Recht
Kirchliches Arbeitsrecht: Bundesarbeitsgericht spricht Urteil gegen Diakonie
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat geurteilt, dass eine Klägerin wegen der Religion benachteiligt wurde. Eine Bewerberin ohne Kirchenzugehörigkeit war in einem konkreten Bewerbungsverfahren nicht berücksichtigt worden. Die Bewerberin bekam einen Teil der von ihr geforderten Entschädigung zugesprochen. Die kirchlichen Arbeitgeber wollen eine Verfassungsbeschwerde prüfen.
26.10.2018
Die Diakonie Deutschland und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bedauern die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 25. Oktober 2018. Danach durfte für eine konkrete Stelle, eine wissenschaftliche Referententätigkeit, nicht die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche verlangt werden. Die Bewerberin bekam einen Teil der von ihr geforderten Entschädigung zugesprochen.
Das Bundesarbeitsgericht stützt sich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, nach der kirchliche Arbeitgeber begründen müssen, dass die Forderung nach einer bestimmten Religionszugehörigkeit für eine Stelle „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ ist. Ob es eine notwendige Verbindung zwischen Religion und Beschäftigung gibt, soll von staatlichen Gerichten überprüft werden können.
Anforderungen werden nicht willkürlich gestellt
„Die Anforderung der Kirchenmitgliedschaft wurde auch bisher bei der Personalauswahl nicht willkürlich gestellt. Bei der konkreten Stelle, auf die sich die Klägerin beworben hatte, war für uns wegen der Tätigkeit und Außenwirkung eine kirchliche Grundkompetenz unverzichtbar“, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nach der Urteilsverkündigung in Erfurt.
Für diese Stelle sei eine Person erforderlich gewesen, die sich stark mit den christlichen Werten identifiziert und zu ihnen durch die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche bekennt. Die Klägerin habe darüber hinaus aber nicht einmal die erste formale Einstellungsvoraussetzung erfüllt: Sie habe keinen Masterabschluss nach einem wissenschaftlichen Hochschulstudium - Jura oder ein vergleichbares Fach - nachweisen können. Deshalb sei sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden.
Weiterentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts
Bereits unabhängig vom konkreten Fall haben die EKD und ihre Diakonie ihr Arbeitsrecht weiterentwickelt. „Wir verstehen unsere sich verändernde, zunehmend multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft als eine positive
Gestaltungsaufgabe, zu der Kirche und Diakonie einen konstruktiven Beitrag leisten wollen“, sagt Lilie.
In der seit Januar 2017 geltenden Richtlinie können Nichtchristinnen und -christen an vielen Stellen in Kirche und Diakonie arbeiten. Ausnahmen gelten für Aufgaben in der Verkündigung, der Seelsorge und der evangelischen Bildung, bei denen die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche vorausgesetzt wird. Leitungskräfte müssen einer christlichen Kirche angehören.
Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts
Diakonie und EKD sehen im heutigen BAG-Urteil eine Abweichung zur langjährigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat den Kirchen bisher in einem festgelegten Rahmen die Entscheidung überlassen, für welche Tätigkeiten die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche erforderlich ist. Gemeinsam mit
der EKD wird die Diakonie Deutschland die Urteilsbegründung des BAG abwarten und prüfen, welche Konsequenzen ggf. daraus zu ziehen sind. Dazu gehört auch die Prüfung, ob gegen den Eingriff in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht das Bundesverfassungsgericht angerufen wird.
Grundsätzlich halten EKD und Diakonie am kirchlichen Arbeitsrecht und seiner Ausprägung einer christlichen Dienstgemeinschaft fest. Hans Ulrich Anke, der Präsident des EKD-Kirchenamts, betont: „Es muss der Kirche und Diakonie möglich bleiben, die kirchlichen Aufgaben aus einer christlichen Perspektive zu erfüllen. Das hängt ganz wesentlich auch davon ab, dass Kirche und Diakonie Mitarbeitende auswählen und einstellen können, die sich mit ihrer Mitgliedschaft zum Auftrag der Kirche bekennen. Das erwarten auch die Menschen, die die diakonischen Angebote nutzen." Für eine Beschäftigung von Menschen, die der ev. Kirche nicht zugehörten, enthalte das kirchliche Recht die gebotenen Möglichkeiten.“
Zum konkreten Fall:
Im Jahr 2013 war im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. eine Bewerberin für eine Referententätigkeit aufgrund mangelnder fachlicher Voraussetzungen nicht für ein Vorstellungsgespräch berücksichtigt worden. Ihre fehlende Kirchenzugehörigkeit war für diese Entscheidung von zweitrangiger Bedeutung. Für die Stelle wurde ein Bewerber ausgewählt, der die erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllte. Zudem gehörte er einer christlichen Kirche an. Das Stellenprofil für eine befristete wissenschaftliche Referententätigkeit im Rahmen einer Kooperation mit diversen zivilgesellschaftlichen Gruppierungen zur Erstellung eines Berichts zur Antirassismus-Konvention der Vereinten
Nationen setzte dies voraus. Eine christliche Perspektive zur Beurteilung der Konvention war für die Diakonie unabdingbar.
Aus der Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts:
Der Beklagte hat die Klägerin wegen der Religion benachteiligt. Diese Benachteiligung war nicht nach § 9 Abs. 1 AGG ausnahmsweise gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung der Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG scheidet aus. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG ist einer unionsrechtskonformen Auslegung im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG** nicht zugänglich und muss deshalb unangewendet bleiben. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG liegen nicht vor. Nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG - in unionsrechtskonformer Auslegung - ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstellt.
Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel an der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung. Jedenfalls ist die berufliche Anforderung nicht gerechtfertigt, weil im konkreten Fall keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestand, dass das Ethos des Beklagten beeinträchtigt würde. Dies folgt im Wesentlichen aus dem Umstand, dass der jeweilige Stelleninhaber/die jeweilige Stelleninhaberin - wie auch aus der Stellenausschreibung ersichtlich - in einen internen Meinungsbildungsprozess beim Beklagten eingebunden war und deshalb in Fragen, die das Ethos des Beklagten betrafen, nicht unabhängig handeln konnte. Der Höhe nach war die Entschädigung auf zwei Bruttomonatsverdienste festzusetzen.
Die vollständige Meldung des Bundesarbeitsgerichts zum Urteil 8 AZR 501/14 vom 25. Oktober 2018 steht online zur Verfügung.
Hintergrund
Die Diakonie ist die soziale Arbeit der evangelischen Kirchen. Bundesweit sind etwa 525.000 hauptamtliche Mitarbeitende in rund 31.500 ambulanten und stationären Diensten der Diakonie wie Pflegeheimen und Krankenhäusern, Beratungsstellen und Sozialstationen mit 1,15 Millionen Betten/Plätzen beschäftigt. Der evangelische Wohlfahrtsverband betreut und unterstützt jährlich mehr als zehn Millionen Menschen. Etwa 700.000 freiwillig Engagierte sind bundesweit in der Diakonie aktiv.
Quelle: Diakonie Deutschland, Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. und Bundesarbeitsgericht vom 25.10.2018
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