Recht
Kein Kindernachzug bei nicht anerkennungsfähiger Sorgerechtsübertragung
Die Übertragung des Sorgerechts durch ein ausländisches Gericht führt nicht zwingend zu einem Anspruch des Kindes auf Familiennachzug zu dem in Deutschland lebenden Elternteil. Voraussetzung hierfür ist vielmehr die Vereinbarkeit der Entscheidung mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, wozu insbesondere das Kindeswohl zählt. Das Verwaltungsgericht Berlin hat - gestützt auf diesen Grundsatz - die Klage von fünf türkischen Kindern auf Erteilung eines Visums abgewiesen.
15.09.2009
Die zwischen 1993 und 2001 geborenen Kläger lebten nach Wegzug ihres Vaters nach Deutschland im Jahr 2001 bei der heute 33-jährigen Mutter in der Türkei; sie war bislang die Alleininhaberin des Sorgerechts. Mit ihr hatte der Vater in der Türkei 1991 eine sog. Imam-Ehe geschlossen. Nachdem der Vater in Deutschland eine 14 Jahre ältere polnische Staatsangehörige geheiratet und so eine Aufenthaltserlaubnis erlangt hatte, erwirkte er bei einem türkischen Gericht die Übertragung des Sorgerechts für die Kinder auf ihn. Dieses Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Mutter ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könne, weil sie keine Arbeit habe und in schlechten finanziellen Verhältnissen lebe. Der Vater hingegen lebe in Deutschland, sei wirtschaftlich besser gestellt und könne sich besser um die Kinder kümmern.
Die 21. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Verweigerung des Visums durch die Deutsche Botschaft in Ankara für rechtmäßig erachtet. Zwar müssten ausländische Sorgerechtsentscheidungen nach dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen, das zwischen der Deutschland und der Türkei Anwendung finde, grundsätzlich anerkannt werden. Dies gelte aber nicht, wenn die Entscheidung mit dem Kindeswohl unvereinbar sei. Dies sei hier der Fall. Die Entscheidung sei entscheidend von ausländerrechtlichen Motiven bzw. bloßen ökonomischen Erwägungen getragen. Das türkische Gericht habe weder ansatzweise begründet, warum sich die Mutter nunmehr nicht mehr um die Kinder kümmern könne, noch, warum der Vater besser für sie sorgen können solle. Dies sei im Hinblick auf dessen Vollzeitbeschäftigung und der Tatsache, dass er seit seinem Wegzug aus der Türkei praktisch keinen Kontakt zu den Kindern gehabt habe, auch nicht nachvollziehbar. Allein die bessere finanzielle Situation des Vaters sei kein Grund dafür, die der deutschen Sprache nicht mächtigen Kinder nun aus ihrer gewohnten Umgebung herauszureißen, zumal der Vater weiterhin wie bisher Unterhalt überweisen könne. Schließlich lasse sich der Sorgerechtsübertragung nicht entnehmen, dass die Voraussetzungen, unter denen einem Elternteil nach türkischem Recht das Sorgerecht entzogen werden könne, geprüft worden seien.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht die Berufung und die Sprungrevision zugelassen.
Der Hyperlink fürht zum Urteil der 21. Kammer vom 1. Spetember 2009:
http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/justiz/gerichte/vg2/entscheidungen/21_k_0126_09___090901___urteil___anonymisiert.pdf
Quelle: Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtes Berlin
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