Sozialpolitik

Neuer AWO-Chef Stadler warnt Regierung vor Versagen bei Kita-Ausbau und Kaputtsparen der Jobvermittlung

„Steuergeschenke für die Reichen, Sparpläne für die Armen - das spaltet unsere Gesellschaft", sagte der neue AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler.

05.01.2010

„Jetzt schon verlassen jedes Jahr mehr als 70 000 junge Erwachsene die Schule ohne Abschluss und sind auf dem Arbeitsmarkt praktisch chancenlos. Das ist es, was wir uns wirklich nicht mehr leisten können: Mit einer verfehlten Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik quasi Sozialstaatskarrieren zu provozieren, statt längst überfällige Investitionen endlich in die Tat umzusetzen", warnt der neue AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler.

Die Klientelpolitik für einige Wenige habe für die Gesellschaft als Ganzes alarmierende Auswirkungen. „Die sinnlosen Steuergeschenke für Besserverdienende treiben die Kommunen in den Ruin, landauf landab fehlt das Geld für den dringend nötigen Ausbau der Kleinkindbetreuung", kritisiert Stadler. „Das ist der Bruch des wichtigsten Wahlversprechens: Die Bildungsoffensive kann so nicht stattfinden."

Die AWO beteilige sich engagiert an dem Ziel der Vorgängerregierung, bis 2013 die Zahl der Betreuungsplätze für Kleinkinder zu verdreifachen - doch die Freien Träger seien bei der Finanzierung auf Zuschüsse der Kommunen angewiesen. Diese seine eingefroren oder würden gar gekürzt. Das mache auch die Finanzierung der Tariferhöhungen für Erzieher extrem schwierig und die dringend gebotene Verkleinerung der Kita-Gruppen nahezu unmöglich.

„Dabei sind mehr und bessere Angebote für die Betreuung und Bildung von Kleinkindern der wichtigste Baustein, um die Chancengerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu verbessern, insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien", betont der AWO-Chef. Statt ein unnötiges Betreuungsgeld fürs Zuhause bleiben zu diskutieren, müssten die Kommunen finanziell in die Lage versetzt werden, starke Strukturen zu schaffen, die auch die Qualität der Kita-Betreuung verbessern. Die AWO habe dazu eine Weiterbildungsreihe für Frühpadagogik konzipiert.

„Jetzt schon suchen viele Kitas händeringend nach qualifiziertem Personal. Um den Fachkräftemangel zu beheben, müssen dringend die Rahmenbedingungen für die Gründung und den Betrieb von Fachschulen verbessert werden", fordert der AWO Bundesvorsitzende.

Die nun durchsickernden Sparideen der Koalitionsparteien im Sozialbereich nennt der AWO Chef "unverantwortlich kurzsichtig und gesellschaftspolitisch kontraproduktiv". Die beabsichtigten Kürzungen der Mittel der Arbeitsagenturen hätten insbesondere beim Übergang von der Schule in den Beruf fatale Folgen. „Statt an dieser völligen falschen Stelle zu sparen, muss vielmehr die Effizienz und Verzahnung der Übergangshilfen dringend verbessert werden, damit nicht weiterhin zigtausende Jugendliche chancenlos ausgegrenzt werden, was nur noch höhere Folgekosten produziert", unterstreicht der AWO-Chef. „Die Ungleichheit der Chancen ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land."

Grundsätzlich müssen alle Arbeitslose weiter „Hilfe aus einer Hand" erhalten. „Die Untätigkeit der Regierungskoalition bei der Reform der ARGEn läuft auf die offenbar gewollte Zerschlagung der Jobcenter hinaus. Das ist so unsinnig wie teuer", kritisiert Stadler.

Im Kampf gegen die Explosion des Niedriglohnsektors müsse die Kanzlerin Führungsstärke gegen die FDP zeigen: Die hat im Koalitionsvertrag ihr Vetorecht gegen weitere Mindestlöhne festgeschrieben. "Damit wird die anstehende Umsetzung des Mindestlohns in der Pflege zur Nagelprobe, ob diese Regierung bereit ist, unsere alternde Gesellschaft zukunftsfähig und menschenwürdig zu gestalten", betont der AWO-Chef.

„Bildung und Pflege sind die Jobmotoren der Zukunft - um diese Chancen zu realisieren, müssen endlich die richtigen Weichen gestellt werden." Dabei dürfe die Arbeitsmarktpolitik der Regierung nicht länger klare Zusammenhänge ignorieren: "Lohnarmut führt zu Kinderarmut und mündet in Altersarmut."

„Tatsächlich ist in keinem anderen Industrieland die Einkommenskluft stärker gewachsen und hat die Armut in den vergangenen Jahren mehr zugenommen als in Deutschland", zitiert Stadler den jüngsten Bericht der OECD. Inzwischen gelten hierzulande mehr als 2,4 Millionen Kinder offiziell als arm. "Um dieser bösen Falle für die Zukunft unseres Landes zu entkommen, müssen die vielen Milliarden, die wir für Familienförderung ausgeben, auf eine neue Grundlage gestellt werden", fordert Stadler. Im "Bündnis Kindergrundsicherung" habe die AWO mit ihrem Fachverband Zukunftsforum Familie dafür ein sozial gerechtes Modell entwickelt (<link http: www.kinderarmut-hat-folgen.de _blank external-link-new-window external link in new>www.kinderarmut-hat-Folgen.de).

Angesichts der aktuellen sozialpolitischen Zuspitzungen werde der AWO Bundesverband in diesem Jahr insbesondere bei der Kinder- und Familienförderung sowie im Pflegebereich konstruktive Kritik üben und praktische Vorschläge unterbreiten, kündigte Stadler an, der auch Geschäftsführer des "AWO Elternservice" ist.

Intern werde die AWO als modernes Dienstleistungsunternehmen mit bundesweit mehr als 14 000 sozialen Diensten und Einrichtungen ihre professionellen Angebote weiterentwickeln und sich an den Wünschen der Kunden und den Bedürfnissen der Menschen orientieren, was etwa im Pflegebereich den Ausbau der Hilfen aus einer Hand bedeutet, von der Beratung über die ambulante bis zur stationären Betreuung. Einen weiteren Schwerpunkt legt der neue Bundesvorsitzende des Verbandes mit mehr als 400 000 Mitgliedern auf die Förderung des ehrenamtlichen Engagements. "Seit 90 Jahren lebt die AWO von der Kraft engagierter Bürger, die nicht nur leiden und meckern, sondern mitmachen und gestalten - diese Tatkraft brauchen wir in Krisenzeiten mehr denn je." 

Quelle: Arbeiterwohlfahrt - Bundesverband e.V.

 

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