss die allgemeine Situation in der Kinder- und Jugendhilfe bearbeiten (Youth-Wiki-Kapitel „Jugendpolitik: Evidenzbasierte Jugendpolitik (Political commitment)“)

Eine Reihe von weiteren Berichten beschäftigen sich mit Themen, die auch junge Menschen betreffen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Familienbericht: Seit 1968 wird in jeder zweiten Wahlperiode ein Familienbericht zur Lage der Familien in Deutschland veröffentlicht. Der Bericht wird von der Bundesregierung in Auftrag gegeben und von einer unabhängigen Expertenkommission verfasst. Der Neunte Familienbericht, der 2020 erschienen ist, widmet sich dem Thema „Elternschaft in Deutschland“.
  • Engagementbericht: Seit 2009 veröffentlicht die Bundesregierung in jeder Wahlperiode einen Engagementbericht, in dem die Lage des bürgerschaftlichen Engagements darstellt wird. Der dritte Engagementbericht, der 2020 erschienen ist, trägt den Titel „Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter“ und legt einen Fokus auf das Engagement junger Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren. Der Bericht wird von der Bundesregierung in Auftrag gegeben und von einer unabhängigen Sachverständigenkommission verfasst.
  • Migrationsbericht: Seit 2005 wird von der Bundesregierung jährlich ein Migrationsbericht vorgelegt, zuletzt in 2019 für die Berichtsjahre 2016/2017. Auf Basis statistischer Daten wird ein umfassender Überblick über das Migrationsgeschehen in Deutschland und die jährliche Entwicklung der Zu- und Abwanderung erstellt. Die Situation junger Migrantinnen und Migranten wird im Vergleich zu anderen Altersgruppen dargestellt. Die Berichte dienen u.  a. als Grundlage für die Entscheidungsfindung von Politik und Verwaltung im Bereich der Migrationspolitik. Der Bericht wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erstellt.
  • Gleichstellungsbericht: Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2005 hat die Bundesregierung festgelegt, jede Legislaturperiode einen Gleichstellungsbericht vorlegen zu wollen. Der dritte Gleichstellungsbericht, der aktuell verfasst wird, befasst sich mit der Frage, welche Weichenstellungen erforderlich sind, um die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft so zu gestalten, dass Frauen und Männer gleiche Verwirklichungschancen haben. Der Gleichstellungsbericht wird von der Bundesregierung in Auftrag gegeben und von einer unabhängigen Sachverständigenkommission verfasst.
  • Teilhabebericht: Seit 2013 erstellt die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in jeder Legislaturperiode einen Teilhabebericht. Die Erstellung des Berichtes wird von einem wissenschaftlichen Beirat, bestehend aus zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, begleitet. Der Teilhabebericht beschreibt die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen und schlägt auf Basis der Kommentare des wissenschaftlichen Beirats Handlungsempfehlungen vor. Der Bericht orientiert sich in Aufbau und Darstellung an der UN-Behindertenrechtskonvention und an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. An einigen Stellen bezieht sich der Teilhabebericht explizit auf die Situation junger Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen.
  • Armuts- und Reichtumsbericht: Seit 2001 erstellt die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einen nationalen Armuts- und Reichtumsbericht. Die Erstellung des Berichtes wird von einem wissenschaftlichen Gutachtergremium, bestehend aus sechzehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, begleitet. Die Berichte geben einen Einblick in die soziale Lage in Deutschland und haben zum Ziel, fundierte Daten über Armut und Reichtum in Deutschland zu beschreiben. Sie dienen dabei als Instrument zur Überprüfung politischer und zur Anregung neuer Maßnahmen. Die Situation von Kindern und Jugendlichen wird in den Berichten immer wieder im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen dargestellt. Die Berichte fassen Forschungsergebnisse zusammen, beschreiben die wichtigsten Faktoren, die das Risiko für Armut bestimmen und zeigen Wege auf, wie man systematisch Zugang zu Möglichkeiten zur Überwindung von Benachteiligungen erhält.

Neben diesen regelmäßig wiederkehrenden Berichten gibt die Bundesregierung auch Forschungsprojekte in Auftrag, um staatlich finanzierte Programme zu evaluieren und individuelle jugend- und sozialpolitische Fragen zu untersuchen. Diese Forschungsprojekte helfen der Regierung, politische Entscheidungen über Programme und Aktivitäten zu treffen. In den Förderrichtlinien des Kinder- und Jugendplan des Bundes ist festgeschrieben, dass Bundesmodellvorhaben wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden müssen.
Kürzlich erschienene Studien und Evaluationen sind zum Beispiel:

Statistische Daten über junge Menschen liefert das Statistische Bundesamt Destatis. Es ist verantwortlich für die Bereitstellung und Verbreitung statistischer Informationen. Die Bundesstatistik steht der Politik, den Behörden, der Wissenschaft, der Privatwirtschaft und der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung und wird u. a. zur Festlegung politischer Prioritäten genutzt.

Auch auf Länderebene werden Kinder- und Jugendberichte genutzt, um die Kinder- und Jugendpolitik einzelner Länder zu reflektieren und neue Akzente zu setzen. Einige Länder haben die Veröffentlichung dieser Berichte im Ausführungsgesetz des SGB VIII festgeschrieben, andere haben dazu einen separaten politischen Beschluss gefasst.

Ähnlich wie auf Bundesebene werden auch in den Ländern einzelne Förderprogramme wissenschaftlich begleitet und/oder zu spezifischen Themen Landesstudien in Auftrag gegeben.

Die Länder haben zudem eigene statistische Landesämter, die statistische Daten über das jeweilige Land erheben und publizieren. Dazu gehören sowohl Daten über junge Menschen als auch Daten über die Kinder- und Jugendhilfe.

Auf kommunaler Ebene wird das Instrument der Jugendhilfeplanung genutzt, die kommunale Jugendpolitik und Kinder- und Jugendhilfe in regelmäßigen Abständen zu steuern und bedarfsgerecht zu planen. Seine rechtliche Grundlage findet die kommunale Jugendhilfeplanung in §§79a-80 SGB VIII.

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Dieser Artikel wurde auf www.youthwiki.eu in englischer Sprache erstveröffentlicht. Wir danken für die freundliche Genehmigung der Übernahme.

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