Allgemeine und berufliche Bildung

Aktuelle Debatten und Reformen

Anstehende politische Entwicklungen

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Zahl an unbesetzten Ausbildungsplätzen bei einer gleichzeitig wachsenden Zahl an jungen Erwachsenen, die keinen Berufsabschluss erwerben, hat die Bundesregierung in der jüngeren Vergangenheit neue Maßnahmen im Bereich der beruflichen Ausbildung auf den Weg gebracht.

Das im Juli 2023 verkündete Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung (Aus- und Weiterbildungsgesetz) sieht die Einführung einer Ausbildungsgarantie vor, die jungen Menschen den Zugang zu einer vollqualifizierenden, möglichst betrieblichen Berufsausbildung eröffnen soll. Zu diesem Zweck sollen vorhandene Unterstützungsangebote der Arbeitsagenturen wie beispielsweise die Einstiegsqualifizierung ausgeweitet und mit neuen Ansätzen wie dem Berufsorientierungspraktikum kombiniert werden. Da sich Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage zudem regional stark unterscheiden, soll darüber hinaus die räumliche Mobilität von Auszubildenden durch einen Mobilitätszuschuss gefördert werden. Junge Menschen, die trotz umfassender Bemühungen keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden, sollen zukünftig einen Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung haben, doch wird diese als Ultima Ratio erachtet. Die Ausbildungsgarantie soll zum 1. April 2024 starten; das entsprechende Gesetz wurde durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) initiiert.

Mit dem Ziel, die Attraktivität der dualen Berufsausbildung und damit auch den Kreis der potenziellen Ausbildungsplatzbewerber:innen zu erhöhen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Dezember 2022 die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung gestartet. Darin werden bis zum Jahr 2026 bestehende Aktivitäten weiterentwickelt und mit neuen Initiativen gebündelt; hierfür stehen Mittel in Höhe von 750 Millionen Euro zur Verfügung. Mit der Exzelleninitiative sollen die individuellen Chancen der Auszubildenden besser gefördert und Impulse für innovative Angebote sowie eine moderne Infrastruktur für die Berufsbildung gesetzt werden. Zudem will die Initiative die internationale Mobilität auch in der beruflichen Bildung zu einer Selbstverständlichkeit machen. Die Exzellenzinitiative umfasst unter anderem Maßnahmen wie den Ausbau der Berufsorientierung (insbesondere an Gymnasien), die Erweiterung von Stipendienprogrammen, die Förderung innovativer Konzepte für Aus- und Weiterbildung, die Unterstützung exzellenter überbetrieblicher Ausbildungsstätten oder den Ausbau bestehender Beratungs- und Unterstützungsinstrumente zur Förderung der Mobilität von Auszubildenden.

Für den Bereich der schulischen Bildung enthält der Koalitionsvertrag der Ampelregierung aus dem Jahr 2021 verschiedene Maßnahmen, die unter anderem den Ausbau der Ganztagsangebote, die Fortbildung der Lehrkräfte, die Digitalisierung der Schulen sowie den Abbau sozialer Ungleichheiten betreffen. So sieht der Koalitionsvertrag die Einführung des Programms „Startchancen“ vor, das Kindern und Jugendlichen bessere Bildungschancen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Eltern ermöglichen soll. Hierzu sollen rund 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler:innen unterstützt werden, zum Beispiel durch Investitionen in eine zeitgemäße Lernumgebung oder durch Stellen für schulische Sozialarbeit und Schulentwicklung. Nach jetzigem Stand hat das BMBF erste Vorschläge zur Konzeption des Programms erarbeitet, das voraussichtlich im Schuljahr 2024/25 beginnen soll. Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) begrüßt das Programm.

Mit dem Digitalpakt Schule 2.0 will die Regierungskoalition darüber hinaus Länder und Kommunen bis zum Jahr 2030 bei der weiteren Digitalisierung des Bildungswesens unterstützen. Dabei soll unter anderem der Mittelabruf entbürokratisiert und die Einrichtung von Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule und Weiterbildung gefördert werden. Zum jetzigen Stand soll der Digitalpakt Schule 2.0 im Jahr 2025 beginnen, doch ist die konkrete Umsetzung noch unklar. In einer gemeinsamen Erklärung aller Minister:innen hat sich die KMK im Juli 2023 an die Bundesregierung gewandt und ein verlässliches Bekenntnis zur Fortführung des Digitalpakts gefordert.

Zu einem Überblick über weitere politische Reformen und Entwicklungen seit dem Jahr 2021 vgl. auch das Eurydice-Kapitel Ongoing reforms and policy developments (europa.eu).

Laufende Diskussionen

Die Passungsprobleme am Ausbildungsmarkt nehmen einen breiten Raum in der gegenwärtigen öffentlichen und politischen Diskussion ein. Neben den bereits geschilderten Entwicklungen (Einführung der Ausbildungsgarantie, Exzellenzinitiative Berufliche Bildung) zielen auch weitere Aktivitäten darauf ab, die Attraktivität der Berufsausbildung zu erhöhen und damit wieder mehr Jugendliche für eine duale Ausbildung zu gewinnen. Eine besondere Bedeutung kommt diesen Aktivitäten vor dem Hintergrund der zunehmenden Fachkräfteengpässe zu, die in verschiedenen Segmenten des deutschen Arbeitsmarktes zu beobachten sind.

Mit Informationskampagnen wie „Die Duale“ oder „Du + Deine Ausbildung – praktisch unschlagbar“ versucht das BMBF, junge Menschen für die vielfältigen Möglichkeiten der dualen Berufsausbildung zu informieren und ihre Begeisterung hierfür zu wecken. Ebenso setzt sich auch die Allianz für Aus- und Weiterbildung mit verschiedenen Aktivitäten dafür ein, die duale Ausbildung für junge Menschen attraktiver zu machen und stärker als bislang in den Mittelpunkt zu rücken. Exemplarisch sei hier der Sommer der Berufsausbildung genannt. Weitere Kampagnen zielen darauf ab, junge Menschen für die Ausbildung in bestimmten Berufen zu gewinnen. So hat das BMFSFJ beispielsweise Ende 2022 die Kampagne „Pflege kann was“ gestartet, die über die Beschäftigungs- und Aufstiegschancen in der Pflege informieren und Vorurteilen gegenüber der Ausbildung und dem Beruf entgegenwirken will. Die Informationskampagne soll bis zum Jahr 2025 laufen.

Ebenfalls im Kontext des Fachkräftemangels zu sehen sind verschiedene Bemühungen der Bundesregierung, Deutschland als Zuwanderungsland attraktiver zu machen. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im März 2023 beschlossen wurde, werden dabei auch neue Möglichkeiten der Anerkennung im Ausland erworbener Kompetenzen eingeführt. So müssen Abschlüsse in Deutschland zukünftig nicht mehr standardmäßig anerkannt werden und mit der sogenannten Chancenkarte werden auch Faktoren wie die Berufserfahrung berücksichtigt.

Im Bereich der schulischen Bildung wird derzeit das Thema „Lehrkräftemangel“ intensiv diskutiert. Nach Prognosen der Kultusministerkonferenz (KMK) werden bis zum Jahr 2025 rund 25.000 Lehrkräfte fehlen. Vor diesem Hintergrund hat die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK Anfang 2023 Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel erarbeitet. Darin schlägt sie folgende Maßnahmen vor:

  • Erschließung von Beschäftigungsreserven bei qualifizierten Lehrkräften zum Beispiel durch Anpassung des Ruhestandseintritts oder Entlastung der Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben
  • Ausweitung des Potenzials an qualifizierten Lehrkräften zum Beispiel durch die Nachqualifizierung in Mangelfächern
  • Entlastung qualifizierter Lehrkräfte durch Studierende und andere, formal nicht (vollständig) qualifizierte Personen
  • Flexibilisierung des Einsatzes von Lehrkräften zum Beispiel durch Hybridunterricht oder Erhöhung der Selbstlernzeiten von Schüler:innen
  • Vorbeugende Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zum Beispiel durch Coaching- und (Gruppen-)Supervisionsangebote
  • Bestandsaufnahme, Bewertung und Weiterentwicklung von Modellen des Quer- und Seiteneinstiegs

Bereits seit vielen Jahren wird darüber hinaus das Thema „Soziale Ungleichheit der Bildungschancen“ diskutiert, das angesichts der nach wie vor zu beobachtenden Disparitäten im Bereich der schulischen Bildung, aber auch der Hochschulen und der beruflichen Bildung, weiterhin eine hohe Brisanz besitzt. Verschiedene Initiativen der Bundesregierung wie die BAföG-Reform im Jahr 2022 oder das für 2024 geplante Startchancen-Programm zielen darauf ab, die (finanziellen) Rahmenbedingungen der Bildungsteilhabe zu verbessern. Ebenso können auch Maßnahmen wie der Ausbau der Ganztagsbetreuung oder Programme für spezifische Personenkreise wie zum Beispiel Jugendliche mit Migrationshintergrund dazu beitragen, Unterschiede zwischen verschiedenen sozioökonomischen Gruppen abzubauen.

Im Mittelpunkt des 16. Kinder- und Jugendberichtes der Bundesregierung stand das Thema politische Bildung (Deutscher Bundestag 2020). Zentrale Kapitel des Berichtes widmeten sich formalen und non-formalen Lernorten, wie die Schule (vgl. Deutscher Bundestag 2020, Kapitel 6), der beruflichen Bildung (Deutscher Bundestag 2020, Kapitel 7), der Kinder- und Jugendarbeit (Deutscher Bundestag 2020, Kapitel 10), den Freiwilligendiensten (Deutscher Bundestag 2020, Kapitel 13) sowie den digitalen Welten (Deutscher Bundestag 2020, Kapitel 9). Beschrieben werden vor dem Hintergrund der bekannten Herausforderungen demokratisch Gesellschaften (vor allem: Globalisierung, Klimawandel, demographischer Wandel, Digitalisierung, wachsende Demokratiedistanz und  ablehnung) der Stand der Forschung und Fachdiskussion sowie  praxis in den jeweiligen Räumen und die sich abzeichnenden Herausforderungen. Die Kommission betont das Recht aller Kinder und Jugendlichen auf politische Bildung und verweist darauf, dass es dafür „eine auf Dauer gestellte, ausreichende, öffentliche Förderung – auf kommunaler Ebene, auf Landesebene, auf Bundesebene wie auf europäischer Ebene [braucht]. Nur so kann sie ihr Potenzial voll ausschöpfen“ (Deutscher Bundestag 2020, S. 567 (PDF 8,52 MB)).

Zu einem Überblick über weitere politische Reformen und Entwicklungen seit dem Jahr 2021 vgl. auch das Eurydice-Kapitel Ongoing reforms and policy developments (europa.eu).

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Dieser Artikel wurde auf www.youthwiki.eu in englischer Sprache erstveröffentlicht. Wir danken für die freundliche Genehmigung der Übernahme.

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