Recht
Verwaltungsgericht Aachen bewertet KiBiz NRW als teilweise verfassungswidrig
Der Ausschluss privat-wirtschaftlicher Träger von Kindertagesstätten von der im Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz) vorgesehenen finanziellen Förderung verstößt nach vorläufiger Einschätzung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.
01.09.2011
Zu diesem Schluss kam die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen am 31. August 2011 in einem Verfahren, in welchem eine privatgewerbliche Betreiberin einer Kindertagesstätte von der Stadt Aachen für das Jahr 2008/2009 einen Betriebskostenzuschuss verlangt.
Nach § 20 KiBiz werden dem Träger einer Einrichtung nur dann Betriebskostenzuschüsse gewährt, wenn es sich um eine Kirche, eine Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts, einen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe oder eine Elterninitiative handelt. Die Förderung gewerblicher Träger sieht das Gesetz nicht vor.
Eine Entscheidung in dem Verfahren hat das Gericht nicht getroffen, weil die prozessrechtlichen Folgen der angenommenen Verfassungswidrigkeit der Vorschrift noch vertiefter Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten bedürfen. Die Sache wurde vertagt, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, zu den prozessrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen.
Hintergrund ist, dass es den Gerichten grundsätzlich verwehrt ist, die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift selbst festzustellen. Vielmehr sind die Gerichte in einem solchen Fall gehalten, dem Bundesverfassungsgericht das Verfahren vorzulegen. Nur das Bundesverfassungsgericht ist befugt, über die Gültigkeit einer Vorschrift zu entscheiden (sog. Verwerfungsmonopol). Ob hier eine derartige Richtervorlage nach Art. 100 GG in Betracht kommt, wird noch zu klären sein.
Die Klägerin sah sich in ihrer Einschätzung bestätigt. Als kleiner Träger, der sich auf die Betreuung unter Dreijähriger konzentriert, sah sich die Einrichtung durch die Ungleichbehandlung in ihrer Existenz bedroht. Die Mehrkosten für den Betrieb der Einrichtung müssten derzeit die Eltern tragen, so der Leiter der Aachener Einrichtung.
Der Bundesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe (VPK) bewertet die Aachener Klage als Musterfall und erhofft sich ein baldiges Urteil, das es privat-wirtschaftlichen Kita-Trägern in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern, in denen diese Träger derzeit noch von der Förderung ausgeschlossen sind, zukünftig erlaubt, die gleiche Förderung zu erhalten wie die öffentlichen Einrichtungen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gebe es einen Wettbewerb um unter Dreijährige, und es drohe eine Verdrängung der Einrichtungen von privaten Trägern, so der Verband. Er hatte die Klage der betroffenen Mitgliedseinrichtung initiiert.
"Das heutige Ergebnis hat uns in der Ansicht bestätigt, dass die fehlende öffentliche Förderung privat-wirtschaftlicher Kindertageseinrichtungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt", so Hermann Hasenfuß, Vizepräsident des VPK Bundesverbandes gestern in Berlin. "Privat-wirtschaftliche Träger leisten jeden Tag hoch qualifizierte und engagierte Arbeit und tragen mit ihren Angeboten wesentlich zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Wir hoffen, dass diesen Trägern auf Grundlage des Verfahrensausgangs zukünftig bundesweit die gleiche Förderung zukommen wird wie allen anderen Trägern auch."
Quellen: Verwaltungsgericht Aachen / Bundesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e.V. (VPK)
Termine zum Thema
-
24.04.2024
Dem Schutzauftrag nachkommen
-
04.06.2024
Runder Tisch – Folgen der Pandemie für unsere Jugend
-
17.06.2024
13. Baustelle Inklusion: "Entweder sind alle normal oder niemand!" - Diskriminierungskritische Perspektiven auf Inklusion und Ableismus in Kita und Grundschule
-
25.09.2024
Fortbildung zum PECE Coach
Materialien zum Thema
-
Monographie / Buch
Studie „Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe. Bestand, Lücken, Gewinnung, Bedarfe in NRW“ veröffentlicht
-
Webangebot / -portal
PECE - Positive Erziehung, chancenreiche Entwicklung
-
Monographie / Buch
Frau Frühling hat 30 Kinder
-
Expertise / Gutachten
Wie gelingen Weiterbildungen für Kita-Fachkräfte zum Ansatz „Bildung für nachhaltige Entwicklung“?
-
Broschüre
Keine Kita für arme Kinder? Viele Kinder, die in Armut aufwachsen, haben schlechte Chancen auf einen Kitaplatz
Projekte zum Thema
-
Triple P Deutschland
ERASMUS+ PECE
-
Stiftung Kinder forschen
KiQ – gemeinsam für Kita-Qualität: Wenn Entdecken und Forschen zum Alltag werden
-
Kompetenzzentrum für Gesundheitsförderung in Kitas
Gute und gesunde Kita für alle! Kita-Qualität durch Gesundheitsförderung stärken
-
Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher
-
Evangelisches Sozialwerk Dormagen
Kunterbunt-TV Dormagen
Institutionen zum Thema
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
Step Kids KiTas gGmbH
-
Stiftung / Fördereinrichtung
ginko Stiftung für Prävention, Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung NRW
-
Fort-/Weiterbildungsanbieter
Berliner Institut für Frühpädagogik e.V.
-
Verband / Interessenvertretung
Kindermitte e.V. - Bündnis für soziales Unternehmertum und Qualität in der Kindertagesbetreuung
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
ASB Regionalverband Mittel-Brandenburg e.V.