Sozialpolitik

Niedersachsen fordert entschiedene Maßnahmen gegen Kinderarmut

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat am 4. November im Bundesrat an den Bund appelliert, die Leistungen für von Armut bedrohte Kinder deutlich anzuheben. "Ein Anspruch auf Kindergrundsicherung muss unser Ziel sein."

07.11.2016

"In fast allen Bundesländern ist die Armutsquote gestiegen", sagte Rundt in ihrer Rede: "Die neuesten Zahlen belegen, dass Kinder besonders von Armut betroffen sind: Jedes fünfte Kind, jeder fünfte Jugendliche unter 18 Jahren ist von Armut bedroht. Diese Zahlen sind bedrückend und zeigen, dass hier sehr viel getan werden muss - der Bund muss sich bewegen."

Kinderregelsätze unter Einbeziehung des Bildungs- und Teilhabepakets erhöhen

In dem von Niedersachsen unterstützten Antrag zum Entwurf eines "Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch" wird seitens der Länder die Erhöhungen einzelner Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets gefordert. "Das kann aber nur ein erster Schritt sein", sagte Niedersachsens Sozialministerin: "Das Bildungs- und Teilhabepaket ist kein geeignetes Instrument im Kampf gegen Kinder- und Jugendarmut. Vielmehr müssen zunächst die Kinderregelsätze unter Einbeziehung des Bildungs- und Teilhabepakets deutlich erhöht werden - Ziel muss letztlich ein eigener Anspruch auf eine Kindergrundsicherung sein."

Bereits im Jahr 2008 hatte der Bundesrat in einer Entschließung die Berücksichtigung des kinderspezifischen Bedarfs bei der Bemessung der Regelleistungen gefordert. Auch wenn sich seitdem einiges getan hat - die Kinderarmut in Deutschland wurde nicht nachhaltig eingedämmt. Die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) seien zu gering bemessen und erforderten einen in keiner Weise vertretbaren bürokratischen Aufwand, so Cornelia Rundt: "Man denke nur an den einen Euro Eigenanteil bei der Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung, der einen nicht zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwand nach sich zieht. Diese Regelung ist zu streichen."

Auch das Schulbedarfspaket ist völlig unzureichend, das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2014 die Gefahr einer Bedarfsunterdeckung angemahnt - dennoch ist der Betrag von 100 Euro seit der 2009 erfolgten Einführung der sogenannten "Zusätzlichen Leistung für die Schule" unverändert geblieben.

Cornelia Rundt: "Nicht unverändert geblieben sind jedoch die finanziellen Aufwendungen der Familien für die Schule. Denken Sie zum Beispiel an die Einführung der programmierbaren Taschenrechner. Jeder, der selber Kinder hat, wird bestätigen können, dass ein Betrag von 100 Euro gerade auch in den höheren Klassen bei Weitem nicht den Bedarf dessen abdeckt, was zur notwendigen Ausstattung für den Schulbesuch gehört." In dem Bundesratsbeschluss von heute wird eine Erhöhung des Schulbedarfspakets in einem ersten Schritt auf 150 Euro gefordert - dieser Betrag liegt immer noch im unteren Bereich dessen, was die bundesweite Evaluation des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen ergeben hat. Die Studie ist zwar im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführt worden, ihr Ergebnis ist jedoch offensichtlich bei der Erstellung des nun diskutierten Gesetzentwurfes unberücksichtigt geblieben.

Sozialministerin Cornelia Rundt begrüßte indes, dass der nun vorgelegte Gesetzentwurf auch einzelne Punkte enthält, mit denen Forderungen der Länder aus der Vergangenheit umgesetzt werden. Dazu zählt die Neuabgrenzung der Regelbedarfsstufen. Begrüßenswert sei auch, dass die Bundesregierung auf die Kritik des Bundessozialgerichts reagiert hat und künftig der Anwendungsbereich der Regelbedarfsstufe 3 nicht mehr erwachsene Menschen mit Behinderungen, die bei ihren Eltern wohnen, umfassen soll. Für diesen Personenkreis wird somit nun Rechtssicherheit geschaffen. Andere Forderungen der Länder seien hingegen leider unberücksichtigt geblieben.

Regelsätze bedarfsgerecht und transparent ausgestalten

In seinem Beschluss vom 23. Juli 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht dem Bundesgesetzgeber bei der Höhe der Regelsätze Hausaufgaben aufgegeben. Niedersachsen hatte seine verfassungsrechtlichen Bedenken bereits im Vorfeld dieser Entscheidung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht geäußert. Schon damals hatte das Land beispielsweise die Regelungen zum Mobilitätsbedarf, zum Schulbedarf, zum Bedarf an Sehhilfen und für die Anschaffung von Haushaltsgeräten sowie zur Bedarfsfeststellung für Kinder insgesamt als nicht ausreichend angesehen. Das Bundesverfassungsgericht trug dem Bund in der Folge auf, dafür Sorge zu tragen, dass erkennbare Risiken einer Unterdeckung existenzsichernder Bedarfe nicht eintreten. "Vor diesem Hintergrund erstaunt es umso mehr, dass auch der nun vorliegende Gesetzentwurf für diese Kritikpunkte nach wie vor keine Lösung vorsieht - es muss endlich die gesetzliche Grundlage geschaffen werden, damit Ausgaben beispielsweise für Sehhilfen als einmalige Bedarfe berücksichtigt werden", so Cornelia Rundt: "Damals wie heute ist es unser Ziel, dass die Regelsätze bedarfsgerecht und transparent ausgestaltet werden."

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 04.11.2016

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